{"id":2777,"date":"2013-05-31T20:06:36","date_gmt":"2013-05-31T20:06:36","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=2777"},"modified":"2014-07-19T19:50:53","modified_gmt":"2014-07-19T17:50:53","slug":"deborah-levy-heim-schwimmen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2013\/05\/deborah-levy-heim-schwimmen\/","title":{"rendered":"Deborah Levy – Heim schwimmen"},"content":{"rendered":"

Deborah Levy<\/a>\u00a0 ist eine britische Schriftstellerin. Bis 1981 besuchte sie das Dartington College of Arts, dann begann sie Theaterst\u00fccke sowie Beitr\u00e4ge f\u00fcr Radio und Fernsehen zu verfassen, die gro\u00dfen Anklang fanden. 1986 ver\u00f6ffentlichte sie mit Beautiful Mutants<\/em> ihren ersten Roman. Heim schwimmen landete 2011 auf der Shortlist des Booker Prizes. Im Fr\u00fcher dieses Jahres ist es, von Richard Barth ins Deutsche \u00fcbersetzt, auch im Wagenbach Verlag<\/a> erschienen.<\/p>\n

Dichter und Schriftsteller Joe Jacobs, seine Frau Isabel, deren pubertierende Tochter Nina und ein befreundetes Ehepaar fahren in ein Ferienhaus nach Frankreich. Joe und seine Frau haben sich schon lange nichts mehr zu sagen. Isabel ist Kriegsreporterin und dementsprechend h\u00e4ufig \u00fcberall in der Welt, nur nicht zuhause. Ihre Tochter hat sich an ein Leben ohne ihre Mutter gew\u00f6hnt, zwischen ihnen herrscht k\u00fchle Distanz. Die Freunde Mitchell und Laura sind mitgefahren, um ihrem ganz eigenen existentiellen Desaster zu entgehen. Mitchell ist hoch verschuldet und die beiden werden ihren Laden f\u00fcr au\u00dfergew\u00f6hnliche und kostspielige Souvenirs aus Afrika und Umgebung bald schlie\u00dfen m\u00fcssen. Es ist kein Urlaub, wie man ihn sich w\u00fcnscht, eher ein Alibi-Ausflug, um \u00fcber all die Risse hinwegzut\u00e4uschen, die sich durch die Leben der Protagonisten arbeiten. Kitty Finch ist so ein Riss.<\/p>\n

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Der Swimmingpool im Garten der Ferienvilla glich weniger einem dieser tristen blauen Pools, wie man sie aus Urlaubsprospekten kennt, als einem Teich. Einem Teich in Form eines Rechtecks, den eine italienische Steinmetzfamilie aus Antibes aus dem Stein gehauen hatte. Der K\u00f6rper trieb am tiefen Ende, wo das Wasser im Schatten einer Reihe von Pinien k\u00fchl blieb.<\/p>\n<\/blockquote>\n

Splitterfasernackt treibt die rotgelockte Sch\u00f6nheit im Pool, in dem immer wieder zappelnde Insekten verenden. Sie sei Botanikerin, sagt sie und ihre gr\u00fcn lackierten Fingern\u00e4gel bilden einen interessanten Kontrast zum r\u00f6tlichen Haar. Ein bisschen extravagant ist sie, seltsam. Sie stottert. Irgendetwas m\u00fcsse mit der Zimmerbelegung schiefgelaufen sein. J\u00fcrgen, der Hausmeister, k\u00f6nne das sicher aufkl\u00e4ren, sie warte nur noch auf ein freies Hotelzimmer. Da es keine freien Hotelzimmer im Ort mehr gibt, bietet Isabel Kitty an, zu bleiben und l\u00e4utet damit die letzte Runde im Kampf gegen unliebsame Wahrheiten ein.<\/p>\n

Eigentlich ist Kitty nur gekommen, weil sie Joe bewundert. Sie hat ihr Gedicht mitgebracht, Heim schwimmen<\/em> hei\u00dft es, ob er es nicht einmal lesen und ihr sagen k\u00f6nne, ob sie Potential habe. Kitty ist \u00fcberzeugt, dass zwischen ihr und dem “Dichterarsch”, wie Mitchell ihn nennt, eine gedankliche Verbindung besteht, die tiefer reicht und intensiver ist als alles andere in ihrem Leben. In gespannter Erwartung freundet Kitty sich mit Nina an, Joe jedoch z\u00f6gert das Lesen des Gedichts heraus und verdr\u00e4ngt es sogleich nach der Lekt\u00fcre. Es schreckt Geister der Vergangenheit auf.<\/p>\n

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\u00dcber seine eigene Kindheit oder seine Freundinnen sprachen sie nie ein Wort. Es war weniger eine unausgesprochene, geheime Vereinbarung, eher wie ein klitzekleiner Glassplitter in ihrer Fu\u00dfsohle, immer da, ein wenig schmerzhaft, aber sie konnte damit leben.<\/p>\n<\/blockquote>\n

Kitty Finch ist Joes pers\u00f6nliche Verf\u00fchrung. Nicht nur bringt sie ihn dazu, zum wiederholten Male seine Frau zu betr\u00fcgen, sie bringt ihn auch dazu, eine ganz andere folgenschwere Entscheidung zu treffen. Durch Deborah Levys dichten Roman weht ein Hauch \u00dcbersinnlichkeit. Kitty Finch, die geheimnisvolle Frau mit der lockeren Schraube, fungiert als Mahnmal, sie bohrt in den Rissen des Wohlf\u00fchlurlaubs und eines Lebens voll gut geh\u00fcteter Geheimnisse und eisigen Schweigens. Trotz seiner K\u00fcrze ist Heim schwimmen <\/em>ein Roman mit Nachwirkungen. Viele Fragen l\u00e4sst er unbeantwortet, viele Gef\u00fchle in der Schwebe. Man klappt ihn zu mit dem Gef\u00fchl der Betroffenheit, der Verwirrung. Gern h\u00e4tte er noch einige Seiten l\u00e4nger sein, die einzelnen Figuren noch deutlicher beleuchten k\u00f6nnen. Aber vielleicht ist er in seiner Momentaufnahme auch am wirksamsten und eindrucksvollsten. In jedem Falle ein Roman, der sich aufgrund seiner intensiven und nahezu beklemmenden Atmosph\u00e4re zu lesen lohnt und die Frage aufwirft, ob nicht f\u00fcr uns alle irgendwann eine Kitty Finch kommt, die, ein bisschen unbedarft und ein bisschen boshaft, in unseren Wunden bohrt.<\/p>\n

Eine weitere interessante Besprechung zu Deborah Levy findet ihr auf Buzzaldrins B\u00fccher<\/a>.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Deborah Levy\u00a0 ist eine britische Schriftstellerin. Bis 1981 besuchte sie das Dartington College of Arts, dann begann sie Theaterst\u00fccke sowie Beitr\u00e4ge f\u00fcr Radio und Fernsehen zu verfassen, die gro\u00dfen Anklang fanden. 1986 ver\u00f6ffentlichte sie mit Beautiful Mutants ihren ersten Roman. Heim schwimmen landete 2011 auf der Shortlist des Booker Prizes. Im Fr\u00fcher dieses Jahres ist es, von Richard Barth ins Deutsche \u00fcbersetzt, auch im Wagenbach Verlag erschienen. Dichter und Schriftsteller Joe Jacobs, seine Frau Isabel, deren pubertierende Tochter Nina und ein befreundetes Ehepaar fahren in ein Ferienhaus nach Frankreich. Joe und seine Frau haben sich schon lange nichts mehr zu sagen. Isabel ist Kriegsreporterin und dementsprechend h\u00e4ufig \u00fcberall in der Welt, nur nicht zuhause. Ihre Tochter hat sich an ein Leben ohne ihre Mutter gew\u00f6hnt, zwischen ihnen herrscht k\u00fchle Distanz. Die Freunde Mitchell und Laura sind mitgefahren, um ihrem ganz eigenen existentiellen Desaster zu entgehen. Mitchell ist hoch verschuldet und die beiden werden ihren Laden f\u00fcr au\u00dfergew\u00f6hnliche und kostspielige Souvenirs aus Afrika und Umgebung bald schlie\u00dfen m\u00fcssen. Es ist kein Urlaub, wie man ihn sich …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":2778,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[839],"tags":[951,1012,1013,1079,1296,1598],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2013\/05\/heimschwimmen-e1405792247960.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2777"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=2777"}],"version-history":[{"count":2,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2777\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":6146,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2777\/revisions\/6146"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/2778"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=2777"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=2777"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=2777"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}