{"id":7245,"date":"2014-12-07T18:03:08","date_gmt":"2014-12-07T16:03:08","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=7245"},"modified":"2015-02-26T21:55:07","modified_gmt":"2015-02-26T19:55:07","slug":"steine-im-bauch","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2014\/12\/steine-im-bauch\/","title":{"rendered":"Steine im Bauch"},"content":{"rendered":"
Eine Mutter entdeckt ihre Berufung in der Aufnahme von Pflegekindern. Ihr leiblicher Sohn droht daran zu zerbrechen. Jon Bauers Deb\u00fctroman ist eine Geschichte so intensiv wie ungew\u00f6hnlich. Er stellt nicht die Frage nach dem Schicksal der Pflegekinder, er fragt nach dem Kind, das daf\u00fcr zur\u00fccksteckt, immer wieder. F\u00fcr ,Steine im Bauch’ erhielt Jon Bauer 2011 u.a. den Indie Award For Debut Fiction.<\/strong><\/p>\n Weil seine Mutter schwer an Krebs erkrankt ist und ein aggressiver Hirntumor sie bereits in einen Menschen verwandelt, der ihm fremd wird, kehrt der namenlose Protagonist nach Hause zur\u00fcck. Seine Mutter kann kaum noch sprechen, ist dringend auf Pflege angewiesen und kann ihm wenig entgegensetzen als er angesichts ihrer so offensichtlichen Schw\u00e4che wieder gedanklich in die Vergangenheit zur\u00fcckkehrt. Nicht immer war sie so schwach und hilflos, viel mehr war er es oft, der ein offenes Ohr und Unterst\u00fctzung gebraucht h\u00e4tte. Stattdessen schenkte seine Mutter den wechselnden Pflegekindern ihre Liebe und Aufmerksamkeit, denen, die es nicht so gut hatten wie er. Und schafft damit ironischerweise eine Art Pflegefamiliensituation f\u00fcr ihr eigenes Kind, das sich immer wieder in Konkurrenz zu fremden Kindern sieht, das seiner eigenen Mutter nie genug sein kann.<\/p>\n Ich habe immer erz\u00e4hlt, ich sei ein Pflegekind, dabei war ich bei uns zu Hause der Einzige, der keines war. Und jetzt, da ich angeblich erwachsen bin, sage ich gern, dass um mich herum immernoch alles ein Pflegefall ist – mein Land, aber auch die Geschichte, die ich erz\u00e4hle.<\/p>\n<\/blockquote>\n Der Achtj\u00e4hrige beginnt unter dem st\u00e4ndigen Druck, liebenswert genug f\u00fcr seine Mutter zu sein, um mit dem oft bedauernswerten Schicksal der Pflegekinder mitzuhalten, \u00c4ngste, fixe Ideen und vorallendingen eine ungez\u00fcgelte Wut zu entwickeln. In einem dynamischen Wechsel zwischen kindlicher Perspektive und erwachsenem Standpunkt entwickelt sich in der R\u00fcckschau eine tragische Familiengeschichte, deren Ungl\u00fcck unm\u00f6glich nur einem einzelnen anzulasten ist. In einem Moment der unbeherrschten Angst und Wut geschieht schlie\u00dflich damals ein Unfall, der die Familie unwiederbringlich auseinanderrei\u00dft und auf eine harte Probe stellt. Diese harte Probe setzt sich f\u00fcr den Protagonisten, das letzte verbleibende Kind, in der Pflege seiner kranken Mutter in der Gegenwart fort. Die D\u00e4monen der Vergangenheit bek\u00e4mpft er mit Wodka und dem einen oder anderen Joint. Kann man Frieden schlie\u00dfen mit seiner eigenen Geschichte?<\/p>\n Man wei\u00df nie, wie jemand ist, solange man ihn nicht m\u00e4chtig oder machtlos erlebt hat.<\/p>\n<\/blockquote>\n\n
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