{"id":3255,"date":"2013-07-28T18:38:42","date_gmt":"2013-07-28T16:38:42","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=3255"},"modified":"2013-07-28T18:38:42","modified_gmt":"2013-07-28T16:38:42","slug":"c-s-forester-todliche-ohnmacht","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2013\/07\/c-s-forester-todliche-ohnmacht\/","title":{"rendered":"C.S. Forester – T\u00f6dliche Ohnmacht"},"content":{"rendered":"

\"forester2\"<\/a>Cecil Scott Forester<\/a> (1899-1966, eigentlich Cecil Lewis Troughton Smith<\/b>) war ein englischer Schriftsteller und Journalist. Er brach ein Medizinstudium ab, um sich dem Schreiben zu widmen und wurde durch seine Romane rund um den Seefahrer Horatio Hornblower und dessen Karriere zu Zeiten der Napoleonischen Kriege bekannt. Seit 1932 schrieb er auch hin und wieder Drehb\u00fccher f\u00fcr Hollywood. T\u00f6dliche Ohnmacht, <\/em>1935 verfasst, schlummerte jahrelang von der \u00d6ffentlichkeit unbemerkt im Dunkel, 2011 erschien er erstmals in England, bei uns nun im dtv Verlag<\/a> in der \u00dcbersetzung von Britta M\u00fcmmler.<\/p>\n

Nicht selten in Kunst und Kultur sind M\u00fctter und die jeweilig spezielle Beziehung zu ihnen steter Quell von eskalierender Gewalt und haarstr\u00e4ubenden Katastrophen. Man denke nur an Norman Bates und seine wahnhafte Besessenheit noch \u00fcber den Tod seiner Mutter hinaus oder, ganz klassisch, an \u00d6dipus und seine Vereinigung wider besseren Wissens. Ein bisschen so h\u00e4lt es auch C.S. Forester, wenngleich der springende Punkt hier auch nicht die Beziehung des Kindes zur Mutter, sondern der Mutter zum Kind ist.<\/p>\n

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Die unsinnige Freude, die der Mensch in der Jagd findet, hat ihr nat\u00fcrliches Pendant in der besinnungslosen Qual des Gejagten.<\/p>\n<\/blockquote>\n

Marjorie Grainger lebt in der ruhigen Londoner Vorstadt, ist Mutter zweier Kinder, Frau eines bedingt charmanten Mannes und engagierte Hausfrau. Sie kehrt gerade von einem Treffen mit ihrer Freundin Millicent Dunne nach Hause zur\u00fcck, als sie in ihrer K\u00fcche ihre Schwester Dot, die sich um die Kinder k\u00fcmmern sollte, tot auffindet. Alles deutet auf einen Selbstmord mit Gas hin, das sich bereits in der ganzen K\u00fcche ausgebreitet hat. Marjorie ist erschrocken und tief ersch\u00fcttert – was sollte ihre sonst so lebensfreudige Schwester dazu gebracht haben, sich das Leben zu nehmen?<\/p>\n

Das \u00fcbliche polizeiliche Prozedere beginnt, es wird festgestellt, dass Dot tats\u00e4chlich schwanger war. Ungereimtheiten tauchen auf. Zerbrochene Flaschen eines teuren Weins im Hausm\u00fcll, an die sich Marjorie nicht erinnern kann. Andeutungen ihres kleines Sohnes Derrick, der gesehen hat, mit wem Dot sich am Abend ihres Todes vergn\u00fcgt hat. Und es dauert nicht lange, bis Marjorie und ihrer Mutter d\u00e4mmert, was schon nach kurzer Zeit offensichtlich wird – es gibt nur einen Liebhaber, von dem ihre Schwester ihr nichts erz\u00e4hlt h\u00e4tte und das ist ihr Ehemann Ted<\/em>.<\/p>\n

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Es war wie die Erl\u00f6sung von den ungeheuren Schmerzen der Geburt, als sie sich erlaubte, das schreckliche Grauen, das vor ihr aufgestanden war, zu verdr\u00e4ngen und sich wieder den kleinen Dingen des Alltags zuzuwenden. Derrick dazu zu \u00fcberreden, die Murmeln alle wieder ordentlich in den Beutel hineinzutun; Anne den Hut im richtigen Winkel auf den Kopf zu setzen, die \u00fcblichen Stra\u00dfen entlang nach Hause zu gehen und dar\u00fcber nachzudenken, was sie Ted zum Abendessen kochen sollte; all das war ein Segen, ein weiches Bett nach einem mit Kieselsteinen gef\u00fcllten Sofa.<\/p>\n<\/blockquote>\n

Von dieser schmerzlichen Erkenntnis ist es nicht weit bis zu der Wahrheit dar\u00fcber, wer am “Selbstmord” Dots schuldig ist. Ted ist ein j\u00e4hzorniger und besitzergreifender Mann, einer, der wei\u00df, was er von seiner Frau erwartet, der ihre Pflichten in Haus und Bett genau definiert. Es sind die 30er-Jahre, in denen Rollenbilder, denen Frau und Mann zu entsprechen hatten, wenig flexibel und nahezu gottgegeben erschienen. Und so kommt es Marjorie auch nicht in den Sinn, die Polizei zu verst\u00e4ndigen, als ihr bewusst wird, dass sie mit einem M\u00f6rder das Ehebett teilt.<\/p>\n

Wo Marjorie trotz allem unt\u00e4tig bleibt, entwirft Mrs.Clair, ihre Mutter, einen teuflischen Plan, um sich an dem Mann zu r\u00e4chen, der ihr eine Tochter genommen hat und die andere noch immer \u00e4u\u00dferst ungl\u00fccklich macht. Und so arrangiert sie eine Situation, in der es gezwungenerma\u00dfen zur Eskalation kommen muss, indem sie Marjorie einen Urlaub am Meer erm\u00f6glicht, mit ihr, den Kindern und dem “auffallend gutaussehenden<\/em>” George Ely, Rechnungspr\u00fcfer im Unternehmen des mordl\u00fcstigen Ehemannes.<\/p>\n

Forester beweist mit diesem Roman, dass er es bravour\u00f6s versteht, seine Leser zu fesseln und die Spannung bis zur letzten Seite aufrechtzuerhalten. Psychologisch hervorragend konstruiert, zeigt er sich als durchaus niveauvoller Unterhalter. Hier geht es nicht um massenweise Schockeffekte, hier geht es um menschliche Verflechtungen und Verfehlungen, um Niedertracht und auch am Rande um die Zeit, die, so scheint es fast, kaum eine andere Entscheidung zul\u00e4sst. Wer fl\u00fcssig und spannend geschriebene, intelligente Krimis mag, dem sei dieses Fundst\u00fcck w\u00e4rmstens ans Herz gelegt – gewisserma\u00dfen als Kontrastprogramm zur heutigen Sensationsl\u00fcsternheit in Krimi und Thriller.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Cecil Scott Forester (1899-1966, eigentlich Cecil Lewis Troughton Smith) war ein englischer Schriftsteller und Journalist. Er brach ein Medizinstudium ab, um sich dem Schreiben zu widmen und wurde durch seine Romane rund um den Seefahrer Horatio Hornblower und dessen Karriere zu Zeiten der Napoleonischen Kriege bekannt. Seit 1932 schrieb er auch hin und wieder Drehb\u00fccher f\u00fcr Hollywood. T\u00f6dliche Ohnmacht, 1935 verfasst, schlummerte jahrelang von der \u00d6ffentlichkeit unbemerkt im Dunkel, 2011 erschien er erstmals in England, bei uns nun im dtv Verlag in der \u00dcbersetzung von Britta M\u00fcmmler. Nicht selten in Kunst und Kultur sind M\u00fctter und die jeweilig spezielle Beziehung zu ihnen steter Quell von eskalierender Gewalt und haarstr\u00e4ubenden Katastrophen. Man denke nur an Norman Bates und seine wahnhafte Besessenheit noch \u00fcber den Tod seiner Mutter hinaus oder, ganz klassisch, an \u00d6dipus und seine Vereinigung wider besseren Wissens. Ein bisschen so h\u00e4lt es auch C.S. Forester, wenngleich der springende Punkt hier auch nicht die Beziehung des Kindes zur Mutter, sondern der Mutter zum Kind ist. Die unsinnige Freude, die der Mensch in der Jagd findet, …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":3256,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[1],"tags":[851,977,1042,1303,1392],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2013\/07\/forester2.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3255"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=3255"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3255\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/3256"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=3255"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=3255"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=3255"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}