{"id":9431,"date":"2015-11-05T08:00:20","date_gmt":"2015-11-05T06:00:20","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=9431"},"modified":"2015-11-05T09:29:25","modified_gmt":"2015-11-05T07:29:25","slug":"ulrike-schaefer-nachts-weit-von-hier","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2015\/11\/ulrike-schaefer-nachts-weit-von-hier\/","title":{"rendered":"Ulrike Sch\u00e4fer – Nachts, weit von hier"},"content":{"rendered":"

In jedem Leben gibt es irgendwann Begebenheiten von solcher Au\u00dferordentlichkeit, dass mit ihnen und in ihrer Folge eine neue Zeitrechnung beginnt. Manchmal sind es, von au\u00dfen betrachtet, vernachl\u00e4ssigenswerte Kleinigkeiten, manchmal einschneidende Schicksalsschl\u00e4ge, nach denen nichts mehr ist wie es einmal war. Ulrike Sch\u00e4fer sp\u00fcrt in ihren zarten Erz\u00e4hlungen diesen Bruchstellen nach.<\/strong><\/p>\n

Eine Frau trifft im Caf\u00e9 auf einen skurillen \u00e4lteren Mann, mit dem sie eine Freundschaft verbinden wird, die sie erst nach dessen Verschwinden ermessen kann. Er ist gewitzt, etwas schr\u00e4g und tr\u00e4gt stets eine Packung Pralinen bei sich, die er ungeachtet seiner Leibesf\u00fclle und Zuckerkrankheit geradezu gierig verzehrt. Eine andere Frau sucht ihren verschollenen Gro\u00dfvater, den ihre Gro\u00dfmutter deutlich mehr geliebt haben soll als ihren aktuellen Gatten. Ein Vater repariert nach dem Tod seiner Frau ein zerst\u00f6rtes Klassenzimmer – und damit zum ersten Mal wieder ein St\u00fcck von sich selbst. Eine \u00e4ltere Frau scheitert am Verkauf ihres Hauses, bei dem ihr niemand zur Seite stehen kann. Ihre fortschreitende Demenz macht es ihr unm\u00f6glich, alle Formalit\u00e4ten zu organisieren, ihre schleichend aber best\u00e4ndig ausgreifende Verwirrung treibt sie schlie\u00dflich in die W\u00e4lder hinter ihrem Haus.<\/p>\n

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Charly war merkw\u00fcrdig stimmig in sich. Er sagte allt\u00e4gliche Dinge und streute, wie Perlen, hier und da kleine Absurdit\u00e4ten ein. Er war sanftm\u00fctig und penetrant, eine diskrete Klette. Ein raffinierter Verr\u00fcckter.<\/em><\/p>\n<\/blockquote>\n

Was es auch ist, was ihre Protagonisten umtreibt – ob Tod, Krankheit, Verlust, Erinnerungen, Neuanf\u00e4nge -, Ulrike Sch\u00e4fer wei\u00df es stets mit einer so einf\u00fchlsamen Pr\u00e4gnanz zu beschreiben, dass die kurzen Momentaufnahmen unheimlich lebendig daherkommen. Sie stellt die unterschiedlichsten Protagonisten ins Licht ihrer Erz\u00e4hlungen und schafft damit einen Querschnitt durch s\u00e4mtliche Lebenslagen. Ihnen allen gemein ist nur, dass sich etwas im allt\u00e4glichen Ablauf der Dinge verschoben hat. Wie zwei Kontinentalplatten, deren Bewegungen ein Erdbeben ausl\u00f6sen und Zerst\u00f6rung zur\u00fccklassen. Trotz so ernster Rahmenbedingungen ist keine Erz\u00e4hlung unangenehm schwerm\u00fctig, in einigen flackert Hoffnung auf oder wenigstens die M\u00f6glichkeit, dass es anders kommen k\u00f6nnte als es den Anschein erweckt. Ulrike Sch\u00e4fer buchstabiert nicht alles aus, sie l\u00e4sst bewusst offene Enden und lose Str\u00e4nge, mit denen der Leser selbst experimentieren kann. Statt erm\u00fcdender Klarheit also deutlich h\u00e4ufiger so etwas wie anregende Ungewissheit – niemand kann genau wissen, was kommt auf der Basis dessen, was war. Besonderen Ausdruck findet diese Offenheit in einer Erz\u00e4hlung von zwei Geschwistern, die ihren Vater an eine Krankheit verlieren. Nach der Operation verk\u00fcndet ihre Mutter leidlich optimistisch: “Es kann immer noch gut gehen.” Auch wenn genau dieser Satz f\u00fcr beide der schlagkr\u00e4ftigste Beweis f\u00fcr den Ernst der Situation ist, benutzen sie die Verk\u00fcrzung “EKINGG” lange \u00fcber die Krankheit ihres Vaters hinaus. Oft in Zusammenhang mit einem Zitat des Vaters, der ihnen stets etwas sagte, das sie erst deutlich sp\u00e4ter verstanden: “Alles kehrt wieder, aber die Dinge wiederholen sich nicht<\/em>.”<\/p>\n

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Frau Holler goss wie immer ihre Beete, dann kippte sie. Es ging so schnell, dass er die Bewegung kaum wahrnahm. Wie ein Embryo lag sie in fiedrigem Gestr\u00e4uch, den Gartenschlauch noch in der Hand.<\/em><\/p>\n<\/blockquote>\n

“Nachts, weit von hier” ist Ulrike Sch\u00e4fers erster Erz\u00e4hlband, zuvor schrieb sie bereits f\u00fcr die Theaterb\u00fchne. In ihren Erz\u00e4hlungen manifestiert sich eine au\u00dfergew\u00f6hnlich rege Beobachtungsgabe und ein Gef\u00fchl f\u00fcr die feinen Zwischent\u00f6ne, Harmonien und Dissonanzen. Es macht Freude, sich einige Stunden in die Schicksale zu versenken, die in ihrer Vielfalt wohl f\u00fcr jeden von uns eine Situation oder ein Erlebnis bereithalten, in dem wir uns spiegeln k\u00f6nnen. Ein tolles und lohnenswertes Erz\u00e4hldeb\u00fct abseits aller Bestsellerlisten!<\/p>\n

\""buchhandel.de\/\"<\/a>Ulrike Sch\u00e4fer: Nachts, weit von hier<\/span><\/strong>
\n
Kl\u00f6pfer & Meyer<\/a>,
\n184 Seiten<\/span>
\n20,00 \u20ac<\/span><\/span><\/p>\n

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\"Buchhandel.de\"<\/a><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

In jedem Leben gibt es irgendwann Begebenheiten von solcher Au\u00dferordentlichkeit, dass mit ihnen und in ihrer Folge eine neue Zeitrechnung beginnt. Manchmal sind es, von au\u00dfen betrachtet, vernachl\u00e4ssigenswerte Kleinigkeiten, manchmal einschneidende Schicksalsschl\u00e4ge, nach denen nichts mehr ist wie es einmal war. Ulrike Sch\u00e4fer sp\u00fcrt in ihren zarten Erz\u00e4hlungen diesen Bruchstellen nach. Eine Frau trifft im Caf\u00e9 auf einen skurillen \u00e4lteren Mann, mit dem sie eine Freundschaft verbinden wird, die sie erst nach dessen Verschwinden ermessen kann. Er ist gewitzt, etwas schr\u00e4g und tr\u00e4gt stets eine Packung Pralinen bei sich, die er ungeachtet seiner Leibesf\u00fclle und Zuckerkrankheit geradezu gierig verzehrt. Eine andere Frau sucht ihren verschollenen Gro\u00dfvater, den ihre Gro\u00dfmutter deutlich mehr geliebt haben soll als ihren aktuellen Gatten. Ein Vater repariert nach dem Tod seiner Frau ein zerst\u00f6rtes Klassenzimmer – und damit zum ersten Mal wieder ein St\u00fcck von sich selbst. Eine \u00e4ltere Frau scheitert am Verkauf ihres Hauses, bei dem ihr niemand zur Seite stehen kann. Ihre fortschreitende Demenz macht es ihr unm\u00f6glich, alle Formalit\u00e4ten zu organisieren, ihre schleichend aber best\u00e4ndig ausgreifende Verwirrung treibt …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":9432,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[1911,16],"tags":[1649,2078,2114,2115],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2015\/10\/sch\u00e4fer.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/9431"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=9431"}],"version-history":[{"count":7,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/9431\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":9494,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/9431\/revisions\/9494"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/9432"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=9431"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=9431"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=9431"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}