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Astrid Rosenfeld – Elsa ungeheuer

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Astrid Rosenfeld ist eine deutsche Autorin. Sie ging nach der Schule für zwei Jahre nach Kalifornien, um dort zu schauspielern, begann danach eine Schauspielausbildung in Berlin, entdeckte an sich aber einen “Mangel an Talent und Leidenschaft”. So entschied sie sich gegen das Schauspielern, arbeitete noch eine zeitlang hinter der Kamera, bis sie sich schließlich ganz dem Schreiben widmete. 2011 erschien ihr erfolgreicher Debütroman Adams Erbe, der sich über 40 000 mal verkaufte. Im aktuellen Diogenes Magazin findet sich ein sehr schönes Interview mit Astrid Rosenfeld. Hier kann man es online lesen oder in gedruckter Form bestellen. (oder beim Buchhändler des Vertrauens mal nachfragen)

Schon mit „Adams Erbe“ hat Astrid Rosenfeld ein, trotz aller Widrigkeiten des Themas, herrlich charmantes und herzerwärmendes Buch geschrieben, mit „Elsa ungeheuer“ ist ihr wieder ein Roman dieser Couleur gelungen, wenn er auch diesmal in einer ganz anderen Zeit spielt. Lorenz und Karl Brauer sind Brüder. Gemeinsam mit ihrer Mutter Hanna, ihrem Vater Randolph, der Haushälterin, die alle nur „die Kratzlerin“ nennen und Herrn Murmelstein – dem „Murmeltier“ – leben sie gemeinsam auf einem Bauernhof in der süddeutschen Provinz. Sie vermieten Zimmer an Feriengäste, bis Hanna sich plötzlich eines Tages das Leben nimmt. Astrid Rosenfeld beschreibt das auf so tragikomische Weise, dass man sich beinahe dafür schämt, über diese Situation mindestens zu schmunzeln.

Für manche Menschen scheint die Erde einfach nicht der rechte Ort zu sein, und meine Mutter Hanna war so ein Mensch. (…) Mit sechzehn hatte Hanna Stimmen gehört. Mit siebzehn durfte sie die Pychiatrie wieder verlassen und mit achtzehn auch die Neuroleptika absetzen. Übrig blieb eine grüne Mütze, die ein Arzt ihr geschenkt hatte. Auch noch zwölf Jahre später thronte sie Sommer wie Winter auf Hannas Haupt. Ein Talisman. Vor elf Tagen verschwand die grüne Mütze und Hanna Brauer, geborene van Dohl, zog sich eine rosa Unterhose über den Kopf und sprang vom Balkon.

Randolph verwindet den Tod seiner Frau nicht und beginnt zu trinken, die Feriengäste kommen immer seltener und die Betreuung der Kinder wird mehrheitlich von der Kratzlerin und dem Murmeltier übernommen. Herr Murmelstein war selbst einmal ein Feriengast, bis er, trotz seiner gelegentlichen Differenzen mit der strenggläubigen Haushälterin, beschloss, sein Lager bei den Brauers aufzuschlagen und Erkenntnis zu erlangen. Herr Murmelstein ist alt, hat schon viel von der Welt gesehen, besonders aber Frauen, von denen er den Kindern jeden Abend zum Einschlafen berichtet – auch wenn seine Geschichten alles andere als altersgemäß sind.

Eines Tages kommt Elsa – die heimliche Hauptfigur – ins Dorf, die Tochter der Dorfschönheit, mit der die Hälfte des Dorfes damals angebandelt hatte und die nun alle verzweifelt ihre eigenen Gesichtszüge in dem renitenten elfjährigen Mädchen zu finden versuchen, das mit ihrer Mutter in die Provinz zurückkehrt. Eigentlich plant Elsas Mutter  eine Weltreise mit ihrem Partner und damit Elsa dabei nicht stört, wird sie kurzerhand zu ihrem Onkel gebracht, auf unbestimmte Zeit. Elsa, Lorenz und Karl freunden sich an und verleben viele wundervolle Sommer, bis das Älterwerden und ein schreckliches Geheimnis Elsas einen Keil zwischen sie treibt.

Noch einige Male sah ich Elsa nachts über unseren Hof huschen. Unmöglich auszumachen, woher das Mädchen kam. Ein Schatten. Ein Geist. Ich wagte nicht mehr, ihr zu folgen. Hatten wir wirklich nur ein paar Lackstiefel beerdigt? Oder doch ein weiteres Stück unserer Freundschaft? Eine Zimmerlänge und eine Grabesbreite trennten Elsa und mich nun voneinander. Dass sich noch mehr zwischen uns gedrängt hatte, ahnte ich damals nicht.

Der zweite Teil der Geschichte spielt in einer Zeit, in der „Fetti“ (Karl) ganz und gar nicht mehr fett und sein Bruder Lorenz ein gefeierter Künstler ist, der versucht, die Ewigkeit zu malen. Astrid Rosenfelds Einblick in die(se) Kunstszene fällt sehr düster und pessimistisch aus, sie reißt die Brauer-Brüder beinahe endgültig auseinander. Astrid Rosenfeld hat ein Händchen für skurrile, aber doch liebenswürde Charaktere, mit denen man trotz ihrer Eigentümlichkeit doch Mitgefühl entwickelt. Verschrobene, gescheiterte Existenzen wie die Kunstsammlerin Irina Graham, von denen man zwar wenig weiß, aber spürt, dass sie das Leben auf eine Weise gezeichnet haben muss, die schwer zu verwinden ist. So, wie uns alle, eigentlich.

Ich kann Elsa ungeheuer nur empfehlen, als die wundervolle Geschichte einer Kindheit und schmerzlich realistische Dokumentation einer Kunstszene, in der viel mehr Oberflächlichkeit und Eigennutz, denn wahres Interesse an Kunst gepflegt werden. So kann man heute (?) mit dem nötigen Kleingeld aus allem Kunst und aus jedem einen Künstler machen. Astrid Rosenfeld aber schafft es ganz ohne gut betuchte Marionettenspieler im Hintergrund, einen tollen zweiten Roman zu schreiben, der einem das Herz erwärmt! Trotz aller Dunkelheit. Und so soll es ja auch sein.

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