{"id":3875,"date":"2014-01-08T20:14:54","date_gmt":"2014-01-08T19:14:54","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=3875"},"modified":"2014-07-13T12:43:21","modified_gmt":"2014-07-13T10:43:21","slug":"literatour-nord-mirko-bonne-nie-mehr-nacht","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2014\/01\/literatour-nord-mirko-bonne-nie-mehr-nacht\/","title":{"rendered":"[LiteraTour Nord] Mirko Bonn\u00e9 – Nie mehr Nacht"},"content":{"rendered":"

Nach einer weihnachtlich-neuj\u00e4hrlichen Pause, die alle Beteiligten sich redlich verdient haben, startet die LiteraTour Nord mit einem Autor ins Jahr 2014, der nach Ralph Dutli<\/a> und Clemens Meyer<\/a> schon der dritte ist, dessen Werk im Gespr\u00e4ch f\u00fcr den Deutschen Buchpreis 2013 stand. Dieses Mal las Mirko Bonn\u00e9 aus seinem Roman ,Nie mehr Nacht’ (Sch\u00f6ffling Verlag<\/a>). Sogar auf die Shortlist hatte es Bonn\u00e9s Roman geschafft, gewonnen hat letztlich Ter\u00e9zia Mora. Doch an diesem Montagabend wird glasklar erkennbar, beinahe zwangsl\u00e4ufig, weshalb Mirko Bonn\u00e9s Roman einer der ganz besonderen des letzten Jahres ist, ein Roman \u00fcber Verlust und Wiederentdecken, ein Roman so pr\u00e4zise und poetisch wie ein Gedicht.<\/p>\n

Schon zu Beginn wird deutlich, dass Bonn\u00e9s Sprache innert k\u00fcrzester Zeit eine Sogkraft und Plastizit\u00e4t entwickelt, der schwerlich zu entkommen ist. Er lese den Anfang heute nicht, sagt Bonn\u00e9. Er habe nun dreiundvierzig Lesungen mit diesem Buch bestritten und meistens habe er bereits nach dieser Anfangspassage eine weinende Frau im Publikum. Das wolle er vermeiden. Zwar schmunzelt er ein bisschen dabei und sein Publikum beantwortet dieses leise L\u00e4cheln, doch das Bewusstsein, wie wenig daran ist, wor\u00fcber sich unbeschwert l\u00e4cheln lie\u00dfe, bleibt gegenw\u00e4rtig. Markus Lee, Protagonist in ,Nie mehr Nacht<\/em>‘, hat gerade seine Schwester Ira durch Selbstmord verloren. Mit Autoabgasen nahm sie sich in der Garage das Leben und hinterlie\u00df Jesse, Markus Lees Neffen. Mit dem reist er in die Normandie, um dort im Auftrag eines Hamburger Kunstmagazins Br\u00fccken zu zeichnen, die bei Eintreffen der Alliierten im Sommer 1944 pr\u00e4gende, gewichtige Rollen spielten.<\/p>\n

\"Nie_mehr_Nacht_Mirko_Bonn\u00e9_470x768\"<\/a>Markus und Jesse haben sich wenig zu sagen. Zwischen ihnen ragt, gewaltig wie ein unpassierbares Gebirge, Iras Tod. Markus Lee erz\u00e4hlt von einer Belgiendurchfahrt, von einem pr\u00e4genden Ereignis seiner Jugend und wenn Bonn\u00e9 diese Durchfahrt und das Gespr\u00e4ch zwischen Onkel und Neffe durch seine Stimme zum Leben erweckt, scheint sie ganz real, scheint sie gerade zu geschehen, w\u00e4hrend man nur einige Meter entfernt steht. Immer wieder sucht Mirko Bonn\u00e9 mit Blicken Kontakt zum Publikum, er ist ein ausgezeichneter Leser, was nach der Lesung und einem gespannten Staunen auch die erste R\u00fcckmeldung ist, die Bonn\u00e9 erh\u00e4lt.<\/p>\n

Sein Protagonist Markus Lee h\u00e4lt sich l\u00e4nger in der Normandie auf als beabsichtigt und beginnt, sich vom Leben zu verabschieden. Er will verschwinden, alles ver\u00e4u\u00dfern, was er besitzt, bis nur noch sein Leben, sein Existieren und einige Gegenst\u00e4nde, die er am Leibe tragen kann, \u00fcbrig bleiben. Trotz aller Tragik endet der Roman mit einem Hoffnungsschimmer, der M\u00f6glichkeit eines Weiterlebens. Auch mit einem Verlust, der kaum zu verkraften oder jemals zu verwinden ist. Als Mirko Bonn\u00e9 endet, ist es still im Saal. In allen bewegt sich etwas, sie m\u00fcssen die Sprache, die Bilder, ihre eigenen Gef\u00fchle sortieren, sacken lassen. Keine Lesung der LiteraTour Nord hat bisher eine Stimmung wie diese erzeugt, – Nachdenklichkeit, Hochachtung, Bewunderung, Stille im besten Sinne.<\/p>\n

Und so sind auch die Fragen, die sich nach der Lesung ergeben, gr\u00f6\u00dftenteils solche, die sich auf Bonn\u00e9s Arbeitsweise beziehen. Woher er seine Inspiration nehme, wie er zu seiner kraftvollen Sprache gelange. Und Bonn\u00e9 antwortet \u00fcberraschend, dass er sich sehr durch andere B\u00fccher inspirieren lasse. Sie br\u00e4chen etwas in ihm auf, womit er weiterarbeiten k\u00f6nne, etwas, woran er wom\u00f6glich zuvor jahrelang nicht gedacht habe. Nur an der Frau namens Lilith entz\u00fcndet sich eine kleine Diskussion, ist dieser Name doch deutlich in der dunkleren Mythologie zu verorten. Seine Lektorin, so Bonn\u00e9, habe ihm auch ganz dringend davon abgeraten, diesen Namen zu verwenden. Er sei so vorbelastet. Aber alte Pr\u00e4gungen m\u00fcsse man manchmal auch durchbrechen.<\/p>\n

Durchbrochen hat Mirko Bonn\u00e9 mit seiner Lesung den Alltag, das graue Einerlei. Zwischen tieftraurigen Passagen, die aber so anmutig in Sprache gekleidet waren, dass man den Hut davor ziehen muss, blitzten auch immer wieder humorvolle und charmante Nebens\u00e4tze auf, wegweisende Lichter in einem dunklen Tal. Als ich mir ,Wie wir verschwinden<\/em>‘ signieren lasse, neben mir Mirko Bonn\u00e9 mit einem dunklen Schal, den nur ein Autor tragen kann, sage ich: Danke f\u00fcr diese Sprache, sie ist wundersch\u00f6n<\/em>. Er l\u00e4chelt und sagt: Das hat mir auch noch niemand gesagt<\/em>.<\/p>\n

Dann wird es h\u00f6chste Zeit, Herr Bonn\u00e9.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Nach einer weihnachtlich-neuj\u00e4hrlichen Pause, die alle Beteiligten sich redlich verdient haben, startet die LiteraTour Nord mit einem Autor ins Jahr 2014, der nach Ralph Dutli und Clemens Meyer schon der dritte ist, dessen Werk im Gespr\u00e4ch f\u00fcr den Deutschen Buchpreis 2013 stand. Dieses Mal las Mirko Bonn\u00e9 aus seinem Roman ,Nie mehr Nacht’ (Sch\u00f6ffling Verlag). Sogar auf die Shortlist hatte es Bonn\u00e9s Roman geschafft, gewonnen hat letztlich Ter\u00e9zia Mora. Doch an diesem Montagabend wird glasklar erkennbar, beinahe zwangsl\u00e4ufig, weshalb Mirko Bonn\u00e9s Roman einer der ganz besonderen des letzten Jahres ist, ein Roman \u00fcber Verlust und Wiederentdecken, ein Roman so pr\u00e4zise und poetisch wie ein Gedicht. Schon zu Beginn wird deutlich, dass Bonn\u00e9s Sprache innert k\u00fcrzester Zeit eine Sogkraft und Plastizit\u00e4t entwickelt, der schwerlich zu entkommen ist. Er lese den Anfang heute nicht, sagt Bonn\u00e9. Er habe nun dreiundvierzig Lesungen mit diesem Buch bestritten und meistens habe er bereits nach dieser Anfangspassage eine weinende Frau im Publikum. Das wolle er vermeiden. Zwar schmunzelt er ein bisschen dabei und sein Publikum beantwortet dieses leise L\u00e4cheln, doch das …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":3877,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[836],"tags":[1019,1282,1293,1361,1384,1478],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2014\/01\/bonnc3a9.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3875"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=3875"}],"version-history":[{"count":1,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3875\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":6031,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3875\/revisions\/6031"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/3877"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=3875"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=3875"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=3875"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}