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#Litsaloon Folge 1: “Bodentiefe Fenster”

Im ersten #Litsaloon streiten Julia von Fräulein Julia und ich über Anke Stellings ,Bodentiefe Fenster’. Julia entdeckt in sich die Spaltung in ein Leser – und ein Literaturwissenschaftler-Ich, die vermutlich auch beide für sich hier diskutieren könnten. Wir lernen: Man kann den Prenzlauer Berg nicht übertreiben und Freiheit in Massen ist maßregelnd. Zum Buch: Sandra, aufgewachsen in der antiautoritäten Atmosphäre der 68er-Kinderläden, ist eine junge Mutter und wohnt in einem genossenschaftlichen Wohnprojekt in Prenzlauer Berg. In einem fortlaufenden Bewusstseinsstrom beginnt sie, sich und ihr Umfeld zu demontieren, Schwächen bloßzulegen und den Wahnsinn in ihrem Umfeld aus besorgten Müttern und Selbstverwirklichung zu benennen. Was folgt, ist nicht die Änderung der Verhältnisse, sondern ein Nervenzusammenbruch. Die Ausgangssituation Julia: “Die Erzählstimme ist mir teilweise so sehr auf die Nerven gegangen, dass ich das Buch tagelang nicht zur Hand nehmen konnte” Sophie: „Die Eindringlichkeit und Vehemenz dieser Gedankenschleifen, dieses immer-tiefer-Bohren und Bloßstellen und Offenlegen, am Ende doch vergeblich, fand ich ungemein beeindruckend.“ Das Gespräch S: Was hat dich denn an der Erzählstimme so sehr genervt? J: Diese Drama Queen …

Anke Stelling – Bodentiefe Fenster

In den Kinderläden der 68er zählte nichts so viel wie das gesprochene Wort. Über alles kann man reden und in jedem steckt etwas Wundervolles, selbst wenn es nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist. Wir alle sind gleich(wertig), emotional ausbalanciert und total offen. Die in diesem Zeitgeist erzogene Sandra lebt heute in einem genossenschaftlichen Wohnprojekt, in dem sich viele dieser Denkansätze erhalten haben. Doch um welchen Preis? Was ist, wenn diese damaligen Ideale plötzlich ihre Nebenwirkungen, ihre Fehlerhaftigkeit offenbaren? In dem genossenschaftlichen Mehrgenerationenprojekt, dessen bodentiefe Fenster in jeder Wohnung eine akribisch geplante Einrichtung erfordern, herrscht, – so heißt es in der Werbung – genau die richtige Mischung zwischen Nähe und Distanz. So viel Nähe wie möglich, so viel Distanz wie nötig. Nicht nur im Wohnprojekt selbst, sondern auch bei Sandra gerät diese Mischung immer öfter aus dem Gleichgewicht. In wöchentlichen Plena wird gesittet in der Runde über alles diskutiert. Ob zu viele Schuhe in den Hausfluren stehen oder künftig jeder ankündigen sollte, wenn er eine für die Gemeinschaft offene Aktivität auf dem Gelände plant. …