{"id":11131,"date":"2017-01-03T20:16:26","date_gmt":"2017-01-03T18:16:26","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=11131"},"modified":"2017-01-03T20:16:26","modified_gmt":"2017-01-03T18:16:26","slug":"richard-mcguire-erzaehlende-bilder","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2017\/01\/richard-mcguire-erzaehlende-bilder\/","title":{"rendered":"Richard McGuire – Erz\u00e4hlende Bilder"},"content":{"rendered":"

Bereits mit “Hier<\/a>” hat Richard McGuire bewiesen, dass er ein ungew\u00f6hnlicher, ein \u00fcberraschender und experimentierfreudiger K\u00fcnstler ist. Seit 2005 entwirft er neben Coverbildern auch Vignetten f\u00fcr The New Yorker<\/em>, der es sich charmanterweise nach wie vor erlaubt, dieser Kunstform aus fr\u00fcheren Tagen eine B\u00fchne zu bieten. Einige dieser Vignetten liegen nun in dem Band Erz\u00e4hlende Bilder<\/em> gesammelt vor.
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Die einzelne Vignette ist leicht zu \u00fcbersehen. Sie trennt gleichsam Textabschnitte und verziert das Dazwischen. Und sie unterliegt gewissen Regeln, insbesondere hinsichtlich ihrer Gr\u00f6\u00dfe. Als k\u00fcnstlerische Dekoration sollte sie den Text umspielen und umschmeicheln, nicht etwa durch zu augenf\u00e4llige Pr\u00e4senz in den Schatten stellen. Sie muss, so schreibt Luc Sante in seiner Einleitung zu McGuires Arbeiten, f\u00fcr sich selbst und allein stehen k\u00f6nnen, da oft mehrere Seiten zwischen den einzelnen Vignetten liegen. Richard McGuire hat es in den \u00fcber zehn Jahres seines Schaffens als Textdekorateur unbestritten zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Seine Bilder funktionieren sowohl ganz separat f\u00fcr sich als auch im Verbund. Sie erz\u00e4hlen Geschichten oder nehmen sich eines speziellen Motivs an, das in den aufeinanderfolgenden Vignetten durchgespielt wird. So zeigt “In der U-Bahn” die Gesichter ganz verschiedener Protagonisten, die jeweils durch spezifische Besonderheiten des U-Bahn-Umfelds – Haltestangen, Griffe am Sitz, die Gliedma\u00dfen anderer Passagiere – fragmentarisiert werden. “Im Rahmen” ist eine verspielte, ineinander verschachtelte Betrachtung; beginnend mit einem Bilderrahmen, der von einem T\u00fcrrahmen umrandet wird, der wiederum in einem Spiegel zu sehen ist, durch einen weiteren Durchgang betrachtet etc.; das Prinzip wird klar. McGuire legt Typologien vor, von Vogelk\u00e4figen, Architektur oder Kopfbedeckungen, er spielt so geschickt und m\u00fchelos mit verschiedenen Formen und Perspektiven, dass es eine Freude ist, dabei zuzusehen.<\/p>\n

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Neben diesen Formspielereien aber finden sich auch kurze Geschichten, deren zeitlicher Rahmen von einigen Monaten bis zu wenigen Minuten alles abdeckt. Ob er in “Der Flur” das anonyme Zusammenleben mehrerer Hausbewohner illustriert, deren Leben sich durch verschiedene fl\u00fcchtige Spuren im Hausflur verbildlicht (Briefe, der Pizzabote, laute Musik, die M\u00f6belpacker mit dem Sofa), bis sie sich am Ende dann doch f\u00fcr einen Augenblick begegnen oder in “Flamingoschirm” auf humorvolle Weise den Besitzerwechsel eines Regenschirms nachzeichnet; McGuires Liebe zum Detail ist immer sichtbar. Mit seinen Bildern gelingt ihm aber auch die Belebung des Unbelebten, etwa wenn eine fatale und dramatische Dreiecksgeschichte von Besteck bestritten wird oder diverse Hygieneartikel (Rasierapparat, Zahnseide, Nagelschere, Pinzette) allein aufgrund ihrer ihnen eigenen Form wie ins Gespr\u00e4ch vertieft erscheinen. McGuire liegt das Kleine, das notwendig Begrenzte. Auch auf einen Stil l\u00e4sst er sich bei seinen Zeichnungen nicht festlegen. Er experimentiert auch hier. Einige Arbeiten sind von fast piktografischer, andere abstrakt, manche realistischer.<\/p>\n

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Wer glaubte, dass mit winzigen Vignetten kein Blumentopf zu gewinnen sei, den belehrt Richard McGuire eines Besseren. Er erhebt sie zur Kunst; nicht nur als einzelne Arbeit, sondern auch als Form der eigenst\u00e4ndigen und fortlaufenden Bilderz\u00e4hlung. Insofern seien Richard McGuires Erz\u00e4hlende Bilder<\/em> jedem ans Herz gelegt, der sich f\u00fcr Visuelles und Experimentelles begeistern kann, der ungew\u00f6hnliche Perspektiven auf gew\u00f6hnliche Objekte und Gegebenheiten des t\u00e4glichen Lebens sch\u00e4tzt.<\/p>\n

Richard McGuire: Erz\u00e4hlende Bilder. Sequenzielle Zeichnungen aus dem New Yorker. Aus dem Englischen von Stephan Kleiner. Dumont Verlag<\/a>. 584 Seiten. 25 \u20ac.<\/span><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Bereits mit “Hier” hat Richard McGuire bewiesen, dass er ein ungew\u00f6hnlicher, ein \u00fcberraschender und experimentierfreudiger K\u00fcnstler ist. Seit 2005 entwirft er neben Coverbildern auch Vignetten f\u00fcr The New Yorker, der es sich charmanterweise nach wie vor erlaubt, dieser Kunstform aus fr\u00fcheren Tagen eine B\u00fchne zu bieten. Einige dieser Vignetten liegen nun in dem Band Erz\u00e4hlende Bilder gesammelt vor. Die einzelne Vignette ist leicht zu \u00fcbersehen. Sie trennt gleichsam Textabschnitte und verziert das Dazwischen. Und sie unterliegt gewissen Regeln, insbesondere hinsichtlich ihrer Gr\u00f6\u00dfe. Als k\u00fcnstlerische Dekoration sollte sie den Text umspielen und umschmeicheln, nicht etwa durch zu augenf\u00e4llige Pr\u00e4senz in den Schatten stellen. Sie muss, so schreibt Luc Sante in seiner Einleitung zu McGuires Arbeiten, f\u00fcr sich selbst und allein stehen k\u00f6nnen, da oft mehrere Seiten zwischen den einzelnen Vignetten liegen. Richard McGuire hat es in den \u00fcber zehn Jahres seines Schaffens als Textdekorateur unbestritten zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Seine Bilder funktionieren sowohl ganz separat f\u00fcr sich als auch im Verbund. Sie erz\u00e4hlen Geschichten oder nehmen sich eines speziellen Motivs an, das in den aufeinanderfolgenden …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":11132,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[830],"tags":[1046,2335,2337,2011,2336],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2016\/12\/DSCN8874.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/11131"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=11131"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/11131\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":11189,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/11131\/revisions\/11189"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/11132"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=11131"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=11131"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=11131"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}