Ralf Rothmann – Im Frühling sterben
Er ist derzeit in aller Munde und Feuilletons, der Roman von Ralf Rothmann. Die Geschichte des jungen Melkers Walter, der sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mit seinem Freund Fiete mehr oder weniger unfreiwillig der SS anschließt und schließlich gezwungen ist, ihn zu erschießen, weil er desertierte, erntet frenetischen Beifall. Nicht nur, weil sie eine exemplarische Familiengeschichte der Zeit beleuchtet und einen Konflikt zwischen Pflicht und Neigung auf die Spitze treibt. Höchstwahrscheinlich auch aufgrund von Rothmanns vermeintlich empathischer Herangehensweise, die jedoch vielfach etwas kitschig und erstaunlich distanziert daherkommt. Viele von uns wissen wenig über ihre Eltern und Großeltern im Krieg. Was sie getan haben, wo sie gewesen sind, welche Schuld sie womöglich auf sich geladen haben, welche Erinnerungen sie quälen. Es wird geschwiegen aus diversen Gründen: Pietät, Angst, Scham, mangelnde Worte. Ähnlich ergeht es auch dem Erzähler der Rahmenhandlung in Rothmanns Roman, dessen Beziehung zu seinem Vater Walter immer distanziert im Vagen verbleibt. Einerseits ist der Vater zwar anwesend, andererseits hüllt er sich über persönliche Dinge, die Vergangenheit und Gefühle stets in Schweigen. Er ist …