Alle Artikel mit dem Schlagwort: sasa stanisic

Kurz & knapp, Teil 2/19.

Im zweiten Teil Kurz & knapp für dieses Jahr geht es um traumatisierende Gewalt, Herkunft, Alltagsrassismus, Verschwörungstheorien und gute Kurzgeschichten. aufgeschrieben ist ein vielstimmiges Gespräch über Gewalt und Trauma. Über das, was davon bleibt, vom “Ich”, das lange sexualisierter Gewalt – z.B. in organisierten Strukturen – ausgesetzt ist. Der Text ist dicht, drückend, in Bewegung, bildhaft und verschlungen. Man begibt sich in ihn hinein wie in einen zeitlosen Raum. H.C. Rosenblatt betreibt seit langsam Ein Blog von Vielen, zu dem u.a. auch ein Podcast gehört. Er erzählt vom Leben mit dissoziativer Identitätsstruktur, vom Überleben, vom Kampf um Autonomie und dem normierenden Blick der anderen. aufgeschrieben ist ein Destillat dieser Themen, ein Ringen um Worte für das Unaussprechliche, der Versuch, sich schreibend zu erfahren. Es gibt keine Handlung im klassischen Sinne, sondern die Perspektiven verschiedener Persönlichkeiten, die alle jeweils Teile des Traumas tragen und verkörpern. Ein wichtiges Buch über ein Thema, das breitere Aufmerksamkeit und mehr Bereitschaft zur Auseinandersetzung verdient. H.C. Rosenblatt: aufgeschrieben. edition assemblage. 96 Seiten. 15,00 €. Der Platz erschien im Original bereits 1984. …

Saša Stanišić – Fallensteller

Nach dem prämierten Uckermarkmärchen Vor dem Fest sind unlängst neue Erzählungen von Saša Stanišić erschienen. Ihr Ton changiert, mal ist er humorvoll und lakonisch, mal verspielt und romantisch, gelegentlich bodenständig. Ihnen allen gemein ist ein gekonntes Spiel mit Wirklichkeit und Fremdheit, das neben dem titelgebenden Fallensteller in einer Erzählung noch mindestens einen weiteren in gleicher Mission enttarnt: den Autor selbst. Ein Zauberer bei seinem ersten Auftritt im Holz – und Hobelwerk Klingenreiter, der Mikrokosmos um eine Snookerpartie, eine syrische Surrealistin, christliche Menschenrechtsaktivisten, eine seufzende Fabrik auf der Romanija in Bosnien – Stanišićs Erzählungen sind gewandt und in vielen Tonlagen, an vielen verschiedenen Orten angesiedelt. Wie ein gekonnter Kostümwechsel geht das vonstatten, eben war man noch auf dem Rhein und vermisste den Häppchenkäse, jetzt ist man mit Georg Horvarth im falschen Taxi irgendwo in Rio und freut sich, dass man entführt wurde. Oder verwechselt. Oder beides, mit Zustimmung, “weil er als der, der er dann war, nicht mehr dorthin musste, wohin er als der, der er gewesen war, gemusst hätte.” Die kleinsten Abweichungen können die größten …

Saša Stanišić – Vor dem Fest

Saša Stanišić ist ein aus Bosnien-Herzegowina stammender Autor. 1992 flüchtete er mit seinen Eltern vor der Belagerung seiner Heimatstadt durch serbische Truppen Süddeutschland. Neben seinem Studium veröffentlichte er bereits Essays und Erzählungen in zahlreichen Literaturzeitschriften (wie Krachkultur und EDIT), 2004 begann er am Deutschen Literaturinstitut Leipzig zu studieren, im Jahr darauf war er beim Ingeborg-Bachmann-Preis vertreten. 2006 folgte sein vielfach ausgezeichnetes und hochgelobtes Debüt ,Wie der Soldat das Grammophon repariert‘, das bereits als Hörspiel und Bühnenstück adaptiert wurde. ,Vor dem Fest‘ ist Saša Stanišićs zweiter Roman, erscheint im Luchterhand Verlag und erhielt gerade den Preis der Leipziger Buchmesse. ,Letzte Ausfahrt Uckermark‘ titelte erst kürzlich noch die ZEIT, als Maxim Biller seinen Unmut über die deutsche Gegenwartsliteratur und ihren eklatanten, ja, ach so spürbaren Mangel migrantischer Stimmen kundtat. Ja, überhaupt verstünde Stanišić ja gar nichts von der ostdeutschen Provinz und sei nun, nach seinem grandiosen Debüt, vom Literaturbetrieb quasi konformgebügelt worden. Uckermark. Unsinn. Uckermarkunsinn. Nun würden eigentlich schon die ersten Sätze von ,Vor dem Fest‘ Herrn Biller Lügen strafen. Dieser Roman ist nicht nur inhaltlich ein Fest, …