{"id":6150,"date":"2014-07-21T08:00:16","date_gmt":"2014-07-21T06:00:16","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=6150"},"modified":"2015-02-26T22:28:20","modified_gmt":"2015-02-26T20:28:20","slug":"stewart-onan-die-chance","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2014\/07\/stewart-onan-die-chance\/","title":{"rendered":"Stewart O’Nan – Die Chance"},"content":{"rendered":"

Gegen jede Wahrscheinlichkeit beschlie\u00dfen Marion und Art Fowler an den Ort zur\u00fcckzukehren, an den sie vor knapp drei\u00dfig Jahren auch ihre Hochzeitsreise f\u00fchrte: Die Niagaraf\u00e4lle. Sie sind der Scheidung n\u00e4her als irgendeiner Form von Romantik, arbeitslos und bedrohlich verschuldet. In ihrem Gep\u00e4ck: Ihr gesamtes Barverm\u00f6gen, mit dem sie im Casino das Ruder noch einmal herumrei\u00dfen wollen.<\/strong><\/p>\n

Marion und Art sind ein durchschnittliches Paar. Um die f\u00fcnfzig, vom Leben und ihrer Partnerschaft desillusioniert, eigentlich verspricht diese Reise mehr ein Abgesang auf ihre Ehe zu werden als ein romantisches Wochenende zu zweit. Beide tragen ihren Teil Schuld am Scheitern, beide haben den jeweils anderen betrogen. Beide haben ihren Job verloren, beide haben sich entgegen jeder Vernunft f\u00fcr ein bauf\u00e4lliges Haus entschieden, das ganz konsequent finanzielle L\u00f6cher in ihren Haushalt frisst. Doch trotz aller dieser schlechten Vorzeichen treten beide die Reise zu den Niagaraf\u00e4llen an, um sich dort endg\u00fcltig \u00fcber ihre Zukunft klarzuwerden – und ihr eher k\u00fcmmerliches Barverm\u00f6gen aufzustocken.<\/p>\n

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Als Mittelst\u00e4ndler unterlagen sie der Tyrannei des \u00e4u\u00dferen Scheins und dessen, was sie sich leisten oder was sie riskieren konnten, das war Teil ihres Problems. Sie waren zu etabliert und pragmatisch f\u00fcr das, was sie vorhatten, Verzweiflungstaten bereiteten ihnen Unbehagen.<\/p>\n<\/blockquote>\n

Obwohl sie l\u00e4ngst kein Geld mehr haben, quartieren sie sich in einem teuren Luxushotel mit Ausblick auf die Niagaraf\u00e4lle ein. Selbst insgeheim der Auffassung, nichts k\u00f6nne den Strom der Ereignisse noch aufhalten. Tags\u00fcber vergn\u00fcgen sie sich inmitten unz\u00e4hliger anderer Touristen an den g\u00e4ngigen Attraktionen der Gegend, abends machen sie Halt im hoteleigenen Casino. Wenn sie schon alles verloren haben, k\u00f6nnen sie auch ihr letztes Bargeld f\u00fcr die Hoffnung geben, etwas zu gewinnen, das ihren Verlust weniger ma\u00dflos erscheinen l\u00e4sst. Beinahe f\u00fchlen die beiden sich wie ein Gangsterduo, das ihre Verstohlenheit und tief verborgene Verzweiflung \u00fcber den Lauf der Dinge wieder zusammenf\u00fchrt.<\/p>\n

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Das Geld war nicht real, also warum sollten sie sich damit nicht am\u00fcsieren? Es war wie die Monte-Carlo-Night in der Kirche, ein gefahrloser Nervenkitzel f\u00fcr \u00c4ngstliche, zu denen sie, egal, was er sagen mochte, beide geh\u00f6rten. Sie w\u00e4ren nie hergekommen, wenn sie nicht schon alles verloren h\u00e4tten.<\/p>\n<\/blockquote>\n

Stewart O’Nan n\u00e4hert sich mit psychologischem Feingef\u00fchl und sprachlicher Finesse zwei Menschen, die den H\u00f6hepunkt ihres (gemeinsamen) Lebens bereits weit hinter sich w\u00e4hnen. Sie haben sich selbst und den jeweils anderen entt\u00e4uscht, sie haben Fehler begangen, Bu\u00dfe getan und haben verloren. O’Nan beschreibt all das so authentisch und menschlich, dass niemand ernsthafte Probleme haben d\u00fcrfte, sich in diese beiden hineinzuversetzen, die, – wie gesagt: entgegen aller Wahrscheinlichkeiten – das Unm\u00f6gliche versuchen, einen letzten Tanz auf dem Vulkan, bevor ihr bisheriges Leben explodiert. Dabei ist nicht nur der Ort, an dem die Macht und Kraft der Natur so deutlich hervortritt, raffiniert gew\u00e4hlt – passenderweise sind auch alle Kapitel mit Ereignissen und ihren entsprechenden Wahrscheinlichkeiten \u00fcberschrieben. Es geschehen unwahrscheinliche Dinge in diesem Roman. Doch etwas Unwahrscheinliches ist nicht unm\u00f6glich. Und aus Verlusten k\u00f6nnen Chancen erwachsen. Ein brilliant geschriebener und spannend konstruierter Roman \u00fcber Sinn und Sinnlichkeit im Angesicht des vermeintlichen<\/em> Scheiterns.<\/p>\n

Stewart O’Nan: Die Chance, aus dem Englischen von Thomas Gunkel, Rowohlt Verlag<\/a>, 221 Seiten, 9783498050429<\/span>, 19,95 \u20ac<\/span><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Gegen jede Wahrscheinlichkeit beschlie\u00dfen Marion und Art Fowler an den Ort zur\u00fcckzukehren, an den sie vor knapp drei\u00dfig Jahren auch ihre Hochzeitsreise f\u00fchrte: Die Niagaraf\u00e4lle. Sie sind der Scheidung n\u00e4her als irgendeiner Form von Romantik, arbeitslos und bedrohlich verschuldet. In ihrem Gep\u00e4ck: Ihr gesamtes Barverm\u00f6gen, mit dem sie im Casino das Ruder noch einmal herumrei\u00dfen wollen. Marion und Art sind ein durchschnittliches Paar. Um die f\u00fcnfzig, vom Leben und ihrer Partnerschaft desillusioniert, eigentlich verspricht diese Reise mehr ein Abgesang auf ihre Ehe zu werden als ein romantisches Wochenende zu zweit. Beide tragen ihren Teil Schuld am Scheitern, beide haben den jeweils anderen betrogen. Beide haben ihren Job verloren, beide haben sich entgegen jeder Vernunft f\u00fcr ein bauf\u00e4lliges Haus entschieden, das ganz konsequent finanzielle L\u00f6cher in ihren Haushalt frisst. Doch trotz aller dieser schlechten Vorzeichen treten beide die Reise zu den Niagaraf\u00e4llen an, um sich dort endg\u00fcltig \u00fcber ihre Zukunft klarzuwerden – und ihr eher k\u00fcmmerliches Barverm\u00f6gen aufzustocken. Als Mittelst\u00e4ndler unterlagen sie der Tyrannei des \u00e4u\u00dferen Scheins und dessen, was sie sich leisten oder was sie …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":6151,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[16,839],"tags":[1655,1465,1654],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2014\/07\/stewartonan.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/6150"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=6150"}],"version-history":[{"count":9,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/6150\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":7881,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/6150\/revisions\/7881"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/6151"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=6150"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=6150"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=6150"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}