Alle Artikel mit dem Schlagwort: depression

Michael Kumpfmüller – Ach, Virginia

Einige Jahre nach Michael Kumpfmüllers erfolgreichem Roman Die Herrlichkeit des Lebens, in dessen Mittelpunkt Franz Kafka stand, erscheint nun erneut ein Text, der um das Leben einer Schreibenden kreist. Protagonistin ist diesmal Virginia Woolf. „L. macht die Rhododendren …“ ist der letzte Satz, den Virginia Woolf vor ihrem Tod im März 1941 zu Papier bringt. Wenige Tage später wird sie sich das Leben nehmen, in einem Fluss nahe ihres Hauses. Michael Kumpfmüller rekonstruiert in Ach, Virginia nun die letzten zehn Tage ihres Lebens. In einer Mixtur aus Außen- und Innenperspektive folgt er Woolf in die tiefe Depression und die Zerrissenheit, die sie immer wieder heimgesucht haben. Kumpfmüller wählt dafür einen Tonfall, der mit dem von Woolf (ausgehend von ihren überlieferten Tagebuchaufzeichnungen) durchaus vergleichbar ist: poetisch, ironisch, manchmal beißend im Ton, unstet, hadernd und kreisend um Themen und Menschen, die die Schriftstellerin zeitlebens geprägt haben. Da und dort zitiert Kumpfmüller auch direkt aus Woolfs Notizen. Offenbar steht es doch schlimmer um sie, als sie gedacht hat. Sie ist ernsthaft krank, in ihrem Kopf ist jede Menge …

David Wonschewski – Geliebter Schmerz

David Wonschewski ist ein deutscher Autor und Journalist. Über zehn Jahre lang war er als leitender Musikredakteur für einige der größten Sender Deutschlands tätig. Mit seinem ersten Roman ,Schwarzer Frost‘ sezierte er vor dem Hintergrund der Medienbranche unsere zutiefst nihilistische und desillusionierte Gesellschaft. Sein neuer Erzählband ,Geliebter Schmerz‘ ist, genau wie sein Vorgänger, im Periplaneta Verlag erschienen und vereint neunzehn kurze bis mittellange Geschichten rund um Schmerz, Elend und das Glück darin. Wonschewski betreibt das Kleinkunst – und Liedermachermagazin Ein Achtel Lorbeerblatt. Er lebt und arbeitet in Berlin. ,Geliebter Schmerz‘ scheint auf den ersten Blick ein unauflösliches Paradoxon zu sein. Wer liebt schon den Schmerz, abgesehen von am Leben scheiternden, ja zerschellenden Künstlern, Literaten und Musikern, denen er Katalysator für ihre künstlerische Tätigkeit ist? Die meisten von uns versuchen doch täglich, diesem ominösen Schmerz aus dem Wege zu gehen. Dem, der auf der Hand liegt, aber erst recht dem, der tiefer in uns sitzt. Damit ist jetzt Schluss. Das muss ein Ende haben. Und ich frage euch: Was hat euch eigentlich so kaputtgemacht, dass die …

[5 lesen 20] Terézia Mora – Das Ungeheuer

Terézia Mora ist eine aus Ungarn stammende Autorin und Übersetzerin. Sie wuchs zweisprachig auf, ungarisch und deutsch und studierte Hungarologie und Theaterwissenschaften. An der Deutschen Film – und Fernsehakademie wurde sie außerdem zur Drehbuchautorin ausgebildet. Mora wurde für ihr Werk bereits mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis, dem Preis der LiteraTour Nord und dem Adalbert-von-Chamisso-Preis. 2009 erschien ihr Roman ,Der einzige Mann auf dem Kontinent‘, dessen Protagonist Darius Kopp wir nun in ‘Das Ungeheuer‘ wiedertreffen. Der Roman erschien im Luchterhand Verlag und steht neben neunzehn anderen auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2013. Ein Rundumschlag gegen das Leben .. Das Leben kann grausam sein. Unerbittlich in seiner Härte, ungerecht und gnadenlos. Niemand hat jemals versprochen, dass es gerecht ist. Es ist ein Vegetieren, ein Kämpfen um Verlorenes, um Idyll und Schönheit, die der näheren Betrachtung ja doch nicht standhalten kann. Es wäre besser, man begänne gar nicht erst damit, leben ist eine schlechte Angewohnheit. Zu solchen Schlüssen kann man nach beinahe 700 Seiten von Terézia Moras neuem Roman ohne größere Umwege gelangen. ‘Das Ungeheuer’ …

Ein Interview mit David Wonschewski

Im November 2012 ist dein erster Roman mit dem Titel Schwarzer Frost erschienen. Was verstehst du unter diesem Begriff? Die Bezeichnung „Schwarzer Frost“ stammt aus der Seefahrt. Bezeichnet wird damit eine Vereisung der Schiffsaufbauten, gebildet durch Nebel oder Nieselregen. Klingt zunächst nicht sonderlich gefährlich, kann aber tatsächlich dazu führen, dass die Takelage überlastet wird und das Schiff kentert. Ziemlich fiese Angelegenheit. Mit der Seefahrt hat der Roman eher wenig zu tun, aber mir gefiel dieser Begriff, lässt er sich doch gut auf die Psyche des Menschen übertragen. Hier eine Gemeinheit, dort eine Unverfrorenheit, ab und an ein Tiefschlag – manche Menschen können so etwas wegstecken. Andere aber gehen nach und nach kaputt an sich und ihrer Umwelt, sie vereisen. Und das Kentern ist dann oftmals nicht mehr weit. Suizid, Depression, Misanthropie: Dein Roman behandelt sehr düstere Themen. Woher rührt dein Interesse an den so genannten Schattenseiten des Lebens? Im Grunde legst du durch deine Formulierung den Finger bereits an die entscheidende Stelle: ,so genannte Schattenseiten’. Ich frage mich: Warum werden manche Dinge, die fester und …

David Wonschewski – Schwarzer Frost

David Wonschewski ist ein deutscher Autor und Journalist. Über zehn Jahre lang war er als leitender Musikredakteur für einige der größten Sender Deutschlands tätig. Früher Teil dieser alles verschlingenden Medienmaschinerie, durchleuchtet er mit Schwarzer Frost, erschienen im Periplaneta Verlag, gnadenlos deren Verkommenheit. Wonschewski ist außerdem Initiator und Redakteur des Chanson -, Liedermacher – und Kleinkunstmagazins Ein Achtel Lorbeerblatt. Abgründe sind faszinierend. Je tiefer und schwärzer, desto deutlicher drängt einem die eigene Endlichkeit, ja vielleicht sogar die eigene Bedeutungslosigkeit ins Bewusstsein. “Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.“, schrieb Friedrich Nietzsche in Jenseits von Gut und Böse. Auch der erzählende Protagonist, in ewigem Monolog befindlich, ist längst jenseits von Gut und Böse. Fern von Menschlichkeit, Wärme, Freude und Liebe. Er hat, wie er sagt, schwarzen Frost angesetzt und wartet auf den Besuch eines verhassten Kollegen aus dem Sender, bei dem er arbeitet. Lohwald heißt er. Ein dickbäuchiger, despotischer Egomane, ein Mann “im dritten Frühling“, ein Mann, für den der Erzähler zum Mörder werden könnte. So gesehen bin ich durchaus ein …

Deborah Levy – Heim schwimmen

Deborah Levy  ist eine britische Schriftstellerin. Bis 1981 besuchte sie das Dartington College of Arts, dann begann sie Theaterstücke sowie Beiträge für Radio und Fernsehen zu verfassen, die großen Anklang fanden. 1986 veröffentlichte sie mit Beautiful Mutants ihren ersten Roman. Heim schwimmen landete 2011 auf der Shortlist des Booker Prizes. Im Früher dieses Jahres ist es, von Richard Barth ins Deutsche übersetzt, auch im Wagenbach Verlag erschienen. Dichter und Schriftsteller Joe Jacobs, seine Frau Isabel, deren pubertierende Tochter Nina und ein befreundetes Ehepaar fahren in ein Ferienhaus nach Frankreich. Joe und seine Frau haben sich schon lange nichts mehr zu sagen. Isabel ist Kriegsreporterin und dementsprechend häufig überall in der Welt, nur nicht zuhause. Ihre Tochter hat sich an ein Leben ohne ihre Mutter gewöhnt, zwischen ihnen herrscht kühle Distanz. Die Freunde Mitchell und Laura sind mitgefahren, um ihrem ganz eigenen existentiellen Desaster zu entgehen. Mitchell ist hoch verschuldet und die beiden werden ihren Laden für außergewöhnliche und kostspielige Souvenirs aus Afrika und Umgebung bald schließen müssen. Es ist kein Urlaub, wie man ihn sich …