Kultur
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Lübecks Prosa

Seit Mai 2017 liegt in der Lübecker Dr-Julius-Leber-Straße 42 eine kleine Oase. Die Straße gehört sonst nicht unbedingt zu den kopfsteingepflasterten Flaniergässchen wie Lübeck ja einige hat. Etwas grau ist sie und durch das im oberen Drittel gelegene Stadtteilbüro durchweht von einem Hauch kommunaler Bürokratie. Wer diese Straße entlang geht, der hat in der Regel ein festes Ziel vor Augen, stadtin- oder auswärts. Seit nicht ganz eineinhalb Jahren kann das Ziel nun auch Prosa – Der Buchladen heißen – der Name ist Programm. Prosa ist von übersichtlicher Größe, die bekanntlich im Falle eines Buchladens praktisch nichts über seine inneren Werte aussagt. Betritt man den Laden, wird zweierlei sehr schnell deutlich: 1) Hier wird handverlesen, was den Sprung in die Regale meistert, 2) Frontalpräsentation von Büchern ist eine Verführungskunst. Kein Buch bei Prosa dreht den Kund*innen den Rücken zu, jedes Cover kommt in seiner ganzen Breite zur Geltung. Und jaja, don’t judge a book by it’s cover, ich weiß, trotzdem bleibt das Auge immer wieder hängen, an diesem und jenem. Man geht aufmerksamer die Regale entlang, die Sirenengesänge ungelesener Bücher tönen noch etwas lauter als sonst.


Man hat den Laden schnell durchschritten, aber dabei natürlich längst nicht alle Bücher entdeckt. Also dreht man seine Runden um den mittig platzierten Tisch mit Neuerscheinungen. Dem einen oder anderen mag beim frei flottierenden Hin und Her auffallen, dass sich hier im Regal auch Klassiker zeitgenössischer Literatur finden. Vor einiger Zeit kaufe ich hier Sebalds Austerlitz, das mit genau der gleichen Sorgfalt dort platziert ist wie der neue Roman von Karen Duve. Backlisttitel stehen hier selbstverständlich neben den Neuheiten. Ein Buch wird ja bekanntlich nicht schlecht oder gar attraktiver allein durch sein Erscheinungsdatum. In einem Laden dieser Größe kommt man früher oder später natürlich mit der Inhaberin in Kontakt – in diesem Fall oft früher. Inhaberin Katrin Bietz ist offen, immer freundlich, immer bereit, über Literatur zu sprechen. Das Gespräch über’s Buch passiert hier ganz automatisch, gelegentlich tragen Kund*innen sogar zum Sortiment bei, indem sie einen Roman so leidenschaftlich empfehlen, dass er nach kurzer Prüfung den Weg ins Regal findet. Überhaupt geht es hier sehr leidenschaftlich zu; was zunächst nach einer hohlen Phrase klingen mag. Freilich brauchen Buchhändler*innen mehr als Leidenschaft. Tatsächlich ist das sogar das Erste, was ich höre, bevor ich die Ausbildung beginne. Ich stelle mich 2010 in einer Buchhandlung für ein Praktikum vor, initiativ, mit etwas wackeligen Knien. Bevor ich die Antwort zu meinem Praktikumsersuchen bekomme, heißt es seitens des Buchhändlers schwergewichtig: “Es reicht aber nicht, nur gern zu lesen.”

Inhaberin Katrin Bietz

Ich war ein bisschen vor den Kopf gestoßen. Das Praktikum wurde am Ende nichts. Heute ist mir klar: Ja, natürlich genügt es nicht, gern ein Buch in die Hand zu nehmen. Aber es ist unerlässliche Voraussetzung dafür, diesen Beruf auszuüben. Und es ist eine Herausforderung, über die Jahre so begeisterungsfähig zu bleiben, dass diese Begeisterung ansteckend ist. Katrin Bietz gelingt das mühelos. Sie gehört zu den Buchhändlerinnen, mit denen man über ein Buch schwärmen kann, deren Ohren weit geöffnet sind für den Dialog. Mithin zu den Buchhändlerinnen, die nicht glauben, sie unterscheide irgendetwas vom handelsüblichen Leser oder der handelsüblichen Leserin. Vielmehr ist man bei Prosa in einer Gemeinschaft von Lesenden, die die glühende Begeisterung für das geschriebene Wort teilt. Gleichwohl ist es eine Buchhandlung, in der es eine Haltung gibt, die sich auch in Sortiment und Dekoration niederschlägt. Hier gibt es keinen Sarrazin. Dafür eine Fensterdekoration mit weit besseren Alternativen. Und es gibt Kaffee. Für jeden, der gerade vorbeikommt und der Stärkung bedarf.



In Prosa gibt es regelmäßig das Abendbrot, mit “Stulle”, Getränk und Buchvorstellung. Platz ist in der kleinsten Hütte, heißt es ja immer und für das prosaische Abendbrot gilt, dass dieser Platz stets gut gefüllt ist. Sogar Lesungen veranstaltet Katrin Bietz im kuscheligen Ambiente (vor nicht allzu langer Zeit mit der Autorin Svealena Kutschke und ihrem Lübeck-Roman Stadt aus Rauch), für die Literatur rückt man dann eben ein bisschen näher zusammen, kein Problem. Es sind auch die Details, die diesen Laden so attraktiv machen. Die unüblichen Beschriftungen an den Regalen. Oder der kleine Origami-Kranich. Man spürt hier die Liebe zur Sache und die Aufgeschlossenheit. Ganz sicher ist das nicht alles, was man braucht, um ein*e gute*r Buchhändler*in zu sein. Aber wenn man das nicht hat, wird man es nicht schaffen.


Warum ich das hier in epischer Breite zelebriere? Erstens natürlich, weil mir der Laden am Herzen liegt, – im Speziellen dieser eine und im Allgemeinen diese Art von Buchläden. Zweitens aber auch, weil ich meine Buchbesprechungen künftig auf den Prosa-Shop verlinke (und Prosa weist dafür auf diesen Blog hin). Das ist Werbung. Und bevor ich für etwas werbe, möchte ich ja wenigstens sagen und zeigen, weshalb es praktisch unumgänglich ist, gerade für diesen Ort Werbung zu machen. In meiner Sidebar findet sich ab jetzt auch das Prosa-Logo mit einem Link zur Homepage, die gerade etwas aufgehübscht wird. Auf der bisherigen gibt’s persönliche Empfehlungen, das wird freilich auch so weitergeführt.

Wer also in Lübeck auf der Suche ist nach einer Buchhandlung, in der man sich wohlfühlt und gut beraten, der findet bei Prosa sehr wahrscheinlich eine Anlaufstelle. Wer nicht in Lübeck beheimatet ist und sich doch durch Plan oder Zufall in die Stadt verirrt, sollte vorbeikommen. Auf einen Kaffee. Auf eine kleine Fachsimpelei über das letzte Buch, das man gelesen hat oder über das Buch, das man als nächstes lesen könnte. Als ich zuletzt dort bin, komme ich praktisch wie von selbst mit einem Mann ins Gespräch, der gegenüber wohnt. Für den die Buchhandlung beinahe so etwas wie ein erweitertes Wohnzimmer ist. Mit unseren Kaffeetassen in den Händen reden wir über Büchersammlungen, über das milde Unverständnis derer, die Bücher zwar lesen, aber nicht um sich haben müssen. Man versteht sich. Die Buchhandlung ist für einen Moment wieder dieser Begegnungsort, von dem alle reden. Dieser gemeinsame Raum, trotz aller Unterschiede. Es gibt ihn eben doch. Hoffentlich auch weiterhin.



Prosa – Der Buchladen
Dr-Julius-Leber-Straße 42
23552 Lübeck
info@prosa-buchladen.de

geöffnet

Dienstag bis Freitag 11:00 – 18:00
Samstag 11:00 – 14:00

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