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Margit Mössmer – Die Sprachlosigkeit der Fische

Gerda ist überall und nirgends. Sie streift durch London, Istanbul, New York, Madrid und Paris. Sie heilt einen vermeintlich alzheimerkranken Hahn, ist Bürgermeisterin in Catania und verkauft im Foyer des Belle Pigalle Karten für eine mittelmäßige Burlesque Show. Margit Mössmers Gerda-Fragmente sind völlig verrückt und abgedreht, irgendwas zwischen Märchen und Reisebericht.

Gerda ist eine ungewöhnliche junge Frau und – so scheint es jedenfalls – überall auf der Welt zuhause. Heutzutage ist das Reisen in mehr oder weniger ferne Länder freilich kein Luxus mehr oder eine Absonderlichkeit, absonderlich ist aber durchaus, was Gerda mitunter erlebt. Da wird im spanischen Stierkampf ein Torero auf die Spitze eines Kirchturms geschleudert, in dem er fortan lebt. Sie selbst wird von einer Seerose in der Mitte des Bleder Sees auf den Grund gezogen, wo sie zum ersten – aber nicht endgültigen – Mal stirbt. Und schließlich gerettet wird von einem Mann namens Francesco Albani, der seit Jahren die Zeit damit verbringt, Dinge aus dem Wasser zu ziehen. Ein Hase, der Gerda ohne ihr Zutun gefolgt ist, verdurstet in seinem Käfig. Gerda selbst entzieht sich jeder näheren Betrachtung, sie ist so kaleidoskopisch wie die Geschichten, die sie durchlebt. Da kann einer auch schonmal ein Schloss aus den verschiedensten Knöpfen bauen, nur für sie.

Am 27.April hatte Gerda bei ihrem täglichen Weg vom Kindergarten in der Blackfriars Road zum Haus der Scotts in der Upper Thames Street den Künstler und späteren Knopfproduzenten Gilbert Rose kennengelernt.

Nahezu jede Gerda-Geschichte erfährt in ,Die Sprachlosigkeit der Fische‘ eine ganz besondere Wendung; Margit Mössmers Miniaturen reiben sich an der Wirklichkeit und testen ihre Grenzen aus. Nicht jede Geschichte ist dabei nachvollziehbar, manche liest man auch mit dem Beigeschmack, dass etwas Essentielles fehlt, um die Wirkung dieses kurzen Textes zu entfalten. Die meisten Erzählungen rundum Gerda, die als menschlicher roter Faden durch sie hindurchläuft, sprühen jedoch vor Einfallsreichtum und Humor. Sie lesen sich mithin wie kurze märchenhafte Reiseberichte, die einen nicht nur in der Welt herumführen, sondern auch in ihren unzähligen Möglichkeiten und Absurditäten. So ist Gerda übrigens auch verantwortlich für den Elefant aus Lavagestein, der einen Obelisken balancierend noch heute in Catania auf dem Palazzo Municipale steht. Sie selbst ernannte den Elefanten zum Wahrzeichen der Stadt. Wer keine Freude hat an unerklärlichen Verrücktheiten, der wird auch mit ,Die Sprachlosigkeit der Fische‘ nicht warm werden. Erklärungen gibt es nicht.

Gerda ließ Rauch durch ihren nur einen Spalt weit geöffneten Mund fallen, ohne ihm durch aktives Ausatmen eine Richtung vorzugeben. Er floss blauviolett die Glasscheibe entlang und verdeckte für einen Moment Monsieur Huillets Champagnergesicht.

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Hörprobe gelesen von Dorothee Hartinger, © ORF Ö1

Wie man auch immer mit dem Unerklärlichen umgehen mag – eine Frage, die sich ja nicht nur in der Literatur gelegentlich aufdrängt -; Margit Mössmer macht es einem nicht schwer, sich auf ihre Ideen einzulassen. Ihre Sprache, mal pointiert und mal verspielt, liest man gern, man merkt ihnen an, Autorin wie Sprache, dass sie noch mehr können, mehr ausprobieren wollen. Für’s Erste sind diese wohlformulierten Miniaturen jedenfalls ein sehr charmanter Einstieg! Einige von Mössmers Gerda-Geschichten  wurden beim Ö1 Literaturwettbewerb WÖRTER.See 2010 prämiert.

Margit Mössmer: Die Sprachlosigkeit der Fische, edition atelier, 136 Seiten, 9783903005051, 16,95 €

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