{"id":11934,"date":"2017-11-09T22:27:41","date_gmt":"2017-11-09T20:27:41","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=11934"},"modified":"2017-11-10T10:22:48","modified_gmt":"2017-11-10T08:22:48","slug":"kurz-und-knapp-rezensiert-im-november-2","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2017\/11\/kurz-und-knapp-rezensiert-im-november-2\/","title":{"rendered":"Kurz und knapp rezensiert im November!"},"content":{"rendered":"

Im November geht es um ein au\u00dfergew\u00f6hnliches Talent, au\u00dfergew\u00f6hnliche Taten und die R\u00fcckschau auf ein Leben.<\/strong><\/p>\n

\"\"<\/a>Die Lebensgeschichte von William James Sidis hat in diesem Herbst gleich zwei Autoren zu ihren Romanen inspiriert. Neben Morten Brask<\/a> schreibt auch der deutsche Autor Klaus C\u00e4sar Zehrer \u00fcber die \u00bbwahre Geschichte\u00ab eines Wunderkindes, das bereits im Kleinkindalter diverse Fremdsprachen beherrschte, inklusive einer selbst erfundenen, und mit elf Jahren in Harvard Vorlesungen \u00fcber h\u00f6here Mathematik hielt. William James Sidis wird ein IQ zwischen 250 und 300 nachgesagt, sein Geist ist darauf ausgelegt, komplexe Probleme zu l\u00f6sen. Sidis ist vor allem das Ergebnis eines Erziehungsexperiments, an dessen Ende, w\u00e4re es nach seinem Vater Boris Sidis<\/a> gegangen, ein Patentrezept f\u00fcr Genies gestanden h\u00e4tte. Leider entwickelt sich nicht alles wie gew\u00fcnscht. William schert aus, er f\u00e4llt in Ungnade, weil er zwar hervorragend denken, aber kaum mit anderen interagieren kann. Die Zwischent\u00f6ne menschlichen Umgangs sind ihm fremd, Humor versteht er nicht. Klaus C\u00e4sar Zehrer erz\u00e4hlt diese Geschichte breit von ihrem Beginn als Idee und Theorie bis zum bitteren Ende, mit viel Einf\u00fchlungsverm\u00f6gen, gef\u00e4llig, in fl\u00fcssigem Stil. W\u00e4re das Buch ein Wein, w\u00fcrde man es \u00bbs\u00fcffig\u00ab nennen. Es ist die Geschichte einer Unterwerfung und die Geschichte einer Befreiung, man h\u00e4tte Sidis junior Besseres gew\u00fcnscht. Trotz mancher L\u00e4ngen im letzten Drittel ein sehr lesenswerter Deb\u00fctroman!<\/p>\n

Klaus C\u00e4sar Zehrer: Das Genie. Diogenes Verlag<\/a>. 656 Seiten. 25,00 \u20ac.<\/span><\/p>\n

\"\"<\/a>Heinrich Pommerenke geh\u00f6rt zu den ber\u00fcchtigsten Verbrechern der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ende der 50er Jahre begeht er eine Reihe von Morden, Mordversuchen und diversen anderen \u00dcbergriffen. Als Pommerenke 1959 gefasst wird, ist er gerade 22 Jahre alt. In instabilen Verh\u00e4ltnissen aufgewachsen und als DDR-Fl\u00fcchtling in den Westen gelangt, wird Pommerenke fr\u00fch verhaltensauff\u00e4llig, bereits als Kind verh\u00e4lt er sich grenz\u00fcberschreitend. Der True-Crime-Roman von Nico Anfuso und Miron Zownir zeichnet nun einerseits die Geschichte des Frauenm\u00f6rders nach, erz\u00e4hlt aber auch andererseits die Entstehung dieser Kapitulation. Pommerenke<\/em> ist ein Buch \u00fcber ein im Entstehen befindliches Buch. Die Journalistin Billie hat Heinrich Pommerenke mehrfach in der Haft besucht und interviewt. Mittels seiner Aussagen und mithilfe zeitgeschichtlicher Dokumente setzt sie behutsam seine Geschichte und die Geschichte seiner Morde zu einem Narrativ zusammen, das in ihrem eigenen Leben eine au\u00dfergew\u00f6hnliche Sprengkraft entfaltet. Was zun\u00e4chst nur ein Projekt ist, beginnt seine Z\u00e4hne wie ein Raubtier in ihr Leben zu schlagen. Billie verliert den Halt und der Roman gewinnt im letzten Drittel eine rasante und haltlose Dynamik. Vormals klare Grenzen beginnen zu verschwimmen. All dieses Verschwimmen und Zerflie\u00dfen von klaren und sicheren Zuschreibungen erz\u00e4hlen Anfuso und Zownir subtil und behutsam; dass der Prozess ein schleichender ist, macht ihn nur umso be\u00e4ngstigender. Pommerenke<\/em> ist ein True-Crime-Roman, der dem konventionellen Ger\u00fcst eine beklemmende Komponente hinzuf\u00fcgt!<\/p>\n

Anfuso\/Zownir: Pommerenke. Culturbooks<\/a>. 408 Seiten. 23,00 \u20ac<\/span><\/p>\n

\"\"<\/a>Der Sommer ihres Lebens<\/em> ist die erste Zusammenarbeit zwischen Thomas von Steinaecker (\u00bbDie Verteidigung des Paradieses\u00ab) und Barbara Yelin (\u00bbIrmina<\/a>\u00ab). Zun\u00e4chst als mehrteiliger Webcomic ver\u00f6ffentlicht, erz\u00e4hlt er die Geschichte eines Lebens von seinem Ende her. Gerda ist alt, mittlerweile im Pflegeheim und beginnt angesichts der \u00bbEwigkeit\u00ab an diesem letzten Ort zur\u00fcckzublicken. Sie erinnert sich an ihre lebenslange Leidenschaft f\u00fcr Mathematik, Physik und Astronomie. Daran, dass sie als Frau mit ihrer Berufswahl der Astrophysik allein auf weiter Flur stand, an die Liebe und ihre Entscheidung, daf\u00fcr ihre Karriere zu opfern. Nun k\u00f6nnte man f\u00fcrchten, eine solche Rekapitulation habe etwas Bitteres, Verbittertes<\/em> vielleicht sogar. Das best\u00e4tigt sich nicht. Viel eher steckt der Comic voller W\u00e4rme, Hingabe, voller leiser T\u00f6ne. Die Farben sind nicht grell, sondern ged\u00e4mpft, die Zeichnungen nicht immer klar konturiert. Des\u00f6fteren flie\u00dfen Vergangenheit und Gegenwart auch zeichnerisch ineinander, reichert das Damals das Heute an. Die Liebe zur Astrophysik durchzieht den Erz\u00e4hlstrom, visuell und sprachlich. Der Sommer ihres Lebens<\/em> steckt so viel in so vergleichsweise wenig. Gro\u00dfe Lebensfragen (\u00bbBin ich zufrieden, am Ende meines Lebens?\u00ab, \u00bbHabe ich gut gelebt?\u00ab, \u00bbWas ist Gl\u00fcck?\u00ab, \u00bbBin ich bereit, zu gehen?\u00ab) in wundersch\u00f6ne (Sprach)Bilder. Und bleibt dabei doch so bescheiden, zur\u00fcckhaltend und ganz ohne Pathos. Gerdas Geschichte ist keine besondere, in ihr k\u00f6nnen sich viele spiegeln. Dieser Comic ist ein Kleinod.<\/p>\n

\"\"<\/a><\/p>\n

\"\"<\/a><\/p>\n

Thomas von Steinaecker\/Barbara Yelin: Der Sommer ihres Lebens. Reprodukt<\/a>. 80 Seiten. 20,00 \u20ac.<\/span><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Im November geht es um ein au\u00dfergew\u00f6hnliches Talent, au\u00dfergew\u00f6hnliche Taten und die R\u00fcckschau auf ein Leben. Die Lebensgeschichte von William James Sidis hat in diesem Herbst gleich zwei Autoren zu ihren Romanen inspiriert. Neben Morten Brask schreibt auch der deutsche Autor Klaus C\u00e4sar Zehrer \u00fcber die \u00bbwahre Geschichte\u00ab eines Wunderkindes, das bereits im Kleinkindalter diverse Fremdsprachen beherrschte, inklusive einer selbst erfundenen, und mit elf Jahren in Harvard Vorlesungen \u00fcber h\u00f6here Mathematik hielt. William James Sidis wird ein IQ zwischen 250 und 300 nachgesagt, sein Geist ist darauf ausgelegt, komplexe Probleme zu l\u00f6sen. Sidis ist vor allem das Ergebnis eines Erziehungsexperiments, an dessen Ende, w\u00e4re es nach seinem Vater Boris Sidis gegangen, ein Patentrezept f\u00fcr Genies gestanden h\u00e4tte. Leider entwickelt sich nicht alles wie gew\u00fcnscht. William schert aus, er f\u00e4llt in Ungnade, weil er zwar hervorragend denken, aber kaum mit anderen interagieren kann. Die Zwischent\u00f6ne menschlichen Umgangs sind ihm fremd, Humor versteht er nicht. Klaus C\u00e4sar Zehrer erz\u00e4hlt diese Geschichte breit von ihrem Beginn als Idee und Theorie bis zum bitteren Ende, mit viel Einf\u00fchlungsverm\u00f6gen, gef\u00e4llig, …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":11935,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[836,2212],"tags":[2446,2448,2449,1035,2447,1453],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2017\/11\/DSCN9298.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/11934"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=11934"}],"version-history":[{"count":7,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/11934\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":11959,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/11934\/revisions\/11959"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/11935"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=11934"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=11934"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=11934"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}