Alle Artikel mit dem Schlagwort: deutschland

Manuel Möglich im Interview!

© Regina Schmeken Was ist für Dich deutsch? Gibt es Dinge oder Verhaltensweisen, die du selbst automatisch mit Deutschland verbindest?  Ohne Klischees zu strapazieren, als erstes ganz naheliegend: die deutsche Sprache. Aber auch die Unsicherheit in Sachen patriotischen Gefühlen. Wie kam es zu ,Deutschland überall’, bzw. auch zur Reportagereihe ,Deutschland von außen’? In den letzten 10-15 Jahren bin ich recht viel durch die Welt gereist und habe mehr oder weniger intensiv über meine deutsche Herkunft und Identität nachgedacht. Wenn man beispielsweise in Israel unterwegs ist, setzt man sich automatisch sehr mit solchen Dingen auseinander. Diese Gedanken und der Spaß am Reisen existierten also schon eine Weile. Als ich in einem Spiegel-Artikel über die Stadt Lüderitz in Namibia las, dass es dort noch Leute geben soll, die angeblich den Geburtstag von Adolf Hitler feiern, dachte ich mir: „Das klingt so absurd, daraus könnte eine Geschichte werden. Ich fahr da jetzt einfach mal hin.“ Auf dieser Reise durch die ehemalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika habe ich letztendlich so viele Storys gesammelt; ich war zuversichtlich, dass das auch in anderen …

Melanie Raabe – Die Falle

Eine anerkannte und von der Kritik geschätzte Autorin hat seit elf Jahren das Haus nicht verlassen. Das hat ihr nicht nur den Ruf eingebracht, etwas eigenartig und exzentrisch zu sein, sondern öffnet Spekulationen über ihre Existenz immer wieder Tür und Tor. Nichts deutet auf eine große Veränderung hin, bis Linda Conrads eines Tages im Fernsehen das Gesicht eines Mörders erblickt. Nicht nur irgendeines Mörders. Dieser Mann hat ihre Schwester getötet. Linda Conrads schreibt Prosa. So ist es immer gewesen. Feingeistig, ästhetisch anspruchsvoll und mit psychologischer Finesse. Sehr zum Ärger ihres Verlegers entscheidet sie sich plötzlich für einen Genrewechsel, der stilistisch kaum rabiater sein könnte – sie möchte einen Thriller schreiben. Aber nicht etwa, weil sie plötzlich ihre Leidenschaft für gefällige Spannungsliteratur entdeckt hätte, sie möchte mit diesem Roman dem Mörder ihrer Schwester Anna eine Falle stellen. Es ist bereits über ein Jahrzehnt her, dass Anna in ihrer Wohnung mit sieben Messerstichen getötet wurde, neben ihr lag ein Strauß Blumen. Linda fand sie tot und sah den Mörder fliehen. Bei einer Tat, die mit solcher Brutalität …

Kai Weyand – Applaus für Bronikowski

Vielleicht wäre Nies’ Leben ja ganz anders verlaufen, wenn seine Eltern nicht im Lotto gewonnen hätten. Wenn sie nicht, angesichts dieses unerwarteten Geldsegens, darauf verfallen wären, ihren Lebenstraum wahrzumachen und nach Kanada auszuwandern. Wenn er sich nicht von einer Bäckereifachverkäuferin eine Straße empfehlen lassen und beim Bestatter angefangen hätte. Kai Weyand erzählt eine charmante Geschichte von Leben und Tod, die ausnehmend komisch und herrlich skurril geraten ist! Wenn du stirbst, klatsche ich für dich, sagte er, noch bevor er NC aus seiner Umarmung entließ und sich wieder um die Särge kümmerte. Wenn die eigenen Eltern plötzlich nach Kanada auswandern und ihren Söhnen eröffnen, dass das ohne sie geschehen wird – weil der eine ja schon so groß und selbständig ist und der andere es sicher bald werden wird -, muss man dagegen mit den verfügbaren Mitteln rebellieren. Nies benennt sich um. Fortan heißt er nicht mehr Nies, was ja ohnehin ein eher spezieller Name ist, eine Abkürzung von Dionysos, um genau zu sein. Er nennt sich NC. No Canadian. Seine Eltern beeindruckt das wenig, sie …

Ursula Ackrill – Zeiden, im Januar

Siebenbürgen war seit jeher ein Land, das unter der Herrschaft anderer stand. Mal gehörte es zum Königreich Ungarn, dann war es Teil der Habsburgermonarchie, nach dem Ersten Weltkrieg wurde es Rumänien zugesprochen, zu dem es auch heute gehört. Und inmitten dieser geschichtlichen Wechselfälle, immer als Minderheiten präsent, waren die Siebenbürger Sachsen, deren Kultur trotz allem tief im Land verwurzelt ist. Ursula Ackrill erzählt in ,Zeiden, im Januar’ von den Rumäniendeutschen, die sich während des Zweiten Weltkriegs nicht nur Nachteile von einer Unterstützung des Dritten Reiches versprachen. Leontine Philippi ist eine resolute und meinungsstarke Frau. Sie bewohnt allein das einstige Haus ihres Freundes und ehemaligen Geliebten Albert Ziegler, der in seinem Heimatort Zeiden noch immer als Wunderkind und Fliegerass gefeiert wird. Er war der erste siebenbürgisch-sächsische Pilot, ein erfinderischer Genius, der leider, so erzählt man sich, bei einem Flugmanöver von den Deutschen abgeschossen wurde. Freilich versehentlich, sagt man, schließlich war der Albert einer von ihnen, ein Deutscher. Es ist der Winter 1941, das zweite Kriegsjahr. Schon immer waren die Siebenbürger Sachsen in ihrem Land eine Minderheit, …

Sarah Stricker – Fünf Kopeken

Sarah Stricker ist deine deutsche Autorin und Journalistin. Sie schrieb für viele Zeitungen und Magazine, darunter die taz, die Süddeutsche, Frankfurter Allgemeine und NEON. 2009 ging sie nach Tel Aviv und berichtet seitdem von dort für deutsche Medien über Israel und für isrealische über Deutschland. Fünf Kopeken ist ihr Debütroman, und erschien im Eichborn Verlag. Seine Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen. Sie kommt gewissermaßen über einen wie eine Naturkatastrophe oder eine lästige Krankheit. Man kann nur lernen, sie zu nehmen, wie sie ist und versuchen, zu verstehen. Sie aussitzen allenthalben. Fünf Kopeken erzählt die Geschichte einer deutschen Familie, die sich nach dem Krieg mit einer Modekette zu einem beträchtlichen Auskommen gearbeitet hat und dabei, wie wohl die meisten Familien dieser Zeit, das Ziel verfolgt, die Kinder mögen es einmal besser haben als man selbst. Familie Schneider legt große Maßstäbe an ihre Tochter, die Mutter der Erzählerin, an. Hässlich, wie sie war, sollte sie wenigstens etwas im Kopf haben. Meine Mutter war zu hässlich, um der Schönheit lange nachzutrauern. Nur hübsche Mädchen verbringen Stunden vorm …

Franz Kafka – Brief an den Vater

Franz Kafka (1883-1924) war ein deutschsprachiger Schriftsteller, der vor allem durch seine stimmungsvollen Kurzgeschichten und die Romanfragmente, Der Prozess, Das Schloss und Der Verschollene, bekannt geworden ist. Die meisten Werke Kafkas wurden posthum von seinem Freund Max Brod veröffentlicht, da Kafka sie stets für zu schlecht und unbedeutend hielt. Wir können uns heute darüber streiten, ob die Entscheidung Brods, gegen Kafkas Willen zu handeln, eine gute oder schlechte war. Hier möchte ich mich aber erstmal einem Stück seiner Hintergrundgeschichte widmen, das gerade zur Interpretation Kafkas ungemein hilfreich ist. Die Beziehung zu seinem Vater. Dieser hier niedergeschriebene Brief erreichte Kafkas Vater nie und so konnte höchstwahrscheinlich niemals etwas wie eine Aussöhnung und Aufarbeitung dieser Beziehung stattfinden. Auch wenn es sich hierbei nicht um Literatur im herkömmlichen Sinne handelt, könnte man es als sekundär für das Verständnis Kafkas begreifen, dessen Texte sich eher auf einer emotionalen, denn sachlichen oder analytischen Ebene erschließen lassen. Kafka streift hier also mehrere Konfliktfelder und schnell wird etwas Elementares klar – das Gefühl der Selbstunsicherheit und des nicht Genügens stehen im Vordergrund. …

Michael Ende – Momo

Michael Ende (1929-1995) war ein bekannter Kinderbuchautor. Zu seinen bekanntesten Schöpfungen gehören Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, Momo und Die unendliche Geschichte (die natürlich entgegen aller Erwartungen angesichts seines Namens und des Buchtitels ein Ende findet). Endes Werke wurden in über 40 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von 28 Millionen. Momo gehört sicherlich zu Endes bekanntesten Büchern, dennoch denke ich, dass es nicht in Vergessenheit oder unter die Räder irgendeines moralapostolischen Kanons geraten sollte, – denn gerade in Momo steckt soviel, was Teile unseres gesellschaftlichen Lebens spiegelt, dass es trotz seiner Erscheinung  1973 nichts an Aktualität verloren und nichts von seinem Zauber eingebüßt hat. Momo ist ein kleines Mädchen und lebt, ohne Eltern, allein in den Ruinen eines alten Kolosseums. Sie macht sich nach ihrem Auftauchen sehr schnell Freunde durch ihre Fähigkeit, anderen zuzuhören, so auch ihren Freunden Beppo Straßenkehrer und Gigi Fremdenführer. Das alltägliche Leben wird aus dem Gleichgewicht gebracht, als immer mehr Erwachsene immer weniger Zeit für ihre Kinder aufbringen und immer häufiger in Streit geraten. Am Beispiel von Herrn Fusi, …

Jan Christophersen – Schneetage

Jan Christophersen studierte in Leipzig Germanistik, Philosophie und Literaturwissenschaft und hat mit seinem Romandebüt Schneetage einen großartig stillen, durch und durch nordischen und melancholisch-süßen Roman geschrieben, der weiß, wen er erreichen will. Und der vorallendingen weiß, dass er auf all die anderen verzichten kann. Christophersen bekam 2009 für sein Werk den Debütpreis des Lübecker Buddenbrookhauses. Vor dem Hintergrund der großen norddeutschen Schneekatastrophe 1978/1979 erzählt Christophersen eine leise Familiengeschichte, begleitet die Suche des Jungen Jannis nach seinem Vater und dem Ort, wo er hingehört und die Suche Paul Tamms nach Relikten Rungholts, das im Zuge einer großen Sturmflut 1362 unterging. Wie hier schon deutlich wird, ist die Suche ein zentrales Motiv in diesem Roman, wenngleich sie die beiden Protagonisten Jannis & Paul auch in jeweils unterschiedliche Richtungen treibt. Paul ist Jannis “Ersatzvater” und besitzt mit seiner Frau, der sogenannten “Chefin”, eine kleine Gaststätte – den Grenzkrug. Er liegt direkt an der deutsch-dänischen Grenze und so werden wir im Laufe des Buches nicht nur Zeuge der tammschen Familiengeschichte, sondern auch der deutsch-dänischen Grenzkonflikte.  Paul sucht mit Jannis …

Victor Klemperer – LTI

Victor Klemperer (1881-1960) war studierter Philologe und Literaturwissenschaftler. Am bekanntesten dürften Klemperers ausführliche Tagebücher sein, die für viele zum wichtigen Zeitdokument geworden sind. Klemperer erfuhr als Jude die Restriktionen des Dritten Reiches am eigenen Leibe, lebte in speziell für die Unterbringung von Juden gegründeten Judenhäusern, immer in Angst vor der Gestapo. Bei LTI (Lingua Tertii Imperii) handelt es sich, im Gegensatz zu Klemperers Tagebüchern, um ein philologisches Fachbuch, das die Sprache des dritten Reiches mit ihren verschiedenen Besonderheiten unter die Lupe nimmt. Klemperer liefert mit diesem Werk nicht nur einen tiefen Einblick in Propagandamechanismen des Dritten Reiches und angewandte Sprachwissenschaft, sondern auch in die Macht der Sprache im Allgemeinen. Wie oft formulieren wir gedankenlos und senden damit nicht nur die tatsächlich ausgesprochene Botschaft, sondern noch eine Menge mehr? Wieviele Begriffe, die damals geschaffen wurden, sind noch heute in Gebrauch? Hat sich vielleicht ihre Bedeutung gewandelt oder nutzen wir sie noch immer in derselben Weise, ohne uns dessen bewusst zu sein? Klemperer schafft Bewusstsein. Ein Bewusstsein für die sprachliche Mechanisierung der Menschen unter Hitler. Für die …