{"id":4991,"date":"2014-07-08T08:05:10","date_gmt":"2014-07-08T06:05:10","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=4991"},"modified":"2015-02-26T22:29:50","modified_gmt":"2015-02-26T20:29:50","slug":"burkhard-spinnen-zacharias-katz","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2014\/07\/burkhard-spinnen-zacharias-katz\/","title":{"rendered":"Burkhard Spinnen – Zacharias Katz"},"content":{"rendered":"

Zach Katz – der eigentlich Zacharias Katzwinkel Smith hei\u00dft – ist ein Draufg\u00e4nger. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem er in seinem Karibikurlaub die Nachricht erh\u00e4lt, nicht in die Vereinigten Staaten zur\u00fcckzukehren, es bestehe akute Lebensgefahr. Kopf – und hilflos heuert der junge Mann im wei\u00dfen Anzug auf einem Passagierschiff an, das auf der immer gleichen Route durch die Karibik kreuzt. So lange jedenfalls, bis der Erste Weltkrieg ausbricht. Burkhard Spinnens neuer Roman – ein Potpourri aus Geschichten.<\/strong><\/p>\n

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Es beginnt in einem Lazarett, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Zacharias Katz ist verwundet, geschw\u00e4cht, auch wenn er das nicht zugeben mag – und er diktiert einem Corporal Brady seine Geschichte. Eine Lebensgeschichte, die zun\u00e4chst gepr\u00e4gt ist von einem eklatanten Mangel an Leidenschaft f\u00fcr irgendeine Sache. Katz’ Familie ist nach Amerika eingewandert, sein Vater verdient den Lebensunterhalt mit der Wartung und dem Handel von Landmaschinen. Dasselbe soll dem Sohn eigentlich auch bl\u00fchen, bis er in der Schule einen Aufsatz schreibt, den seine Lehrerin f\u00fcr derart gelungen h\u00e4lt, dass sie f\u00fcr ihn eine journalistische Laufbahn in Betracht zieht.<\/p>\n

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Ich war vollkommen perplex. Journalisten haben nirgendwo den allerbesten Ruf, und unser sch\u00f6nes Pennsylvania machte da keine Ausnahme. Journalisten galten auch bei uns als Leute, die ihren Beruf verfehlt haben. Ich wei\u00df, wovon ich rede.<\/p>\n<\/blockquote>\n

Dennoch wei\u00df Zacharias Katz, dass es keine Alternativen gibt, den Landmaschinen seines Vaters zu entgehen und so wird er Volont\u00e4r bei einem kleinen Lokalblatt. Schreiben kann er nicht, er zeichnet sich einzig durch seine Akkuratesse in der Zusammenstellung von Informationen aus. Diese leidenschaftslose Genauigkeit bringt ihn schlie\u00dflich sogar nach New York, wo er ein verborgenes Talent entdeckt. Das Lektorat von Liedtexten! Selbst einen schreiben, das w\u00e4re Zacharias Katz niemals eingefallen, doch unsaubere Reime, haneb\u00fcchene Vergleiche, die kann er korrigieren. Er beginnt, am Broadway zu arbeiten. Als er nach arbeitsreichen Monaten auf eine Fahrt nach Havanna aufbricht, erreicht ihn dort ein Telegramm, das ihn und sein Leben f\u00fcr immer ver\u00e4ndern wird.<\/p>\n

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Brady, es gibt nicht viele Menschen,mit denen man schweigen kann. Meistens muss man reden und reden, damit es nicht allzu peinlich wird.<\/p>\n<\/blockquote>\n

Das Telegramm stammt von seinem Broadwaykollegen Kessel, der ihn inst\u00e4ndig bittet, vorerst nicht zur\u00fcckzukehren, es bestehe Lebensgefahr. Zacharias Katz verliert die Nerven oder hat gar endlich einen Grund gefunden, seinem bisherig doch eher farblosen Leben ein Ende zu bereiten. Was es auch ist, er heuert auf der Pr\u00e4sident an, einem Passagierschiff, das sich mit Beginn des Krieges in ein Fl\u00fcchtlingsschiff verwandelt – und als Piratenschiff endet. Zacharias Katz wird Chronist dieser Entwicklungen – und nebenbei auch Chronist sehr menschlicher Geschichten im Angesicht einer auseinanderbrechenden Ordnung.<\/p>\n

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Die Frauen und die Kinder waren wieder dabei, \u00fcberall standen diese riesigen Koffer, es war laut, ein S\u00e4ugling weinte, und ich dachte: Jetzt l\u00e4uft aus uns allen die Angst heraus wie das Wasser aus den Rettungsbooten.<\/p>\n<\/blockquote>\n

Von einem Mann, dem sein Hund mehr bedeutet als jeder Mensch, einer Frau, die sich mithilfe eines Ankers \u00fcber die Reling st\u00fcrzen und im Meer ertr\u00e4nken will, einem Porzellanfabrikanten, dessen hypochondrische Neigungen auf ungew\u00f6hnliche Weise von seinem Psychiater therapiert werden, ein sechsfacher M\u00f6rder, der eigentlich nur die saisonale Mode mitgestalten wollte – Burkhard Spinnen versteht es, Geschichten zu erz\u00e4hlen, die ber\u00fchren und uns, auf beinahe selbstverst\u00e4ndliche Weise, auch wieder f\u00fcr Geschichten \u00f6ffnen. Nicht nur f\u00fcr solche aus B\u00fcchern, sondern auch f\u00fcr die au\u00dferhalb der Seiten. Geschickt arbeitet Burkhard Spinnen mit einer alternierenden Erz\u00e4hlperspektive. Mal erz\u00e4hlt Zacharias Katz, der seinen “Sekret\u00e4r” im Lazarett namentlich anspricht, dazwischen finden sich dann Einsch\u00fcbe des Sekret\u00e4rs selbst so wie die erz\u00e4hlten Geschichte der Passagiere. Diese Vielschichtigkeit des Erz\u00e4hlens l\u00e4sst die Geschehnisse nur umso lebendiger und greifbarer erscheinen, macht die Lekt\u00fcre abwechslungsreich. Was Zacharias Katz betrifft, so findet er durch all die Geschichten und die \u00e4u\u00dferen Umst\u00e4nde am Ende zu einer Haltung. Was als Verzweiflungstat begann, endet als eine lebensentscheidende Ma\u00dfnahme.<\/p>\n

Burkhard Spinnen: Zacharias Katz, Sch\u00f6ffling Verlag<\/a>, 344 Seiten, 9783895610455<\/span>, 21,95 \u20ac<\/span><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Zach Katz – der eigentlich Zacharias Katzwinkel Smith hei\u00dft – ist ein Draufg\u00e4nger. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem er in seinem Karibikurlaub die Nachricht erh\u00e4lt, nicht in die Vereinigten Staaten zur\u00fcckzukehren, es bestehe akute Lebensgefahr. Kopf – und hilflos heuert der junge Mann im wei\u00dfen Anzug auf einem Passagierschiff an, das auf der immer gleichen Route durch die Karibik kreuzt. So lange jedenfalls, bis der Erste Weltkrieg ausbricht. Burkhard Spinnens neuer Roman – ein Potpourri aus Geschichten.<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":6075,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[16,839],"tags":[974,1478,1637],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2014\/07\/zacharias-e1405267585740.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/4991"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=4991"}],"version-history":[{"count":4,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/4991\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":7884,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/4991\/revisions\/7884"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/6075"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=4991"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=4991"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=4991"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}