Alle Artikel mit dem Schlagwort: ullstein verlag

Kathrin Weßling – Super, und dir?

Marlene Beckmann ist Anfang dreißig und macht “Karriere” bei einem Start-Up-Unternehmen, das verzichtbaren Nonsens verkauft. Als Volontärin ist sie für die “Influencer-Relations” verantwortlich. Sie fühlt sich gut. Oder sollte sich gut fühlen. Ihr Arbeitsleben diffundiert immer weiter in ihr Privatleben hinein, bis beide notgedrungen ineinander aufgehen. Alles ist cool, alles ist Selbstoptimierung. Es läuft für Marlene, abwärts. Man kann heute alles werden, wenn man es nur will. Wenn es nicht klappt, hat man nicht genug gewollt, nicht genug gegeben, von sich und allem, was man hat. Der Arbeitsplatz ist ein Ort der Selbstverwirklichung, an dem man für alles dankbar zu sein hat. Für die Chancen und für das Glück, ganz egal, wie sinnlos die Tätigkeiten sind, mit denen man seinen Tag füllt. Immer positiv denken, immer happy sein, selbst wenn man eigentlich längst auf dem Zahnfleisch kriecht. Per Fitnessapp die eigene körperliche Leistungsfähigkeit tracken, sich auf Facebook als strahlende Gewinnerin präsentieren und von allen für sein geiles Leben bejubelt werden – Marlene tut alles, damit sich ihr Leben nach der Erfüllung anfühlt, die man ihr …

Tom Cooper – Das zerstörte Leben des Wes Trench

Die Barataria Bay, benannt nach dem fiktiven Gebiet, dessen Herrscher Don Quichotes treuer Begleiter Sancho Panza in Cervantes’ Roman ist, hat wenig mit dem Glamour amerikanischer Großstädte gemein. Das Gelände im Südosten Louisianas ist sumpfig, die Temperaturen hoch, die Menschen einfach. Seit Hurrikan Katrina und der Ölkatastrophe um die Bohrplattform Deepwater Horizon ist das Leben härter und hoffnungsloser geworden. In der Kleinstadt Jeanette laufen die Erzählstränge mehrerer Protagonisten zusammen. Sie alle sind gezeichnet von den Widrigkeiten der Region und ihrem eigenen Scheitern. Es gibt Orte, die Kraft spenden und Enrgiereserven auffüllen. Und es gibt Orte, die in ihrer Beschaffenheit einem Parasiten ähneln, der einem auch noch die letzte Lebenskraft aus den Knochen saugt. Das Sumpfgebiet Louisianas rund um die Kleinstadt Jeanette ist so ein Ort. Morastig, heiß, hoffnungslos, korrupt und ausgestorben. Wer kann, der schlägt andere Wege ein und weicht von den alten Traditionen ab, die im Küstenort vor allem im Fang von Meeresfrüchten bestehen. Doch seit der katastrophalen Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon sinken die Absätze für die Shrimpfischer. Meeresfrüchte aus dem Golf von …

Darragh McKeon – Alles Stehende verdampft

Zehn Jahre hat Darragh McKeon an seinem Debütroman gearbeitet. Er ist u.a. nach Prypjat gereist und hat darüber einen sehr ausführlichen und bewegenden Essay geschrieben. Und er ist einer der wenigen, die sich des Themas Tschernobyl belletristisch angenommen haben. Im Mittelpunkt seiner Geschichte stehen sechs Charaktere, die alle durch das Reaktorunglück beeinflusst wurden. Gekonnt verwebt er ihre Leben miteinander und präsentiert ein facettenreiches Bild nicht nur von den Folgen der Katastrophe, sondern auch von einer im Untergang begriffenen Sowjetunion. Die Katastrophe selbst nimmt bei Darragh McKeon, der lange am Theater arbeitete, nur wenige Seiten ein. Ein Test im Reaktor ist außer Kontrolle geraten, es kommt zur Explosion. Radioaktive Strahlung entweicht. Cäsium, Xenon, Plutonium und andere Elemente entweichen in die Nachtluft. Obwohl es bereits sieben Jahre zuvor im Kernkraftwerk Three Mile Island in Pennsylvania zu einem Unfall gekommen ist, kann niemand das Ausmaß dieser Katastrophe ermessen. Protagonisten von McKeons Roman, dessen Titel bezeichnenderweise ein Zitat aus dem Kommunistischen Manifest ist, sind z.B. der neunjährige Jewgeni, ein junges Klaviertalent. Der introvertierte Junge lebt am Stadtrand von Moskau …

Marco Tschirpke – Frühling, Sommer, Herbst und Günther

2007 wurde Marco Tschirpke mit dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet, nun erscheint sein neuer Gedichtband im Ullstein Verlag. Lange Jahre hatte Tschirpke im Verlag André Thiele (VAT) veröffentlicht, bis dieser im Sommer bekanntgab, das Geschäft zum Jahresende einstellen zu müssen. Tschirpkes Lyrik ist unkonventionell, hintersinnig, äußerst wortgewandt und anspielungsreich. Gespickt mit verschiedensten Verweisen auf Kunst und Geschichte schreibt er viele Verse über die vermeintlich kleinen Dinge – aus einer ganz eigenen Perspektive. Wenn Marco Tschirpke auf Kleinkunstbühnen an seinem Flügel scheinbar mühelos rasante Melodien improvisiert, mal sanft und mal ganz ungestüm, sind seine sogenannten Lapsuslieder meistens nur ganz knappe Sentenzen, Wortspielereien, selten länger als eine Minute. Er kitzelt liebend gern das Ungewöhnliche und Unerwartete aus den vermeintlich bedeutungslosesten Alltäglichkeiten. Harry Rowohlt gab einmal die durchaus hilfreiche Einordnung zum besten: “Wem Heinz Erhardt zu naiv-kindlich, Robert Gernhardt zu unpolitisch und Goethe zu langohrig ist, der findet in Marco Tschirpke auch keine Alternative.” Tschirpke ist in dem, was er tut, nicht nur beneidenswert talentiert, sondern einzigartig. Freilich finden sich Anklänge an eben jene erwähnten Lyriker, doch Marco Tschirpke …

Marc-Uwe Kling – Die Känguru-Offenbarung

Marc-Uwe Kling ist Kleinkünstler. Mehrmaliger Gewinner der Deutschen Poetry Slam Meisterschaften. Liedermacher und Kabarettist. 2004 gründete er die Lesedüne. 2012 erhielt er den Deutschen Kleinkunstpreis. ,Die Känguru-Offenbarung’ ist das dritte Buch (nach ,Die Känguru-Chroniken’ & ,Das Känguru-Manifest‘) rund um den Kleinkünstler und das kommunistische Känguru und erscheint im ullstein Verlag. Dieser Mann und sein Beuteltier sind ein Phänomen. Kaum einem anderen Künstler gelingt der Spagat zwischen Witz und Tiefsinn so galant, wer als Leser hier lediglich platte Albernheiten erwartet, wird entweder enttäuscht oder bemerkt die unzähligen geistreichen Anspielungen gar nicht, die sich in diesem  – überraschend seitenreichen – Werk verbergen. Nie war Gesellschaftskritik gleichzeitig so witzig und so pointiert, diese Lektüre ist nicht nur alternativ – sondern auch gänzlich konkurrenzlos. Es ist eine Satire-Bibel, eben die Heilige Schrift des Asozialen Netzwerks. In kurzen Texten begleitet der Leser Marc-Uwe und das immer wieder auf’s Neue für den Untergrund getarnte Känguru um die ganze Welt – von New York über Los Angeles, von Ho-Chi-Minh Stadt bis nach Australien. Auf der Suche nach dem Pinguin, dessen bösartig neoliberaler …