{"id":12772,"date":"2019-09-15T12:06:20","date_gmt":"2019-09-15T10:06:20","guid":{"rendered":"https:\/\/literatourismus.net\/?p=12772"},"modified":"2019-09-15T12:07:15","modified_gmt":"2019-09-15T10:07:15","slug":"mareike-fallwickl-das-licht-ist-hier-viel-heller","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2019\/09\/mareike-fallwickl-das-licht-ist-hier-viel-heller\/","title":{"rendered":"Mareike Fallwickl – Das Licht ist hier viel heller"},"content":{"rendered":"\n

In Das Licht ist hier viel heller <\/i>erz\u00e4hlt Mareike Fallwickl von Macht und ihrem Missbrauch, von Grenzverletzungen und Selbstverliebtheit, von Sch\u00f6nheitsidealen und Rollenbildern. Es ist ein Roman, in dem zeitgen\u00f6ssische Debatten kulminieren.<\/b><\/p>\n

Maximilian Wenger ist ein ziemlich toller Hecht. Der potenteste Fisch im Teich, Bestsellerautor und Lebemann; nur vor\u00fcbergehend in einer Sinn- und Schaffenskrise. Seine letzten Romane sind gescheitert, Literaturblogger*innen haben ihn verh\u00f6hnt, das Feuilleton h\u00f6flich ignoriert. Zu allem \u00dcberfluss hat seine Frau ihn wegen seiner Aff\u00e4ren f\u00fcr einen j\u00fcngeren Fitness-Guru aus der Schweiz verlassen. Es k\u00f6nnte besser laufen, aber Wenger w\u00e4re nicht Wenger, wenn er nicht trotzdem unersch\u00fctterlich an die eigene Grandiosit\u00e4t glauben w\u00fcrde; selbst dann noch, als seine Schwester Elisabeth ihm in Tupperdosen das Essen vorbeibringt. Als er pl\u00f6tzlich Briefe von einer Frau erh\u00e4lt, die an seinen Vormieter adressiert sind, beginnt etwas ins Rollen zu geraten.<\/p>\n

In abwechselnden Kapiteln erz\u00e4hlt der Roman nicht nur von Wengers spektakul\u00e4rem Comeback auf Kosten einer Fremden, sondern auch von dessen Kindern Zoey und Spin. Die haben seit jeher von ihren Eltern nicht viel gesehen. Der Vater als gefragter Stichwortgeber der Literaturszene dauernd auf Lesereise, die Mutter unnahbar und wenig einf\u00fchlsam. Sie r\u00e4t Zoey, eine Muschel zu sein und alle Verletzlichkeit fest in sich zu verschlie\u00dfen. Zoey und Spin schw\u00f6ren sich, dass sie nicht so kaputte Menschen werden wie es ihre Eltern sind und doch passieren Dinge, die diesen Schwur auf eine harte Probe stellen.<\/p>\n

Wenger wirkt aus der Zeit gefallen einerseits: sein Frauenbild ist antiquiert, sein Verh\u00e4ltnis zur Gegenwart angespannt. Frauen sind berechnend, Frauen wollen erobert werden, manchmal zieren sie sich, aber eigentlich wollen sie ja doch. Sein Zynismus ist giftig, wird von seinem Agenten und gutbetuchten Freunden aus der Schickeria aber stets ganz nachsichtig weggel\u00e4chelt: So ist er eben der Maximilian. You can’t teach an old dog new tricks<\/i>. Niemand bremst Wenger aus, niemand stellt ihn zur Rede. Als seine Tochter es schlie\u00dflich tut, begreift er nichts. Wie Walter Nowak in Julia Wolfs Walter Nowak bleibt liegen <\/i><\/a>(ebenfalls bei der FVA erschienen), entstammt Maximilian Wenger einer anderen Zeit. Seine \u00dcberzeugungen richten sich noch an einem Koordinatensystem aus, das zunehmend in Frage gestellt wird. Von Nowak unterscheidet Wenger allerdings, dass er die Themen der Zeit f\u00fcr sich nutzen kann. Nicht etwa aus \u00dcberzeugung, sondern aus Eigeninteresse. Wo Walter Nowak hilflos ist, ist Maximilian Wenger berechnend.<\/p>\n

Fallwickls Ton ist b\u00f6sartig, sarkastisch (\u201eSebastian ist keiner, der auf innere Stimmen h\u00f6rt. In ihm ist es so stumm wie in einem Lars-von-Trier-Film.\u201c), auf den Punkt. Sie operiert mit scharfem Besteck, wenn sie etwa die Mechanismen der Buchbranche oder das Schaulaufen bei den Salzburger Festspielen seziert. Es ist ein Schauspiel, in dem die Rollen klar verteilt sind und jeder Handgriff sitzt. Es werden Eitelkeiten gepflegt, Tratsch verbreitet, bedeutungsschwangere Reden gehalten. Maximilian Wenger kennt sich aus auf diesem Parkett. Fallwickl gelingt es, nicht nur das mit dem notwendigen Witz zu demaskieren, sondern auch Zwischent\u00f6ne einzufangen. Nicht alles am Roman ist sarkastisch, darunter liegt Verletzlichkeit bei allen Protagonist*innen.<\/p>\n

Das Licht ist hier viel heller<\/i> arbeitet, so k\u00f6nnte man zun\u00e4chst meinen, pflichtschuldig viele Themen ab, die seit einigen Jahren anders und eindringlicher diskutiert werden. Sexuelle Gewalt, Machtmissbrauch, Sch\u00f6nheitsideale, die absurden Funktionsmechanismen des Internets und sozialer Medien. Man glaubt Fallwickl aber, dass sie diese Mechanismen, sowohl die des Literaturbetriebs als auch die der sozialen Medien, gut beobachtet hat: zum Buch gibt es den Hashtag #gewengert. Der Roman entwickelt auch aufgrund seiner treffsicheren Sprache schnell einen Sog; dass Wenger kein stereotypes Arschloch ist, hilft dabei. Er ist nicht nur<\/i> die Verk\u00f6rperung des vielbeschworenen \u201ealten wei\u00dfen Mannes\u201c, auch wenn er vieles mit ihm gemein hat. Fallwickls Buch ist lebendig geworden und schmerzhaft.<\/p>\n

Mareike Fallwickl: Das Licht ist hier viel heller<\/a>. Frankfurter Verlagsanstalt. 384 Seiten. 24,00 \u20ac.<\/span><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

In Das Licht ist hier viel heller erz\u00e4hlt Mareike Fallwickl von Macht und ihrem Missbrauch, von Grenzverletzungen und Selbstverliebtheit, von Sch\u00f6nheitsidealen und Rollenbildern. Es ist ein Roman, in dem zeitgen\u00f6ssische Debatten kulminieren. Maximilian Wenger ist ein ziemlich toller Hecht. Der potenteste Fisch im Teich, Bestsellerautor und Lebemann; nur vor\u00fcbergehend in einer Sinn- und Schaffenskrise. Seine letzten Romane sind gescheitert, Literaturblogger*innen haben ihn verh\u00f6hnt, das Feuilleton h\u00f6flich ignoriert. Zu allem \u00dcberfluss hat seine Frau ihn wegen seiner Aff\u00e4ren f\u00fcr einen j\u00fcngeren Fitness-Guru aus der Schweiz verlassen. Es k\u00f6nnte besser laufen, aber Wenger w\u00e4re nicht Wenger, wenn er nicht trotzdem unersch\u00fctterlich an die eigene Grandiosit\u00e4t glauben w\u00fcrde; selbst dann noch, als seine Schwester Elisabeth ihm in Tupperdosen das Essen vorbeibringt. Als er pl\u00f6tzlich Briefe von einer Frau erh\u00e4lt, die an seinen Vormieter adressiert sind, beginnt etwas ins Rollen zu geraten. In abwechselnden Kapiteln erz\u00e4hlt der Roman nicht nur von Wengers spektakul\u00e4rem Comeback auf Kosten einer Fremden, sondern auch von dessen Kindern Zoey und Spin. Die haben seit jeher von ihren Eltern nicht viel gesehen. Der Vater als …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":12773,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[16,839],"tags":[2570,2467,2464,2499],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2019\/09\/DSCN92032.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/12772"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=12772"}],"version-history":[{"count":1,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/12772\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":12774,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/12772\/revisions\/12774"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/12773"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=12772"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=12772"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=12772"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}