{"id":12828,"date":"2020-02-27T17:00:00","date_gmt":"2020-02-27T15:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/literatourismus.net\/?p=12828"},"modified":"2020-02-27T17:59:02","modified_gmt":"2020-02-27T15:59:02","slug":"klassikerlesen-mit-cornelsen-kurzgeschichten","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2020\/02\/klassikerlesen-mit-cornelsen-kurzgeschichten\/","title":{"rendered":"#klassikerlesen mit Cornelsen: Kurzgeschichten"},"content":{"rendered":"

Auf Instagram<\/a> habe ich es schon angek\u00fcndigt: Ich m\u00f6chte mich in diesem Jahr, in Kooperation mit dem Cornelsen-Verlag<\/em>, mit ausgew\u00e4hlten Klassikern besch\u00e4ftigen. Sowohl mit solchen, die ich in der Schule gelesen habe als auch mit solchen, die ich l\u00e4ngst h\u00e4tte lesen wollen und sollen. Hat sich mein Blick auf die Lekt\u00fcre ver\u00e4ndert, wenn es eine neuerliche Lekt\u00fcre ist? Sehe ich jetzt etwas am Text, das ich fr\u00fcher nicht gesehen habe? Weshalb ist es noch immer lohnenswert, diesen oder jenen Text zu lesen? Ich beginne diese #klassikerlesen-Reihe mit einem Kurzgeschichten-Sammelband, der sowohl moderne Klassiker wie Siegfried Lenz, Wolfgang Borchert und Ilse Aichinger enth\u00e4lt als auch zeitgen\u00f6ssische Autor*innen wie Sa\u0161a Stani\u0161i\u0107, Lucy Fricke oder Zo\u00eb Jenny.<\/p>\n

Kurzgeschichten sind ein zu h\u00e4ufig stiefm\u00fctterlich behandeltes Genre. \u00dcberhaupt Erz\u00e4hlungen. Warum eigentlich? Manche haben lieber eine ausf\u00fchrlicher dargebotene Story, andere m\u00f6gen die Leerstellen nicht, die eine Kurzgeschichte zwangsl\u00e4ufig durch ihren Fokus auf wenige Personen und zentrale Konflikte hinterl\u00e4sst. Kurzgeschichten und Erz\u00e4hlungen im Buchhandel zu verkaufen, ist immer irgendwie knifflig. Verstanden habe ich das noch nie. Ich pers\u00f6nlich sch\u00e4tze es, wenn eine Geschichte nicht alles auserz\u00e4hlt, was es zu erz\u00e4hlen gibt. Wenn sie Spielraum l\u00e4sst und Luft zum Atmen. Wenn sie etwas erz\u00e4hlt auch mit eben den Abs\u00e4tzen, in denen sie nur lose andeutet. Nicht zuletzt liefert ein Kurzgeschichtenband diverse Eing\u00e4nge in ganz unterschiedliche Szenarien statt nur eine einzige Geschichte. Viel mehr Gr\u00fcnde also, Kurzgeschichten und Erz\u00e4hlungen zu m\u00f6gen statt es nicht zu tun.<\/p>\n

Kurzgeschichten sind in ihrer konkreten Gestaltung so divers und vielseitig, dass es kaum ausreicht, eine einzige zu lesen, um sich ein Bild zu machen. Cornelsen tr\u00e4gt diesem Umstand in seiner Anthologie Rechnung, indem die ausgew\u00e4hlten Kurzgeschichten nicht nur eine recht gro\u00dfe Zeitspanne ihres Erscheinens abdecken (von 1948 bis 2018), sondern auch ganz unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen lassen. Grob gibt es vier \u00fcbergeordnete Themen, die auch heute literarisch und gesellschaftlich relevant sind: Familie, Identit\u00e4ten, Alltag und Paarbeziehungen. Dazu d\u00fcrfte wirklich jedem etwas einfallen. Die Erz\u00e4hlungen reichen von unmittelbaren Verheerungen nach dem zweiten Weltkrieg (Luise Rinser, Wolfgang Borchert) \u00fcber Antisemitismus und Rassismus (Elisabeth Langg\u00e4sser, Mahmood Falaki), deutsche Geschichte (Julia Franck), Transgender und Geschlechtsidentit\u00e4t (Florian Wacker, Yoko Tawada) bis zu schwarzem Humor (Roald Dahl). Schwierig, darin nichts zu finden, das Resonanz erzeugt oder zum Diskutieren anregt.<\/p>\n

\"\"<\/a><\/p>\n

Besonders \u201eMuffe\u201c von Florian Wacker und \u2013 ein Klassiker – \u201eDie Lammkeule\u201c von Roald Dahl haben mir gefallen, so unterschiedlich die beiden Geschichten auch sind. Florian Wacker erz\u00e4hlt von Gewalt gegen trans Menschen, Roald Dahl hingegen hintersinnig von einem Mord und der anschlie\u00dfenden Vertilgung der Mordwaffe. Julia Francks \u201eDer Hausfreund\u201c w\u00e4hlt mit der kindlichen Perspektive einen Ansatz, der die Mitarbeit der Leser*innen fordert. Sie wissen mehr als die Erz\u00e4hlerin, deren Mutter mit ihr, ihrer Schwester und \u201edem Hausfreund\u201c aus der DDR fliehen.<\/p>\n

Wenn ich selbst an Kurzgeschichten in der Schulzeit denke, f\u00e4llt mir wenig dazu ein. Wir haben sicher dar\u00fcber gesprochen, insbesondere \u00fcber Kafkas abstrakte Schreckensszenarien, f\u00fcr die ich damals schon ein Faible hatte. Wahrscheinlich haben wir auch Borchert gelesen. Gut m\u00f6glich, dass wir kaum eine Erz\u00e4hlung einer Autorin gelesen haben, geschweige denn Kurzgeschichten migrantischer Stimmen. Nicht, weil es sie nicht gegeben h\u00e4tte, sondern weil Kurzgeschichten gerne an den Autoren exemplifiziert werden, die sowieso schon immer als klassische Vertreter des Genres galten. Gut, dass das aufbricht. Gut, dass wir sehen k\u00f6nnen, wie viele verschiedene Perspektiven, Stile und Herangehensweisen an dieses wahnsinnig offene und (literaturhistorisch betrachtet) junge Genre der \u201eKurzgeschichte\u201c existieren. Die Anthologie von Cornelsen tr\u00e4gt dazu bei, den Blick zu weiten. Diese Anthologie ist Teil der Literathek<\/a>: dort erscheinen zahlreiche Klassiker mit Anmerkungen und Glossar sowie wissenswerten Hintergr\u00fcnden zu Werk und\/oder Genre.<\/p>\n

Also: Lest mehr Kurzgeschichten! Oder noch verwegener: Schreibt mal selbst eine.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Auf Instagram habe ich es schon angek\u00fcndigt: Ich m\u00f6chte mich in diesem Jahr, in Kooperation mit dem Cornelsen-Verlag, mit ausgew\u00e4hlten Klassikern besch\u00e4ftigen. Sowohl mit solchen, die ich in der Schule gelesen habe als auch mit solchen, die ich l\u00e4ngst h\u00e4tte lesen wollen und sollen. Hat sich mein Blick auf die Lekt\u00fcre ver\u00e4ndert, wenn es eine neuerliche Lekt\u00fcre ist? Sehe ich jetzt etwas am Text, das ich fr\u00fcher nicht gesehen habe? Weshalb ist es noch immer lohnenswert, diesen oder jenen Text zu lesen? Ich beginne diese #klassikerlesen-Reihe mit einem Kurzgeschichten-Sammelband, der sowohl moderne Klassiker wie Siegfried Lenz, Wolfgang Borchert und Ilse Aichinger enth\u00e4lt als auch zeitgen\u00f6ssische Autor*innen wie Sa\u0161a Stani\u0161i\u0107, Lucy Fricke oder Zo\u00eb Jenny. Kurzgeschichten sind ein zu h\u00e4ufig stiefm\u00fctterlich behandeltes Genre. \u00dcberhaupt Erz\u00e4hlungen. Warum eigentlich? Manche haben lieber eine ausf\u00fchrlicher dargebotene Story, andere m\u00f6gen die Leerstellen nicht, die eine Kurzgeschichte zwangsl\u00e4ufig durch ihren Fokus auf wenige Personen und zentrale Konflikte hinterl\u00e4sst. Kurzgeschichten und Erz\u00e4hlungen im Buchhandel zu verkaufen, ist immer irgendwie knifflig. Verstanden habe ich das noch nie. Ich pers\u00f6nlich sch\u00e4tze es, wenn eine …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":12829,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[1903,836,16],"tags":[2582,2583,834,1270],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2020\/01\/kurzgeschichten1.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/12828"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=12828"}],"version-history":[{"count":2,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/12828\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":12843,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/12828\/revisions\/12843"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/12829"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=12828"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=12828"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=12828"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}