{"id":10569,"date":"2016-06-24T17:17:31","date_gmt":"2016-06-24T15:17:31","guid":{"rendered":"http:\/\/literatourismus.net\/?p=10569"},"modified":"2016-06-25T08:19:47","modified_gmt":"2016-06-25T06:19:47","slug":"anne-goldmann-lichtschacht","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/literatourismus.net\/2016\/06\/anne-goldmann-lichtschacht\/","title":{"rendered":"Anne Goldmann – Lichtschacht"},"content":{"rendered":"

Eine junge Frau beobachtet von der Terrasse ihrer Wohnung aus auf dem Dach des gegen\u00fcberliegenden Hauses eine Dreiergruppe, die offenbar etwas feiert.\u00a0 Nach einem kurzen Moment der Unachtsamkeit stellt sie fest, dass pl\u00f6tzlich nur noch zwei auf dem Dach sitzen, eine der beiden Frauen ist verschwunden. Hat sie nur das Dach verlassen oder wurde sie wom\u00f6glich in die Tiefe gesto\u00dfen?\u00a0 Gekonnt und subtil entwickelt Anne Goldmann einen hintergr\u00fcndigen Suspense-Roman, der bis zum Schluss fesselt! <\/strong><\/p>\n

Lena, die eigentlich Milena hei\u00dft, ist gerade von Salzburg nach Wien gezogen. Sie arbeitet als Verk\u00e4uferin in einem Laden f\u00fcr s\u00fcndhaft teures Designermobiliar und lebt vor\u00fcbergehend in der Wohnung einer Freundin, die im Ausland unterwegs ist. Als sie eines Abends, schon etwas benommen von Wein und einem Joint, von ihrer Terrasse auf das Dach des gegen\u00fcberliegenden Hauses blickt, beobachtet sie dort einen Mann und zwei Frauen, die etwas zu feiern scheinen. Sie hat bisher selten jemanden auf dem Dach gesehen, eine kleine Unachtsamkeit w\u00fcrde gen\u00fcgen, um f\u00fcnf Stockwerke tief zu fallen. Wenige Sekunden sp\u00e4ter sieht Lena erneut zu den Feiernden und bemerkt, dass eine der Frauen pl\u00f6tzlich verschwunden ist. Innerhalb so kurzer Zeit kann sie kaum das Dach verlassen haben. Sie erschrickt zwar, hat jedoch weder einen Schrei noch etwas anderes Beunruhigendes geh\u00f6rt. Sie schiebt es auf den Joint, ein ver\u00e4ndertes und ihr ver\u00e4ndertes Zeitgef\u00fchl. Vermutlich bildet sie sich einfach etwas ein. Schon auf den ersten Seiten l\u00e4sst Anne Goldmann keinen Zweifel offen: Lena hat einen Mord beobachtet<\/em>.<\/p>\n

Die zuf\u00e4llige Beobachtung eines Mordes ist ein beliebtes Sujet (man denke an 16 Uhr 50 ab Paddington<\/a> oder Das Fenster zum Hof<\/a>), wenn Goldmann es auch in ihrem Roman leicht gegen\u00fcber den bekannten Vorbildern variiert. Lena ist sich aufgrund der Substanzen in ihrem Blut unsicher, was sie \u00fcberhaupt gesehen hat und ahnt angesichts dieser Zweifel nicht, in welcher Gefahr sie als Beobachterin steckt. Trotzdem f\u00e4llt es ihr schwer, das Erlebnis auf sich beruhen zu lassen. Anne Goldmann versteht es beneidenswert gut, m\u00f6gliche Verd\u00e4chtige in die Geschichte einzuf\u00fchren, die die Fragilit\u00e4t von Lenas Umfeld noch verst\u00e4rken. Sie lernt Max und Georg kennen, beste Freunde und nicht leicht in der Handhabung. Max ist offenbar ein psychisch instabiler junger Mann mit einer komplizierten Familiengeschichte, Georg ein etwas exzentrischer Schw\u00e4tzer, der auf die Wahrung seiner Privatsph\u00e4re und kleinen Geheimnisse gro\u00dfen Wert legt. Trotz allem l\u00e4sst Lena sich auf Georg ein. Sp\u00e4testens aber, als sie feststellt, dass er nicht nur der Nachbar der Verschwundenen war, sondern sie auch n\u00e4her kannte, beginnt es in ihr zu brodeln. Es folgt, was immer folgen muss in Geschichten wie diesen: ein tiefgreifender Vertrauensverlust, der mindestens f\u00fcr den Leser oder die Leserin jeden als potentiell verd\u00e4chtig erscheinen l\u00e4sst.<\/p>\n

Anne Goldmann entscheidet sich f\u00fcr zwei parallele Erz\u00e4hlstr\u00e4nge, die einander wechselseitig vorantreiben. Im einen wird Lenas Geschichte entwickelt, im anderen das Motiv und die Sicht des T\u00e4ters. Im T\u00e4ter-Strang werden keine Namen genannt, die Verantwortlichen mischen sich gleichsam maskiert in die Geschichte, heizen Spekulationen an. Beide Erz\u00e4hlebenen bewegen sich unmittelbar auf einen Fluchtpunkt zu: Lena. “Lichtschacht” ist ein \u00fcberzeugend konstruierter und ungemein spannender Kriminalroman, der von seinen Aussparungen und Unsicherheiten lebt. Wem kann man \u00fcberhaupt trauen? Was wei\u00df man eigentlich wirklich von anderen? Wom\u00f6glich doch immer nur das, was sie auch zu zeigen bereit sind? Es zeugt von Originalit\u00e4t, die Spannung in diesem Fall nicht auch noch auf die Frage aufzubauen, ob tats\u00e4chlich ein Mord geschehen ist, vielmehr geht die Spannung hier von Ungewissheit und einer heraufziehenden Gefahr aus, die im Laufe der Lekt\u00fcre mit H\u00e4nden zu greifen ist. Bis zuletzt gelingt es Goldmann doch immer wieder, das Ruder herumzurei\u00dfen und eine alternative Denkrichtung anzubieten – allein f\u00fcr diese Achterbahnfahrt ist “Lichtschacht” unbedingt lesenswert!<\/p>\n

2014 stand “Lichtschacht” auf der Krimi-Bestenliste der ZEIT<\/a>.<\/p>\n

Anne Goldmann: Lichtschacht, Ariadne Kriminalroman im Argument Verlag<\/a>, 268 Seiten, 12 \u20ac<\/span><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Eine junge Frau beobachtet von der Terrasse ihrer Wohnung aus auf dem Dach des gegen\u00fcberliegenden Hauses eine Dreiergruppe, die offenbar etwas feiert.\u00a0 Nach einem kurzen Moment der Unachtsamkeit stellt sie fest, dass pl\u00f6tzlich nur noch zwei auf dem Dach sitzen, eine der beiden Frauen ist verschwunden. Hat sie nur das Dach verlassen oder wurde sie wom\u00f6glich in die Tiefe gesto\u00dfen?\u00a0 Gekonnt und subtil entwickelt Anne Goldmann einen hintergr\u00fcndigen Suspense-Roman, der bis zum Schluss fesselt! Lena, die eigentlich Milena hei\u00dft, ist gerade von Salzburg nach Wien gezogen. Sie arbeitet als Verk\u00e4uferin in einem Laden f\u00fcr s\u00fcndhaft teures Designermobiliar und lebt vor\u00fcbergehend in der Wohnung einer Freundin, die im Ausland unterwegs ist. Als sie eines Abends, schon etwas benommen von Wein und einem Joint, von ihrer Terrasse auf das Dach des gegen\u00fcberliegenden Hauses blickt, beobachtet sie dort einen Mann und zwei Frauen, die etwas zu feiern scheinen. Sie hat bisher selten jemanden auf dem Dach gesehen, eine kleine Unachtsamkeit w\u00fcrde gen\u00fcgen, um f\u00fcnf Stockwerke tief zu fallen. Wenige Sekunden sp\u00e4ter sieht Lena erneut zu den Feiernden und …<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":10575,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[1910,16],"tags":[2242,2243,2244,2241],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-content\/uploads\/2016\/06\/DSCN85856.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/10569"}],"collection":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=10569"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/10569\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":10590,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/10569\/revisions\/10590"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media\/10575"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=10569"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=10569"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/literatourismus.net\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=10569"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}