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Mareike Fallwickl – Das Licht ist hier viel heller

In Das Licht ist hier viel heller erzählt Mareike Fallwickl von Macht und ihrem Missbrauch, von Grenzverletzungen und Selbstverliebtheit, von Schönheitsidealen und Rollenbildern. Es ist ein Roman, in dem zeitgenössische Debatten kulminieren.

Maximilian Wenger ist ein ziemlich toller Hecht. Der potenteste Fisch im Teich, Bestsellerautor und Lebemann; nur vorübergehend in einer Sinn- und Schaffenskrise. Seine letzten Romane sind gescheitert, Literaturblogger*innen haben ihn verhöhnt, das Feuilleton höflich ignoriert. Zu allem Überfluss hat seine Frau ihn wegen seiner Affären für einen jüngeren Fitness-Guru aus der Schweiz verlassen. Es könnte besser laufen, aber Wenger wäre nicht Wenger, wenn er nicht trotzdem unerschütterlich an die eigene Grandiosität glauben würde; selbst dann noch, als seine Schwester Elisabeth ihm in Tupperdosen das Essen vorbeibringt. Als er plötzlich Briefe von einer Frau erhält, die an seinen Vormieter adressiert sind, beginnt etwas ins Rollen zu geraten.

In abwechselnden Kapiteln erzählt der Roman nicht nur von Wengers spektakulärem Comeback auf Kosten einer Fremden, sondern auch von dessen Kindern Zoey und Spin. Die haben seit jeher von ihren Eltern nicht viel gesehen. Der Vater als gefragter Stichwortgeber der Literaturszene dauernd auf Lesereise, die Mutter unnahbar und wenig einfühlsam. Sie rät Zoey, eine Muschel zu sein und alle Verletzlichkeit fest in sich zu verschließen. Zoey und Spin schwören sich, dass sie nicht so kaputte Menschen werden wie es ihre Eltern sind und doch passieren Dinge, die diesen Schwur auf eine harte Probe stellen.

Wenger wirkt aus der Zeit gefallen einerseits: sein Frauenbild ist antiquiert, sein Verhältnis zur Gegenwart angespannt. Frauen sind berechnend, Frauen wollen erobert werden, manchmal zieren sie sich, aber eigentlich wollen sie ja doch. Sein Zynismus ist giftig, wird von seinem Agenten und gutbetuchten Freunden aus der Schickeria aber stets ganz nachsichtig weggelächelt: So ist er eben der Maximilian. You can’t teach an old dog new tricks. Niemand bremst Wenger aus, niemand stellt ihn zur Rede. Als seine Tochter es schließlich tut, begreift er nichts. Wie Walter Nowak in Julia Wolfs Walter Nowak bleibt liegen (ebenfalls bei der FVA erschienen), entstammt Maximilian Wenger einer anderen Zeit. Seine Überzeugungen richten sich noch an einem Koordinatensystem aus, das zunehmend in Frage gestellt wird. Von Nowak unterscheidet Wenger allerdings, dass er die Themen der Zeit für sich nutzen kann. Nicht etwa aus Überzeugung, sondern aus Eigeninteresse. Wo Walter Nowak hilflos ist, ist Maximilian Wenger berechnend.

Fallwickls Ton ist bösartig, sarkastisch („Sebastian ist keiner, der auf innere Stimmen hört. In ihm ist es so stumm wie in einem Lars-von-Trier-Film.“), auf den Punkt. Sie operiert mit scharfem Besteck, wenn sie etwa die Mechanismen der Buchbranche oder das Schaulaufen bei den Salzburger Festspielen seziert. Es ist ein Schauspiel, in dem die Rollen klar verteilt sind und jeder Handgriff sitzt. Es werden Eitelkeiten gepflegt, Tratsch verbreitet, bedeutungsschwangere Reden gehalten. Maximilian Wenger kennt sich aus auf diesem Parkett. Fallwickl gelingt es, nicht nur das mit dem notwendigen Witz zu demaskieren, sondern auch Zwischentöne einzufangen. Nicht alles am Roman ist sarkastisch, darunter liegt Verletzlichkeit bei allen Protagonist*innen.

Das Licht ist hier viel heller arbeitet, so könnte man zunächst meinen, pflichtschuldig viele Themen ab, die seit einigen Jahren anders und eindringlicher diskutiert werden. Sexuelle Gewalt, Machtmissbrauch, Schönheitsideale, die absurden Funktionsmechanismen des Internets und sozialer Medien. Man glaubt Fallwickl aber, dass sie diese Mechanismen, sowohl die des Literaturbetriebs als auch die der sozialen Medien, gut beobachtet hat: zum Buch gibt es den Hashtag #gewengert. Der Roman entwickelt auch aufgrund seiner treffsicheren Sprache schnell einen Sog; dass Wenger kein stereotypes Arschloch ist, hilft dabei. Er ist nicht nur die Verkörperung des vielbeschworenen „alten weißen Mannes“, auch wenn er vieles mit ihm gemein hat. Fallwickls Buch ist lebendig geworden und schmerzhaft.

Mareike Fallwickl: Das Licht ist hier viel heller. Frankfurter Verlagsanstalt. 384 Seiten. 24,00 €.

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