Alle Artikel mit dem Schlagwort: rowohlt verlag

Lucy Fricke – Takeshis Haut

Frida ist Geräuschemacherin. Sie fügt vornehmlich Filmen eine Geräuschkulisse zu, wenn sie misslungen oder im Falle eines jungen Mannes, der sie überraschend besucht, gar nicht vorhanden ist. Vor dem Hintergrund eines beruflichen Auftrags erzählt Lucy Fricke in ihrem Roman von Sprachlosigkeit, einem Land in Schockstarre und der Atomkatastrophe in Fukushima. Es ist früh am Morgen als Redakteure und Kameramänner des Kinderkanals in Fridas Wohnung einfallen, um sie zu ihrem Beruf zu befragen. Was sie genau mache, woher sie denn all ihre Geräusche und die nötigen Utensilien dafür nehme, ob sie nicht einer Gruppe von Kindern nicht mal etwas vorführen möge, was besonders viel Krach macht. Tatsächlich birgt der Beruf des Geräuschemachers auch außerhalb von Lucy Frickes Roman noch einige Geheimnisse, die mündlich von den Älteren an die Jüngeren weitergegeben werden. Bestimmte Elemente der Klangerzeugung werden im Verborgenen gehütet, nicht jeder Regen, jedes Trippeln und Knacken ist das, wonach es klingt. Meistens jedoch muss Frida Filme nach – nicht völlig neu vertonen. Bis Jonas auftaucht, der mit einem eigenen Science-Fiction Film zum Thema Apokalypse aus Japan …

Stewart O’Nan – Die Chance

Gegen jede Wahrscheinlichkeit beschließen Marion und Art Fowler an den Ort zurückzukehren, an den sie vor knapp dreißig Jahren auch ihre Hochzeitsreise führte: Die Niagarafälle. Sie sind der Scheidung näher als irgendeiner Form von Romantik, arbeitslos und bedrohlich verschuldet. In ihrem Gepäck: Ihr gesamtes Barvermögen, mit dem sie im Casino das Ruder noch einmal herumreißen wollen. Marion und Art sind ein durchschnittliches Paar. Um die fünfzig, vom Leben und ihrer Partnerschaft desillusioniert, eigentlich verspricht diese Reise mehr ein Abgesang auf ihre Ehe zu werden als ein romantisches Wochenende zu zweit. Beide tragen ihren Teil Schuld am Scheitern, beide haben den jeweils anderen betrogen. Beide haben ihren Job verloren, beide haben sich entgegen jeder Vernunft für ein baufälliges Haus entschieden, das ganz konsequent finanzielle Löcher in ihren Haushalt frisst. Doch trotz aller dieser schlechten Vorzeichen treten beide die Reise zu den Niagarafällen an, um sich dort endgültig über ihre Zukunft klarzuwerden – und ihr eher kümmerliches Barvermögen aufzustocken. Als Mittelständler unterlagen sie der Tyrannei des äußeren Scheins und dessen, was sie sich leisten oder was sie …

Horst Evers – Für Eile fehlt mir die Zeit

Horst Evers (eigentlich Gerd Winter) ist ein deutscher Autor und Kabarettist. Aufgewachsen in Niedersachsen studierte er an der FU Berlin Germanistik und Sozialkunde, ohne jedoch jemals eine Abschlussprüfung abzulegen. 2008 erhielt Evers den Deutschen Kleinkunstpreis. Seine Texte werden regelmäßig auf Radio Eins von ihm vorgetragen. In gedruckter Form erscheinen sie im Rowohlt Verlag. Wann immer jemand eine herrlich absurde Alltagssituation in trockene Komik kleidet, könnte sich demnächst einbürgern, nonchalant zu erwidern: Das war ja mal ein echter Evers. Beispielsweise die Beschreibung des Mannes, der im Baumarkt schwere und sperrige Sperrholzplatten kauft, die ihm unterwegs einfach jemand klaut. Der Dieb rennt mit den Platten unter’m Arm zufällig genau in die richtige Richtung und so lässt er ihn gewähren, bis der, völlig aus der Puste und beunruhigend kurzatmig, nicht nur das Handtuch, sondern auch die Sperrholzplatte wirft. Horst Evers ist ein Meister der Alltagsbetrachtung. Was anderen entgeht, kleidet er in literarische Gewänder, die uns ganz vergessen lassen, dass es doch das ist, was wir täglich erleben. Manchmal wünscht man, man könnte die Welt mit Evers’ Augen sehen, …