Alle Artikel mit dem Schlagwort: insel verlag

einzlkind – Billy

Billy ist Schotte und der Sohn zweier Hippies, deren Drogenkonsum sie bereits in jungen Jahren unter die Erde gebracht hat. Er wächst bei seiner Tante Livi und seinem Onkel Seamus auf, der als einfacher Mann die Liebe zur Philosophie entdeckt und an seinen Ziehneffen Billy weitergegeben hat (sein eigener Sohn Frankie zeigte sich stets unbeeindruckt). Während Tante Livi einen furchtbaren Musikgeschmack hat, führt Onkel Seamus ein kleines Familienunternehmen, das sich auf seine ganz eigene Art für die Logik innerhalb des Universum einsetzt. Als Billy ins Business einsteigt, wird er ein Mörder, der sich um Mörder kümmert. Sein jüngster Auftrag führt Billy in die Wüstenmetropole Las Vegas. Dort trifft er Whip, den einzigen Mitarbeiter, der von außerhalb zum Unternehmen gestoßen ist. Er ist jung, widerstandsfähig und ein Technikfreak, der sich eine kindliche Neugier für alles bewahrt hat. Seinen Kaffee trinkt er aus einer Tasse mit der Aufschrift „Pi Man“. Billys Liebe hingegen gilt mehr der Philosophie. Besonders beeindruckt ist er seit jeher von Nietzsche, von einem „der sich selbst immerzu widersprach, der sich das Recht herausnahm, …

Jocelyne Saucier – Ein Leben mehr

Ursprünglich wollte die Fotografin in den kanadischen Wäldern nur einen Mann namens ,Boychuck’ finden. Der ist weit mehr als nur ein alter Mann, er ist eine Legende, denn er gilt als einer der letzten Überlebenden der Großen Brände. Boychuck findet sie zwar nicht, dafür aber zwei andere Alte, die sich in der Wildnis zur Ruhe gesetzt haben. Und deren Leben nicht nur durch die Fotografin so etwas wie einen zweiten Frühling erleben. Boychuck ist eine offene Wunde. Wer glaubt, dass wir nur ein Leben haben, das wir eben von vorn bis hinten durchspielen müssen wie ein Videospiel, unterschätzt die Bonuslevel. Unterschätzt die Haken, die das Leben beizeiten schlägt, unterschätzt neue Chancen, die sich selbst dann noch auftun können, wenn man jeden Tag über den herannahenden, gelegentlich winkenden Gevatter Tod spricht. So jedenfalls tun es Charlie und Tom, die in den kanadischen Wäldern unter ganz einfachen Verhältnissen ihren Lebensabend verbringen. Sie sind Aussteiger, sie sind Selbstversorger, sie haben sich bewusst ausgeklinkt aus einer Welt, die ihnen zu schnell geworden ist. Unter ihnen war auch Boychuck, der …

Anthony Horowitz – Der Fall Moriarty

Dass Anthony Horowitz eine Leidenschaft für den conan doyleschen Meisterdetektiv hat, steht bereits seit ,Das Geheimnis des weißen Bandes‘ fest. Ihm ist es gelungen, die Stimmung eines alten Sherlock Holmes Falls zurückzuholen und ihn dennoch mit einer zeitgemäßen Modernität zu verbinden. Mit seinem neuen Roman ,Der Fall Moriarty’ wagt er sich wieder aufs viktorianische Parkett und entwickelt erneut einen packenden Kriminalfall. Mit Abstrichen. Was geschah an den Reichenbachfällen? Eine Frage, über die in fachkundigen Kreisen wie im Literarischen immer mal wieder debattiert wird. Ursprünglich mit dem Zweck, Sherlock Holmes ein für alle Mal sterben zu lassen, entwickelte Arthur Conan Doyle diese Szene. Holmes und sein Erzfeind Professor Moriarty ringen an Schweizer Gewässern um Leben und Tod, schließlich stürzen beide hinab. Conan Doyle muss erleichtert gewesen sein, sich schlussendlich einer Figur entledigt zu haben, die bereits ein Eigenleben zu entwickeln schien. Doch er hatte die Rechnung ohne zahlreiche Verehrer und Bewunderer gemacht, die den vermeintlich realen Menschen entweder betrauerten oder das Ende der fiktiven Geschichten lautstark monierten. Sherlock Holmes war eine Auferstehung beschieden (“Das leere Haus”), …

Carlos María Domínguez – Das Papierhaus

Exzessives Büchersammeln und Lesen ist nicht immer nur eine charmante, etwas verschrobene Eigenheit – es kann auch zu einer Leidenschaft werden, die einsam und merkwürdig macht. Carlos María Domínguez beweist in seiner Erzählung ,Das Papierhaus‘, die erstmals 2004 erschien, dass die Literatur mehr Macht hat als man gemeinhin glaubt. Sie verändert Leben. Zum Guten wie zum Schlechten. Im Frühjahr 1998 kaufte Bluma Lennon in einer Buchhandlung in Soho eine alte Ausgabe der Gedichte von Emily Dickinson und wurde an der nächsten Straßenecke, als sie gerade beim zweiten Gedicht angelangt war, von einem Auto überfahren. So beginnt Domínguez’ Erzählung und wahrscheinlich schickt es sich für einen Buchliebhaber einfach, auf eine sehr prosaische Art und Weise aus dem Leben zu scheiden. Ein Buch lesend vom Auto erfasst oder am Regal von einem dicken Wälzer erschlagen werden, als Hund durch den Genuss von tausend Seiten “Die Brüder Karamasow” sterben – es gäbe weniger schöne Szenarien. Dennoch ist Bluma Lennons Tod natürlich eine tragische Sache. Sie lehrte an der Universität Cambridge und ihr junger Kollege, der gleichzeitig ihr Liebhaber …

Oscar Wilde – Bunbury

Bunburyismus ist nicht erst seit Oscar Wilde ein zweifelhafter, wenn auch bisweilen notwendiger Charakerzug. Tatsächlich haben wir wohl alle unseren Bunbury, unsere kleine Lebenslüge, unsere Hintertür. Selten aber wurde diese Hintertür auf so amüsante wie absurde Weise in Worte gekleidet. The Importance of Being Earnest ist auch heute noch erschreckend aktuell.

Berthoud & Elderkin – Die Romantherapie

Bücher können Leben retten. Eine These, die jeder Literaturliebhaber unumwunden und überzeugt von ihrer Richtigkeit bestätigen dürfte. Von leichten körperlichen Beschwerden über psychische Dilemmata und ernstzunehmende Ausfallerscheinungen – es gibt wohl immer ein Buch, in dem es jemandem ähnlich ergeht, eine Geschichte, in der jemand das Leiden überwindet, das einen selbst quält. Darin liegen Macht und Kraft der Literatur. Im Insel Verlag (in der Übersetzung von Katja Bendels und Kirsten Riesselmann) erschien letztes Jahr ,Die Romantherapie‘, eine herrliche Zusammenstellung literarischer Empfehlungen für alle nur denkbaren Beschwerden, von Alkohol – und Spielsucht über angestoßene Zehen, Hämorrhoiden und schlechten Geschmack. Ella Berthoud und Susan Elderkin studierten zusammen an der Universität Cambridge Literatur und empfahlen sich schon zur damaligen Zeit gegenseitig Romane. Heute widmet sich eine von beiden der Kunst, die andere dem Schreiben. Dennoch bieten sie seit 2008 immernoch gemeinsam an der Londoner School of Life Bibliotherapiesitzungen an. Wenn das Leben die Größe Ihres Schreibtischs angenommen hat und Sie nichts anderes mehr tun als Deadlines zu halten, Erledigtes abzuhaken und sich, allzeit bereit für den nächsten Tag, …

Marjorie Celona – Hier könnte ich zur Welt kommen

Marjorie Celona ist eine kanadische Autorin. Sie lebt in Cincinnati, wo sie an der Universität lehrt. Ihre Kurzgeschichten erschienen bereits verschiedentlich in Magazinen, Hier könnte ich zur Welt kommen ist ihr Debütroman. Ich klappe das Buch zu und spüre, wie die Geschichte in mir nachhallt. Nicht zuletzt, weil sie auch mein Leben auf eine bestimmte Weise berührt, mich daran erinnert, dass auch ich einen Elternteil nicht kenne. Ich meine, mich in Shannon und ihre Suche irgendwie hineinfühlen zu können, glaube, in ihrer Orientierungslosigkeit ein Stück meiner eigenen zu entdecken. Shannon ist ein Findelkind. Sie wird im Morgengrauen von ihrer Mutter, die selbst gerade achtzehn und noch fast ein Kind ist, in ein graues Sweatshirt gehüllt vor dem örtlichen YMCA-Gebäude abgelegt. Schnell verschwindet die junge Frau im blauen Overall wieder in der Dämmerung, nicht ohne ihrem neugeborenen Kind noch einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Doch sie wurde beobachtet. Von einem Mann, der viel beobachtet, was er eigentlich gar nicht wissen will. Der Mann wünscht sich so sehr, ich läge nicht da, dass er es …