{"id":2984,"date":"2013-06-24T15:19:50","date_gmt":"2013-06-24T15:19:50","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=2984"},"modified":"2013-06-24T15:19:50","modified_gmt":"2013-06-24T15:19:50","slug":"mairowitz-montellier-der-process","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2013\/06\/mairowitz-montellier-der-process\/","title":{"rendered":"Mairowitz & Montellier – Der Process"},"content":{"rendered":"

\"Mairowitz-Montellier+Der-Process-nach-Franz-Kafka-Comic-Graphic-Novel\"<\/a><\/p>\n

Chantal Montellier<\/a> ist eine franz\u00f6sische Autorin und Comiczeichnerin. Sie studierte an der Ecole des Beaux-Arts in St.Etienne und arbeitete als Lehrerin f\u00fcr Bildende Kunst. Montellier engagiert sich politisch.<\/p>\n

David Zane Mairowitz<\/a> ist ein amerikanischer Schriftsteller. Er studierte Englische Literaturgeschichte, Philosophie und Theaterwissenschaft. Neben seinen journalistischen Arbeiten hat er auch Theaterst\u00fccke, Kurzgeschichten und H\u00f6rspiele verfasst. Seit 1966 lebt Mairowitz in Europa, in Avignon und Berlin.<\/p>\n

\u00dcbersetzt wurde der dieser Adaption zugrunde liegende Text von Anja Kootz, erschienen ist er im Knesebeck Verlag.<\/a><\/p>\n

Man k\u00f6nnte fast meinen, wir erlebten dieser Tage sowas wie ein Kafka-Revival. Die Ver\u00f6ffentlichen h\u00e4ufen sich, das Interesse an seinem Schaffen ist bis heute ungebrochen, wenn es auch die Leserschaft spaltet. Anders als es Mairowitz gemeinsam mit Robert Crumb getan hat, wird hier nun mit Montellier ein bestimmtes Werk Kafkas in den k\u00fcnstlerischen Fokus ger\u00fcckt. Es ist, neben der Verwandlung, vermutlich das bekannteste des tschechisch-deutschen Schriftstellers. Der Prozess<\/em>.<\/p>\n

Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne, dass er etwas B\u00f6ses getan hatte, wurde er eines Morgens verhaftet<\/em>. So beginnt Kafkas posthum ver\u00f6ffentlichter Roman rund um den Prokuristen Josef K., der sich unversehens in den F\u00e4ngen einer justiziellen Maschinerie wiederfindet, die er unm\u00f6glich \u00fcberblicken kann. Eines Tages stehen diese beiden W\u00e4chter in seinem Zimmer und verk\u00fcnden seine Verhaftung. Was er getan habe und wann ihm der Prozess gemacht w\u00fcrde, k\u00f6nnten sie nicht sagen.<\/p>\n

\"process2\"<\/a>Zwar wird er in ein heruntergekommenes Viertel gebeten, um dort befragt zu werden, doch die hierarchischen Strukturen dieses gerichtlichen Schreckgespenstes durchdringt er nicht. Nie gelangt er zu denen, die wirklich verantwortlich f\u00fcr seine Verhaftung sind und dementsprechend auch seinen Freispruch bewirken k\u00f6nnten. Er wirft sich in die Arme zahlreicher Frauen, sucht in ihnen gleicherma\u00dfen Schutz wie sie ihn absto\u00dfen. Es ist kein Geheimnis, dass Kafka sein Leben lang ein sehr ambivalentes Verh\u00e4ltnis zu Frauen hatte, im Prozess spiegelt sich das besonders deutlich.<\/p>\n

Ist der Roman als solcher schon d\u00fcster genug, schafft Montellier durch ihre stark kontrastierten und teils beinahe holzschnittartigen Illustrationen eine Atmosph\u00e4re, die zwischenzeitlich so symbol\u00fcberladen ist, dass man sich unweigerlich an einen schlechten Traum erinnert f\u00fchlt. Viele detaillierte Zeichnungen von K\u00f6rperteilen, von Augen und H\u00e4nden lassen viele Szenen gehetzt wirken, fast wie im Delirium. Es gelingt, das Holzschnittartige von Kafkas Figuren, die dem Leser immer auf eine eigent\u00fcmliche Art fremd bleiben, in Bilder umzusetzen.<\/p>\n

\"process\"<\/a>Durch viele Bilder geistern der Tod und eine Menge Uhren. Josef K.s Zeit l\u00e4uft ab, von Seite zu Seite. Die \u00fcberdeutlich ausgestalteten Ausrufezeichen und Fragezeichen in den Panels lassen das Ganze ein bisschen an Kraft verlieren, ein bisschen ins Cartooneske driften, das nicht so ganz zu der alptraumhaften und surrealen Stimmung der restlichen Zeichnungen passen mag. Es ist nat\u00fcrlich kein Zufall, dass Protagonist Josef K. wie Kafka aussieht, der biographische und emotionale Anteil an seinen Werken ist unleugbar, un\u00fcbersehbar. Keine Erz\u00e4hlung l\u00e4sst sich tats\u00e4chlich von ihm und seinem Empfinden entkoppeln, oft schrieb Kafka nachts wie ein Besessener.<\/p>\n

Montelliers und Mairowitz’ Adaption von Kafkas Werk ist gelungen, wenn sie stilistisch bisweilen auch etwas gew\u00f6hnungsbed\u00fcrftig daherkommt. Das Tempo ist rasant und nach Beendigung der Lekt\u00fcre f\u00fchlt man sich wie nach einer hektischen Irrfahrt, einer kurzen wahnhaften Episode, die so schnell endet wie sie begonnen hat. F\u00fcr treue Anh\u00e4nger und Kafkainteressierte ist es zweifellos einen Blick wert und immer wieder in positiver Weise \u00fcberraschend, wenn Kafkas sprachlicher Stil seine zeichnerische Entsprechung findet.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Chantal Montellier ist eine franz\u00f6sische Autorin und Comiczeichnerin. Sie studierte an der Ecole des Beaux-Arts in St.Etienne und arbeitete als Lehrerin f\u00fcr Bildende Kunst. Montellier engagiert sich politisch. David Zane Mairowitz ist ein amerikanischer Schriftsteller. Er studierte Englische Literaturgeschichte, Philosophie und Theaterwissenschaft. Neben seinen journalistischen Arbeiten hat er auch Theaterst\u00fccke, Kurzgeschichten und H\u00f6rspiele verfasst. Seit 1966 lebt Mairowitz in Europa, in Avignon und Berlin. \u00dcbersetzt wurde der dieser Adaption zugrunde liegende Text von Anja Kootz, erschienen ist er im Knesebeck Verlag. Man k\u00f6nnte fast meinen, wir erlebten dieser Tage sowas wie ein Kafka-Revival. Die Ver\u00f6ffentlichen h\u00e4ufen sich, das Interesse an seinem Schaffen ist bis heute ungebrochen, wenn es auch die Leserschaft spaltet. Anders als es Mairowitz gemeinsam mit Robert Crumb getan hat, wird hier nun mit Montellier ein bestimmtes Werk Kafkas in den k\u00fcnstlerischen Fokus ger\u00fcckt. Es ist, neben der Verwandlung, vermutlich das bekannteste des tschechisch-deutschen Schriftstellers. Der Prozess. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne, dass er etwas B\u00f6ses getan hatte, wurde er eines Morgens verhaftet. So beginnt Kafkas posthum ver\u00f6ffentlichter Roman rund …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":2985,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[830],"tags":[858,992,1017,1102,1252,1315,1364],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2013\/06\/mairowitz-montellierder-process-nach-franz-kafka-comic-graphic-novel.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2984"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=2984"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2984\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/2985"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=2984"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=2984"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=2984"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}