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Manuel Möglich im Interview!

© Regina Schmeken

Was ist für Dich deutsch? Gibt es Dinge oder Verhaltensweisen, die du selbst automatisch mit Deutschland verbindest? 

Ohne Klischees zu strapazieren, als erstes ganz naheliegend: die deutsche Sprache. Aber auch die Unsicherheit in Sachen patriotischen Gefühlen.

Wie kam es zu ,Deutschland überall’, bzw. auch zur Reportagereihe ,Deutschland von außen’?

In den letzten 10-15 Jahren bin ich recht viel durch die Welt gereist und habe mehr oder weniger intensiv über meine deutsche Herkunft und Identität nachgedacht. Wenn man beispielsweise in Israel unterwegs ist, setzt man sich automatisch sehr mit solchen Dingen auseinander. Diese Gedanken und der Spaß am Reisen existierten also schon eine Weile. Als ich in einem Spiegel-Artikel über die Stadt Lüderitz in Namibia las, dass es dort noch Leute geben soll, die angeblich den Geburtstag von Adolf Hitler feiern, dachte ich mir: „Das klingt so absurd, daraus könnte eine Geschichte werden. Ich fahr da jetzt einfach mal hin.“ Auf dieser Reise durch die ehemalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika habe ich letztendlich so viele Storys gesammelt; ich war zuversichtlich, dass das auch in anderen Ländern, die eng mit der deutschen Geschichten verbunden sind, funktionieren könnte. Und dann entstand eben dieses Buch.

Die Reportagereihe kam auf den Weg, weil mein ZDF-Redakteur das Exposé meiner Buchidee aus persönlichem Interesse lesen wollte. Ihm gefiel es offenbar, er gab es jedenfalls ohne mein Wissen seiner Chefin und so ging es mit dieser Reihe los. Die Idee basiert zwar auf meiner Buchidee, allerdings ist es nicht die Serie zum Buch und auch umgekehrt gilt das nicht. Der Ansatz ist ein anderer, zudem unterscheiden sich einige Schauplätze.

Gibt es etwas, wovon du auf Reisen sehr überrascht warst? Etwas, womit du vorher nicht gerechnet hast?

Auf jeden Fall. Die Geschichten der sogenannten DDR-Kinder von Namibia. Oder wie ein Gottesdienst auf Samoa gefeiert wird. Oder Orte wie Pomerode oder Rolândia, zwei Kleinstädte in Brasilien, die von deutschen Auswanderern erschaffen wurden. Es gab tatsächlich viele Dinge, Menschen und Erzählungen, die überrascht haben.

deutschlandüberallHat sich dein Bild von Deutschland durch die Außenperspektive – womöglich nachhaltig – verändert?

Ich weiß das Land heute ein kleinwenig mehr zu schätzen. Umgekehrt sind mir auch Sachen deutlich geworden, die in Deutschland besser laufen könnten. Weil ich tatsächlich auf all meinen Reisen als Deutscher sehr positiv empfangen wurde, habe ich akzeptiert, dass es heute offenbar völlig okay ist, sich in der Welt als jemand aus Deutschland vorzustellen. Früher hatte ich dahingehend ganz andere Erfahrungen gemacht.

Viele Menschen pflegen in den Ländern, die du besucht hast, ein sehr verzerrtes und idealisiertes Deutschlandbild, bzw. haben auch oft wenig Kenntnis über die aktuellen Debatten und Probleme. Woran liegt es, dass dieses Deutschlandbild gewissermaßen konserviert und nicht hinterfragt wird? 

Ich denke, dass es vielen dieser Menschen eigentlich gar nicht um Deutschland geht, sondern um Erinnerungen. Erinnerungen, die nichts mit der Geschichte zu tun haben, sondern mit Geschichten, die einst die eigenen Großeltern von der fernen Heimat Deutschland erzählten. Das Land scheint für sehr viele Nachkommen zu einer Art Anker geworden zu sein; dass die Familien ja oft freiwillig Deutschland verließen, weil sie damals dort teilweise keine Perspektiven mehr hatten, gerät vollends in Vergessenheit. So ist das Land der Anker, der Halt gibt, wenn es im Alltag nicht so rund läuft. Ein heiliger Gral, ein Ort der Sehnsucht – eine schöne Idee, vielleicht ein Märchen mit Namen Deutschland, welches mit dem Land, wie es Deutsche im Jahr 2015 kennen, nur bedingt zu tun hat.

In welchem der bereisten Länder ist Deutschland am lebendigsten? Bzw. wo ist das Deutsche bloß noch Fassade?

In Brasilien und in Namibia habe ich es als sehr lebendig empfunden. Deutsch wird in den Ecken, in denen ich in diesen beiden Ländern unterwegs war, gefühlt noch recht häufig gesprochen. Im chinesischen Qingdao habe ich in der Altstadt dagegen nur noch Fassaden und leere Hüllen gefunden; das Deutsche ist in dieser Metropole sonst ausgestorben.

Dein journalistischer Stil ist angelehnt an Hunter S.Thompson. Eines deiner Vorbilder ist Louis Theroux. Welche Vorteile, glaubst du, ergeben sich daraus, das journalistisch vermeintlich unsaubere Ich wieder in die Arbeiten hineinzubringen? 

Wenn man als Journalist deutlich macht, dass man eine bestimmte Meinung zu einer Thematik vertritt, weiß der Zuschauer oder Leser um die Haltung des Erzählers. Diesen Ansatz finde ich durchaus authentisch. Wenn ein Reporter ganz klassisch und vermeintlich neutral beispielsweise über den Nahostkonflikt berichtet, frage ich mich schon ein wenig, wie dieser Mensch über Israel und Palästina urteilt. Es gibt zweifelsohne Journalisten, die total neutral an so ein Thema rangehen, aber gewiss sind das nicht alle. Die so sachliche Ukraine-Berichterstattung wurde durchaus ja auch als hin und wieder ungewollt subjektiv kritisiert. Abgesehen davon: über die persönliche, emotionale Ebene transportiert eine Geschichte zudem weitere Eindrücke, um sich in Situationen hineinzuversetzen.

Gibt es etwas, das der heutige Journalismus deiner Ansicht nach anders  (oder öfter) machen sollte?

Auf mehr Individualität setzen und nicht an den falschen Stellen Geld sparen wollen.

Im Buch beschreibst du, wie du auf Samoa Kava (Rauschpfeffer) probierst und damit nicht gerade zimperlich bist. Bist du ein sehr experimentierfreudiger Mensch? Oder packt dich auch manchmal die Angst?

Experimentierfreudig: bedingt oder eben dann, wenn ich es für sinnvoll empfinde. Kava ist jetzt auch nicht wirklich gefährlich oder bringt ein hohes Abhängigkeitspotential mit sich, wenn man es einmal konsumiert. Hin und wieder hatte ich schon ein ungutes Gefühl in manchen Situationen, aber Angst überkam mich im Kontext meiner Arbeit noch nie.

Was würdest du, der Deutschland nun in seinen Nischen und von außen kennengelernt hat, jemandem raten, der sein Land entdecken will? Wo und wie sollte man anfangen?

Deutschland kann von innen und von außen ganz schön wild sein. Also Augen und Ohren auf! Wenn man wirklich sucht, lässt sich einiges finden.

Sind noch weitere Folgen von ,Deutschland von außen’ oder womöglich eine andere Reportagereihe geplant? Hättest du noch Ideen?

Von Deutschland von außen nicht. Ich arbeite natürlich an neuen Ideen. Möglich, dass daraus auch wieder eine Reportage entsteht. Vielleicht aber auch mein zweites Buch. Oder beides.

Manuel Möglich, geboren 1979 in Weilburg/Hessen, studierte Medien- und Kulturwissenschaft, schrieb für «Spex» und «VICE», arbeitete als Radiojournalist und gehört heute zu den herausragenden jüngeren Fernsehreportern. Seine Serie «Wild Germany» auf ZDFneo, die ihn und seinen direkten, persönlichen Stil bekanntmachte, war für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Manuel Möglich lebt in Berlin, «Deutschland überall» ist sein erstes Buch.

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