Alle Artikel mit dem Schlagwort: ullstein

Niah Finnik – Fuchsteufelsstill

Ein bisschen verrückt ist doch eigentlich normal. Und zu viel Normalität ja auch irgendwie verrückt. Der Grad zwischen akzeptabler Andersartigkeit und behandlungsbedürftigem Problem ist oft schmal und uneindeutig. Verrücktheit ist in gewisser Weise immer auch Ausdruck der Zeit, in der sie auftritt; nicht umsonst hat sich der Umfang der fünften Auflage des Diagnostisch-Statistischen Manuals (kurz DSM-V) vervielfacht. Was früher normal war, kann heute schon verrückt sein und umgekehrt. Niah Finnik, selbst Autistin, erzählt in ihrem Debütroman von drei Menschen, deren Diagnosen sie vermeintlich klar als anders kennzeichnen: Autismus, Bipolarität, Schizophrenie. Romane vor dem Hintergrund psychischer Krankheiten begeben sich immer in die Gefahr, das Leiden zu romantisieren. Irgendwie scheint so ein Spleen einen ja besonders zu machen, feinfühliger als andere, origineller, ohne viel mehr dafür tun zu müssen als einfach zu sein. Jeder Hinz und Kunz nennt sich verrückt und crazy, manchmal nur deshalb, weil er gern im Regen tanzt und Nutella mit dem Teelöffel isst. Ganz so einfach ist es eben nicht. Über weite Strecken ist psychische Krankheit nicht cool, der Kampf um (oder wenigstens …

Daniela Krien – Muldental

Der Muldentalkreis gehört bereits seit einiger Zeit der Vergangenheit an, bis 2008 lag er im Norden von Sachsen. Benannt nach der Mulde, dem dortigen Fluss. Daniela Krien, deren Romandebüt ,Irgendwann werden wir uns alles erzählen‘ 2011 große Erfolge feierte, erzählt in ,Muldental‘ nun die Geschichten von Menschen, die zurückgelassen wurden. Menschen, die man zynisch oft Wendeverlierer nannte, Kollateralschäden der deutschen Wiedervereinigung. Es sind zehn Geschichten von außerordentlicher Wucht und Klarheit. Wer an den Mauerfall denkt, sieht vor seinem inneren Auge jubelnde Menschen, die sich in den Armen liegen. Erinnert sich an verheißungsvolle Zukunftspläne, das Gefühl der plötzlichen Freiheit, wenn man aus dem Osten kam. Nicht für alle lief der Prozess der Wiedervereinigung schmerzlos ab, manche blieben zurück in dem, was sie seit Jahrzehnten kannten und plötzlich Vergangenheit geworden war. Daniela Kriens Erzählungen legen den Finger direkt in die Wunde, mit nahezu erbarmungsloser Präzision lässt sie Figuren scheitern und sich befreien. So wie Marie, die noch in der DDR der Stasi als Informantin über die Künstlerbesuche ihres Mannes Auskunft gab. Alles sehr vage, findet auch die …