Erzählungen, Rezensionen
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Deborah Levy – Black Vodka

Mit ihren Erzählungen leuchtet Deborah Levy kunstvoll die versteckten Winkel menschlichen Zusammenseins aus – und entdeckt dabei fast immer eine unüberwindliche Distanz. Nach ihrem flirrenden und leicht zwischenweltlichen Roman ,Heimschwimmen‘ erscheinen nun im Verlag Klaus Wagenbach einige ihrer Erzählungen.

“,Black Vodka’…”, sagte ich mit leicht düsterem Unterton, “Vodka Noir spricht jene an, die ein Bedürfnis nach stylischer Existenzangst verspüren. Wie Victor Hugo gesagt hätte: Wir sind allein und unbehaust, und die Nacht bricht über uns herein; Black Vodka  trinken heißt, um unser Leben trauern.

Insofern ist nur folgerichtig, dass Deborah Levys Erzählsammlung diesen Titel trägt; sind doch alle ihre Protagonisten auch gefangen in einer Einsamkeit, die sie nicht artikulieren, einer Distanz zu anderen, die sie nicht überwinden können. Es ist fast wie in Marlen Haushofers ,Die Wand’, in der eine Frau durch eine unsichtbare Wand daran gehindert wird, ihre einsame Hütte in den Bergen zu verlassen. Die Menschen in ,Black Vodka’ suchen Liebe und das Loch in der unsichtbaren Wand, die sie von anderen trennt – und doch fürchten sie nichts so sehr als das. Die Zurückgezogenheit als Lebensgefühl und Lebenslast spiegelt sich in allen zehn Geschichten, so unterschiedlich sie auf den ersten Blick auch wirken.

Menschen treffen kurz, in den “Zwischenzeiten” ihres Alltags aufeinander, kommen sich näher, als Freunde, als Geliebte oder Fremde, doch wohin es führt, bleibt schmerzlich offen. Da ist der Mann, der als Werbefachmann den Black Vodka anpreist und dessen missgestalteter Köper für ihn zum Schneckenhaus wird, aus dem er sich schwerlich herauswagt. Da ist der Mann, der die schwierige Lebensgeschichte seines Chefs übernimmt und gleichsam wie seine eigene adaptiert. Er erleidet einen Zusammenbruch und wird in die Psychiatrie gebracht; so wenig ist von und in ihm selbst geblieben, dass die Lebensgeschichte eines anderen ihn füllen und zerstören muss. Da ist die junge Frau, die sich mithilfe von Operationen einem medial inszenierten Frauenbild annähert, eine ,Pseudofrau‘ will sie werden.

Zwei sehr attraktive hausinterne Ärztinnen hielten Injektionsnadeln zwischen den Fingern, als trügen sie Cocktailzigaretten von einem Partygast zum anderen.

Deborah Levy geht dahin, wo’s weh tut, wo die Wunden unserer Zeit immer wieder aufreißen. Ihre Erzählungen sind subtil, sublim, kommen ganz unspektakulär daher, ohne viel Action oder sprachliche Kapriolen. Man muss über sie nachdenken, sie wirken lassen und im Kopf einige Zeit von links nach rechts schieben, um zu begreifen, dass das ,Black-Vodka-Gefühl‘ ein allgegenwärtiges ist. Existenzangst und bis zu einem gewissen Maße die Koketterie damit, Vereinzelung, Einsamkeit und Orientierungslosigkeit, das Scheitern menschlicher Beziehungen an sich selbst. In Deborah Levys Geschichten kommt es zur Geltung, kann man es schmecken und fühlen. Und so kommt es dann auch, dass das, was im Buch wie eine absurde Werbeidee klingt, im Getränkehandel zu erwerben ist – Black Vodka. Prost!

Deborah Levy: Black Vodka, aus dem Englischen von Barbara Schaden, Verlag Klaus Wagenbach, 128 Seiten, 9783803132659, 16,90 €

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