Wenn Wale explodieren und der Grund f\u00fcr einen v\u00f6llig ungeplanten Krankenhausaufenthalt sind, wenn Flugzeuge abst\u00fcrzen, Manager pl\u00f6tzlich Bademeister werden und Kinder adoptieren, die eine Sprache sprechen, an denen sich selbst der gewiefteste Linguist die Z\u00e4hne ausbei\u00dft – dann muss man sich in einem Roman von Heinrich Steinfest befinden. Unterhaltsam und angereichert mit allerlei kleinen philosophischen Alltagsexkursen, abgedreht und einzigartig.<\/strong><\/p>\n Sixten Braun hat Pech, als er in seiner Eigenschaft als Manager in Taiwan gerade zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Direkt vor seinen Augen explodiert ein riesiger Wal und von den in die Umgebung katapultierten \u00dcberresten des Meeress\u00e4ugers getroffen, wird Sixten ins Krankenhaus eingeliefert. Es hat ihn hart getroffen – was vom Wal es auch immer war, das ihn erwischte. (F\u00fcr alle \u00fcbrigens, die glauben, Heinrich Steinfest h\u00e4tte sich etwas so Absurdes wie eine Walexplosion<\/a> ausgedacht – n\u00f6. Gibt es. Gab es. 2004 eben dort, wo Sixten sich aufh\u00e4lt) Wer gesundheitlich, im wahrsten Sinne des Wortes, (durch einen Wal) angeschlagen ist, wird kritisch be\u00e4ugt. Wie wahrscheinlich ist es schon, dass einem sowas passiert?<\/p>\n “Oha!” Im Krankenhaus wiederum scheint sich alles zum Guten zu wenden, als Sixten seine \u00e4u\u00dferst charmante behandelnde\u00a0 \u00c4rztin Lana Senft hin und wieder auch in ihr Bett begleiten darf. Auf dem R\u00fcckflug nach Deutschland jedoch sitzt er ausgerechnet in einer Maschine, die \u00fcber dem Ostchinesischen Meer abst\u00fcrzt. Zwar \u00fcbersteht er diese Katastrophe \u00fcberraschend unbeschadet, sein Karma jedoch ist hin\u00fcber. Wer will schon regelm\u00e4\u00dfig mit jemandem zu tun haben, der immer wieder in solche abstrusen Situationen ger\u00e4t? Sixten entscheidet sich jedenfalls f\u00fcr einen radikalen Berufswechsel und wird vom Manager zum Bademeister im Stuttgarter Bad Berg. Weil er das als Kind auch schonmal werden wollte. Und weil es ein \u00fcbersichtliches Ma\u00df an absurden Katastrophen verspricht. Und in der Tat kommt die n\u00e4chste Katastrophe auch nicht aus dem \u00fcberschaubar tiefen Seniorenbecken des Bad Berg, sondern aus M\u00fcnchen. Aus dem man ihm mitteilt, Frau Dr. Lana Senft habe, bevor sie gestorben sei, ein Kind ausgetragen, das zweifellos das seine sein m\u00fcsse.<\/p>\n Wenn der Mensch zwischen zwei und zweihundertmal t\u00e4glich l\u00fcgt, stellt sich erst recht die Frage, wie oft er eigentlich am Tag die Wahrheit sagt und ob das nicht weit mehr wiegt als die hilflose Flunkerei, die unseren Alltag tapeziert – wobei wir ja gut darum wissen, dass es sich um eine Tapete handelt.<\/p>\n<\/blockquote>\n Simon, der siebenj\u00e4hrige, asiatisch aussehende Junge, kann unm\u00f6glich Sixtens Sohn sein. Zudem spricht er eine Sprache, die niemand versteht. Und doch l\u00e4utet Simon (gemeinsam mit Wal und Flugzeug) eine fundamentale \u00c4nderung in Sixten Brauns Leben ein. Steinfests ,Allesforscher’ ist ein Potpourri an verr\u00fcckten Ideen, sprachlicher Rafinesse und einer Menge Humor, durch den gelegentlich der Ernst des Lebens schimmert. Vieles, was Heinrich Steinfest ganz nebenbei in seine S\u00e4tze streut, ist weit weniger komisch als man angesichts all dieser Ereignisse erwarten k\u00f6nnte, manchmal sind es sogar tats\u00e4chlich unbequeme Wahrheiten. Durch den Witz und Charme aber, der sie umgibt, sind ihre Kanten nicht ganz so scharf. Mehr als einmal habe ich schallend \u00fcber eine dieser beil\u00e4ufig eingestreuten Kleinigkeiten lachen m\u00fcssen und so ist ,Der Allesforscher’ allem voran ein unterhaltsamer Roman mit einer feinen und bewundernswert treffsicheren Sprache!<\/p>\n Da ,Der Allesforscher<\/em>‘ auch auf der Shortlist<\/a> des Deutschen Buchpreises 2014 steht, muss er sich die Frage gefallen lassen: Ist er der beste deutschsprachige Roman des Jahres? – Nein, sicherlich nicht. Aber wer nach einem hervorragend geschriebenen und abgedrehten Roman sucht, der schon allein durch seine kuriosen Einf\u00e4lle fesseln und begeistern kann, der sollte schleunigst zum Allesforscher greifen.\u00a0 Auch wenn Wale wirklich explodieren k\u00f6nnen. Ohne Heinrich Steinfest h\u00e4tte ich das nie erfahren.<\/p>\n Leiden macht h\u00e4sslich, wenn man kein Engel oder kein Hund ist oder nicht von Schiele oder Munch portr\u00e4tiert wird.<\/p>\n<\/blockquote>\n Heinrich Steinfest: Der Allesforscher,<\/span> Piper Verlag<\/a>, 397 Seiten, 9783492054089<\/span>, 19,99 \u20ac<\/span><\/p>\n
\nEin Oha! denken oder sagen oder rufen kann eigentlich nur bedeuten, sich in einem Zustand der Versp\u00e4tung zu befinden. Und damit ist nicht allein die Stra\u00dfenbahn gemeint, die einem davonf\u00e4hrt. Sondern auch und vor allem die, die auf einen zuf\u00e4hrt.<\/p><\/blockquote>\n\n
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