Erzählungen, Rezensionen
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Dorthe Nors – Handkantenschlag

Sie ist, so sagt man, die dänische Queen of Short Stories. Dorthe Nors‘ präzise und messerscharfe Erzählungen beschreiben Menschen mit verstörenden Interessen und Erfahrungen, Menschen, die inmitten der Gesellschaft Außenseiter sind. Es sind Kurzgeschichten, die ihre Schlagkraft erst nach einem Moment des Innehaltens voll entfalten.

Da ist ein Mann, der von seinem Lebenswandel vom durchsetzungsfähigen Manager zum friedfertigen Buddhisten solange überzeugt ist, bis er sich mit einem Kanister Benzin und der Telefonnummer seiner Ex in sein Büro einschließt. Die Frau, die an ihrem Körper  unzählige blaue Flecken bemerkt und wie paralysiert die Situation zu begreifen versucht, während ihr Mann reglos im Bett neben ihr liegt. Es geht um Scheidungen, weibliche Serienmörder und die Faszination, die man für das Unbegreifliche hegen kann, um unüberwindbare Familiengräben und eine Wattwanderung voll Unendlichkeit.

Sie schauen auf ihre Brandwunden und blauen Flecke, ihre abgeräumten Bankkonten und ihre zerstörten Träume, als ob es eine ewige Quelle des Erstaunens ist, dass das Böse wirklich existiert.

In Dorthe Nors Kurzgeschichten existiert das Böse. Und das, was es zurückgelassen hat. Einsame, traurige und verlorene Menschen in ihren Kerkern banaler Alltäglichkeit. Sie alle sind verletzt und zurückgelassen worden in einer Art, die sie nie verwunden haben. Und mit dem, was ich nicht verwinde, kann ich zweierlei anstellen: Ich kann es gegen mich selbst richten oder gegen andere. Dorthe Nors präsentiert in ,Handkantenschlag’ oft nur blitzlichtartige Sequenzen, kurze Momentaufnahmen eines einzelnen Lebens, das vom geraden und vorausschaubaren Verlauf abgekommen ist.

Irgendjemand musste der Weltangst die Adresse gegeben haben, denn sie kam direkt zu unserem Haus und klopfte an.

Zwar ist nicht jede Geschichte ein Hit, doch als Leser spürt man deutlich den genauen und unnachgiebigen Blick, den Dorthe Nors auf ihre Figuren richtet. Es sind intensive Miniaturen menschlichen Leidens und Scheiterns geworden, in die man für den Moment der Lektüre eintauchen kann. Für Freunde der dichten Kurzgeschichte ist Dorthe Nors in Deutschland noch ein Geheimtipp, in den USA wurde sie bereits von Größen wie Junot Díaz hochgelobt. Es lohnt sich, einen Blick zu riskieren und diese literarischen Schläge über sich ergehen lassen. Denn so sehr sie bei Dorthe Nors Fiktion sind; weit entfernt von der Wirklichkeit hinter manchen Gardinen sind sie nicht.

Hier könnt ihr in das Buch reinlesen.

Dorthe Nors: Handkantenschlag, aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg, Osburg Verlag, 170 Seiten, 9783955100704, 17,99 €

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