{"id":11393,"date":"2017-03-08T17:00:31","date_gmt":"2017-03-08T15:00:31","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=11393"},"modified":"2017-03-08T17:12:01","modified_gmt":"2017-03-08T15:12:01","slug":"frauenromane-oder-eine-konstruktion","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2017\/03\/frauenromane-oder-eine-konstruktion\/","title":{"rendered":"“Frauenromane” oder: eine Konstruktion"},"content":{"rendered":"

Heute ist #Weltfrauentag. Der Tag, an dem landauf, landab die Frauenschaft gelobt wird. An dem Versprechungen gemacht werden, Frauen “auf H\u00e4nden zu tragen” und sie “zu verw\u00f6hnen”, ihnen also kurzfristig eine besondere Behandlung zukommen zu lassen, um die sie nicht gebeten haben. Haupts\u00e4chlich, um den Rest der Zeit wieder Ruhe zu haben vor unangenehmeren Forderungen, die politische Konsequenzen und vertiefende Debatten bedeuten k\u00f6nnten. Ein Thema kommt im Dunstkreis dieses Tages immer wieder auf: sind B\u00fccher von Frauen in den privaten B\u00fccherregalen der Republik unterrepr\u00e4sentiert? Und wenn ja, warum?<\/strong><\/p>\n

Eigentlich, sagt man sich, ist es ja egal, ob B\u00fccher von M\u00e4nnern oder Frauen geschrieben werden; Hauptsache, sie sind mitrei\u00dfend, klug und lesenswert. Im Mittelpunkt steht immer die Geschichte, nicht das Geschlecht des Autors oder der Autorin. Das ist ein legitimer Standpunkt, dem ich nicht widersprechen w\u00fcrde. Als ich heute Morgen jedoch mein B\u00fccherregal nach Autorinnen durchsucht habe, die ich anl\u00e4sslich des Weltfrauentags empfehlen k\u00f6nnte, stellte ich wieder ein deutliches \u00dcbergewicht hin zur m\u00e4nnlichen Autorenschaft fest. Nicht, dass ich das bewusst so ausgew\u00e4hlt h\u00e4tte, \u00fcber die Jahre hat es sich so ergeben. Und ich erlebe immer wieder, dass es bei anderen \u00e4hnlich ist. Und nicht nur in heimischen B\u00fccherregalen ist das zu beobachten, auch bei Literaturpreisen, Longlists, Shortlists und \u00e4hnlichen \u00f6ffentlichen Hervorhebungen empfehlenswerter Literatur herrscht oft ein M\u00e4nner-\u00dcbergewicht. Woran liegt das? Spoiler: h\u00f6chstwahrscheinlich nicht daran, dass Frauen schlechter schrieben. M\u00f6glicherweise aber daran, dass die Literatur von Frauen mit anderen Attributen belegt wird. Man denke blo\u00df an den klassischen “Frauenroman”, der in der Regel schnulzig, gef\u00fchlig, unterkomplex und so gehaltvoll ist wie eine Packung Chips. Was f\u00fcr’s Herz eben und nichts f\u00fcr’s Hirn. In einer Onlinediskussion \u00fcber die Geschlechterverteilung im B\u00fccherregal wurde als Grund f\u00fcr das verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Desinteresse gegen\u00fcber B\u00fcchern von Autorinnen angegeben, dass sie \u00fcberwiegend B\u00fccher schrieben, die nicht so interessant seien. Da hie\u00df es dann: “Ich arbeite in einem Buchshop und die meisten B\u00fccher von Frauen sind eben gr\u00f6\u00dftenteils Liebesromane oder lustige Romane. Die mag ich nicht. Sicher gibt es Ausnahmen, aber nur wenige<\/em><\/span><\/span>“.<\/p>\n

Diese Wahrnehmung d\u00fcrfte eher die Regel als die Ausnahme darstellen – und da liegt bereits der Hase im Pfeffer. Es gibt eine vorgefertigte und vielfach verinnerlichte Erwartung, die an “Frauenromane” oder “Literatur von Frauen” – die Unterschiede scheinen hier zu verschwimmen – herangetragen wird. Das l\u00e4sst sich auch in unterschiedlichen Ma\u00dfst\u00e4ben erkennen, die inhaltlich angelegt werden. Schreiben M\u00e4nner \u00fcber sich selbst und ihre Erfahrungen, wird das \u00fcberwiegend als positiv, wahrhaftig und beispielhaft f\u00fcr das Menschsein ganz generell gesehen. Schreibt eine Frau \u00fcber sich selbst, ist sie ich-bezogen, schwatzhaft, schlimmstenfalls “frech” oder “unbequem”, wenn es sich um Themen handelt, die ungern in der \u00d6ffentlichkeit verhandelt werden. Was macht nun aber das Bild von weiblicher Literatur mit unserer Wahrnehmung? Sehr wahrscheinlich ver\u00e4ndert es, ohne dass wir uns bewusst daf\u00fcr entschieden, was \u00fcberhaupt auf unseren Radar gelangt und was nicht. Nicht selten tragen auch stereotype Coverentscheidungen (Blumen, Sonnenunterg\u00e4nge, Silhouetten!) von Verlagen dazu bei, einen Roman in unn\u00f6tiger Auspr\u00e4gung als “kitschig” zu labeln, der vielleicht von Liebe handelt. M\u00e4nner schreiben schlie\u00dflich niemals \u00fcber Liebe. Und wenn sie es tun, ist es ganz sicher niemals kitschig! Niemals!<\/p>\n

Fraglos gibt es Frauen, die kitschige B\u00fccher schreiben. Das steht aber sehr wahrscheinlich nicht in genuinem Zusammenhang mit ihren Frausein. Sie schreiben eben einfach kitschige B\u00fccher wie auch M\u00e4nner kitschige oder klischee\u00fcberladene B\u00fccher (#insertgreetingstonicholassparkshere<\/em>) schreiben. Nicht zuletzt w\u00e4re auch in die Betrachtung einzubeziehen, inwiefern Erwartungen von au\u00dfen formen, wie und was geschrieben wird. Mit welcher Art von Literatur wird eine junge, h\u00fcbsche Frau mutma\u00dflich erfolgreich sein und mit welcher nicht? Es w\u00e4re zu einfach, diese Frage darauf abzuw\u00e4lzen, “wie Frauen nunmal sind und schreiben”. Quatsch ist nat\u00fcrlich, nun aufgestachelt B\u00fccher zu kaufen, blo\u00df, weil sie von Frauen geschrieben wurden. Mindestens genauso absurd, wie eine Frau einzustellen, weil sie eine Frau ist; nicht, weil sie kompetent und f\u00e4hig ist, diese Stelle auszuf\u00fcllen. Was aber m\u00f6glich ist und sicher niemandem Zacken aus den Kr\u00f6nchen bricht: bewusster auf B\u00fccher von Frauen zu achten! Die Brille der “Frauenliteratur” abzunehmen, die s\u00e4mtliche B\u00fccher von Autorinnen mit der Patina des Flatterhaften und Leichtf\u00fc\u00dfigen \u00fcberzieht. Sich und seine eigene Wahrnehmung kritisch zu hinterfragen. Neue Perspektiven und hervorragende Literatur entdecken. Es ist, auch im Literarischen, ziemlich selbstverst\u00e4ndlich, sich auf Geschichten und Perspektiven von M\u00e4nnern einzulassen; auf Geschichten und Perspektiven von Frauen hingegen lassen sich oft auch blo\u00df Frauen ein. Was mutma\u00dflich zu dem unseligen Diktum des Romans “von Frauen f\u00fcr Frauen” f\u00fchrt. Ich habe mich selbst oft genug im Buchhandel ertappt, beim Verkauf von Kinderb\u00fcchern darauf hinzuweisen, dass der Protagonist oder die Protagonistin aber m\u00e4nnlich\/weiblich sei; im jeweiligen Gegensatz zum lesenden Kind. Oft hie\u00df es dann: “Das ist ganz egal.” Diese Selbstverst\u00e4ndlichkeit der Ann\u00e4herung und Auseinandersetzung nimmt mit fortschreitendem Alter ab. Lange Rede, kurzer Sinn: der blo\u00df mit Spitzentaschent\u00fcchern angefasste “Frauenroman” (der unterbewusst oft gleichgesetzt wird mit “Literatur von Frauen”) ist, so scheint es, oft ein wahrnehmungsverengendes Konstrukt, das wir hin und wieder kritisch hinterfragen k\u00f6nnen. Was finde ich abseits dessen, was ich ohnehin erwarte und deshalb auch hervorgehoben wahrnehme? Ich m\u00f6chte das zuk\u00fcnftig mehr versuchen. Bis dahin kann man die Werke folgender gro\u00dfartiger Frauen lesen:<\/p>\n

Marjane Satrapi, Zeina Abirached, Susan Sontag, Carolin Emcke, Valeria Luiselli, Nino Haratischwili, Katharina Winkler, Kristine Bilkau, Shida Bazyar, Margarete Stokowski, Mithu Sanyal, Laurie Penny, Karen K\u00f6hler, Marion Brasch, Sylvia Plath, Virginia Woolf, Mercedes Lauenstein, Zora del Buono, Judith Schalansky, Jane Gardam, Alina Bronsky, Valerie Fritsch, Doris Knecht, Kirsten Fuchs, Annika Reich, Inger-Maria Mahlke, Julia Wolf, Ayelet Gundar-Goshen, Elif Shafak, Stephanie Bart, Zo\u00eb<\/span> Beck, Isabel Bogdan, Zadie Smith, Chimamanda Ngozie Adichie, Teresa Pr\u00e4auer … etc.pp.<\/em><\/p>\n

Foto: Stocksnap.io<\/a><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Heute ist #Weltfrauentag. Der Tag, an dem landauf, landab die Frauenschaft gelobt wird. An dem Versprechungen gemacht werden, Frauen “auf H\u00e4nden zu tragen” und sie “zu verw\u00f6hnen”, ihnen also kurzfristig eine besondere Behandlung zukommen zu lassen, um die sie nicht gebeten haben. Haupts\u00e4chlich, um den Rest der Zeit wieder Ruhe zu haben vor unangenehmeren Forderungen, die politische Konsequenzen und vertiefende Debatten bedeuten k\u00f6nnten. Ein Thema kommt im Dunstkreis dieses Tages immer wieder auf: sind B\u00fccher von Frauen in den privaten B\u00fccherregalen der Republik unterrepr\u00e4sentiert? Und wenn ja, warum? Eigentlich, sagt man sich, ist es ja egal, ob B\u00fccher von M\u00e4nnern oder Frauen geschrieben werden; Hauptsache, sie sind mitrei\u00dfend, klug und lesenswert. Im Mittelpunkt steht immer die Geschichte, nicht das Geschlecht des Autors oder der Autorin. Das ist ein legitimer Standpunkt, dem ich nicht widersprechen w\u00fcrde. Als ich heute Morgen jedoch mein B\u00fccherregal nach Autorinnen durchsucht habe, die ich anl\u00e4sslich des Weltfrauentags empfehlen k\u00f6nnte, stellte ich wieder ein deutliches \u00dcbergewicht hin zur m\u00e4nnlichen Autorenschaft fest. Nicht, dass ich das bewusst so ausgew\u00e4hlt h\u00e4tte, \u00fcber die Jahre …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":11394,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[836],"tags":[1103,2378,1296],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2017\/03\/StockSnap_98LMYZ2EKJ.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/11393"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=11393"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/11393\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":11399,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/11393\/revisions\/11399"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/11394"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=11393"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=11393"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=11393"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}