Kultur, Kurz & Knapp
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Kurz und knapp rezensiert im Dezember!

Die Weihnachtstage sind so schnell vorübergegangen wie sie gekommen sind. Bis die Silvesterfeiern allerorts das neue Jahr einläuten, habe ich nochmal vier Bücher für euch, die ich im Dezember gelesen habe. Es geht um die Welt und unsere Zukunft, eine späte Rache, Lügen, die außer Kontrolle geraten und einen Unfall, der Leben verändert.

Während vielerorts noch darüber gestritten wird, ob Flüchtlinge eine Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft darstellen und ob die Rückkehr zu nationaler Unabhängigheit nicht all unsere Probleme lösen könnte; während noch debattiert wird, ob der Klimawandel real ist und wie man Arbeitslose motivieren könnte, etwas zu leisten, finden ganz nebenbei die großen Umwälzungen statt. Philipp Blom beleuchtet in seinem Essay u.a. die wahrscheinlichen Folgen des voranschreitenden Klimawandels – Migration, unbewohnbare oder gänzlich verschwundene Gebiete – sowie die gravierenden Veränderungen des Arbeitslebens durch die Digitalisierung. Der Begriff der Arbeit und ihren Stellenwert werden wir überdenken müssen angesichts einer immer rasanter fortschreitenden Technisierung. Das Ziel heißt nicht mehr quasi Vollbeschäftigung, kann nicht mehr Vollbeschäftigung heißen, wenn Maschinen immer mehr Tätigkeiten übernehmen. Wir können nicht mehr mit Volldampf vorausfahren, wenn die Ressourcen knapp werden. Wie werden uns Alternativen überlegen müssen, Ideen entwickeln, abseits ausgetretener Pfade denken. Die Zukunft will gestaltet, nicht nur erduldet werden. Das macht Blom unumwunden deutlich. Ein kluges Buch, das zum Handeln aufruft, statt Probleme auf die Schultern von Sündenböcken auszulagern!

Philipp Blom: Was auf dem Spiel steht. Hanser Verlag. 224 Seiten. 20 €.

Wir alle lügen. Oft nicht etwa aus böswilligen Motiven, sondern um einen anderen nicht zu verletzen oder einem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Nuphar Schalev ist ein unscheinbares Mädchen. Sie steht im Schatten ihrer attraktiven Schwester, ist schüchtern und zurückhaltend. Als Verkäuferin in einem Eisladen verdient sie sich ein kleines Taschengeld. Als der Sänger Avischai Milner eines Tages zufällig im Laden steht und aus einem Konflikt ein folgenreicher Zwischenfall erwächst,  entwickelt die aus der Not erwachsene Lüge ein Eigenleben. Mit großer Empathie und berührenden Bildern erzählt Ayelet Gundar-Goshen nicht nur von einer, sondern von mehreren, einander überkreuzenden Lügen, die jeweils etwas bewahren oder verschleiern. Und jede Lüge entwickelt für sich eine Dynamik, die nachvollziehbar erscheint in einer spezifischen Situation. Sie sind nicht von langer Hand geplant, sie ergeben sich und ergreifen Besitz. Am Ende steht ein zarter, vielschichtiger Roman. Einer, der nicht etwa Urteile fällt, sondern mit großer Beobachtungsgabe erzählt.

Ayelet Gundar-Goshen: Lügnerin. Kein & Aber. Aus dem Hebräischen von Helene Seidler. 336 Seiten. 24 €.

Überall ist zu lesen, dass dieser Krimi vor allem geschrieben worden sei, um Spielschulden zu begleichen. Und nicht nur das: es gelingt Iori Fujiwara sogar, mit diesem 1998 im Original erschienenen Buch einen Preis zu gewinnen. In einem Park in Tokio wird eine Bombe gezündet, deren Explosion mehrere Menschen das Leben kostet. Zufällig hält sich zu diesem Zeitpunkt gerade der Barkeeper und Trinker Shimamura am Ort des Geschehens auf. Er wird immer tiefer hineingezogen in Ereignisse, die ihn unmittelbar in Gefahr bringen. Shimamura lebt seit vielen Jahren unter falscher Identität und fürchtet nun, aufgrund seiner Anwesenheit während des Attentats nicht nur ins Visier der Polizei zu geraten, sondern schließlich enttarnt zu werden. Bei der Bombemexplosion stirbt auch ein alter Freund, mit dem ihn eine Geschichte aus den Jahren der Studentenunruhen verbindet. Stück für Stück setzt Fujiwara die Teile zu einem Bild zusammen, das nicht nur weit in die Vergangenheit führt, sondern ungeahnte Verbindungen aufdeckt. Ein spannender Krimi mit einem charismatischen Protagonisten und einer fesselnden Spurensuche im Yakuza-Milieu! Außerdem Platz 6 der Krimibestenliste im Dezember.

Iori Fujiwara: Der Sonnenschirm des Terroristen. cass Verlag. Aus dem Japanischen von Katja Busson. 352 Seiten. 19,95 €.

Jan Costin Wagners Krimis sind seit jeher dafür bekannt, von besonderer Machart zu sein. Eher behutsam, still, zurückhaltend, unaufdringlich. Hier zählen nicht der große Effekt oder die besonders steile Spannungskurve, Wagners Joentaa-Krimis ist viel mehr an Atmosphäre und Stimmung gelegen. So auch in Sakari lernt, durch Wände zu gehen. Lose basierend auf einem realen Vorfall erzählt der Roman multiperspektivisch den Ablauf der Geschehnisse. Ein Jugendlicher steht in einem Brunnen im finnischen Turku. Er ist mit einem Messer bewaffnet, mit dem er sich selbst Verletzungen zufügt. Vermeintlich in Notwehr wird er von einem Polizeibeamten erschossen. Wer war dieser junge verwirrte Mann im Brunnen? Was hat ihn so weit getrieben? Kimmo Joentaa stößt auf eine Familientragödie und ihre unmittelbaren Folgen. Über allem liegt in diesem Buch eine melancholische Patina, eine bedrückende Stimmung. Diese Düsternis, immer wieder durchbrochen von alltäglichen Situationen, entwickelt eine Anziehungskraft, die sich erst mit der letzten Seite auflöst. Ein Roman, der von seiner nordisch unterkühlten Zurückhaltung lebt und durch sie erst charakteristisches Format erhält.

Jan Costin Wagner: Sakari lernt, durch Wände zu gehen. Galiani. 240 Seiten. 20 €.

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