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Gila Lustiger – Erschütterung

Etwas über drei Monate sind seit den Pariser Terroranschlägen vom November 2015 vergangen, bei denen knapp 130 Menschen starben. Einer der Attentäter, Salah Abdeslam, ist nach wie vor auf der Flucht. In ihrem Essay “Erschütterung” beleuchtet die Wahlpariserin Gila Lustiger die Ursprünge des Terrors. Was bringt im Westen sozialisierte junge Männer zu Taten wie diesen? Wo liegen politische Versäumnisse? Und kann man in Zukunft solche Katastrophen verhindern? Nach Paris war Fassungslosigkeit. Lagen tiefe Trauer und trotziger “Jetzt erst recht”-Hedonismus nahe beieinander, zeigten sich gar als zwei Seiten derselben Medaille. Auch Gila Lustiger, Autorin und seit 1987 in Paris lebend, trafen die Anschläge tief und unvermittelt. In den Tagen unmittelbar danach kann sie, wie sie schreibt, kaum Abstand von den Nachrichten gewinnen. Sie liest alles, was zu den Anschlägen und den Attentätern veröffentlicht wird, ob wackelige Spekulation oder bestätigte Tatsache. Alles in der Hoffnung, durch mehr Informationen auch zu mehr Verständnis zu gelangen. Je mehr Fakten auf dem Tisch liegen, desto mehr kann man sich überzeugend einbilden, die Lage zu überblicken und die Ungeheuerlichkeit mit kühlem …

[5 lesen 20] Ralph Dutli – Soutines letzte Fahrt

Ralph Dutli ist ein Schweizer Lyriker, Essayist, Übersetzer und Autor. Er studierte Romanistik und Russistik in Zürich und Paris und wurde zunächst als Übersetzer und Herausgeber der Werke Ossip Mandelstams, einem russischen Dichter, bekannt. Schrieb Dutli bisher eher poetologische Abhandlungen oder literatur – und kunsthistorische Essays, legt er mit ‘Soutines letzte Fahrt‘ nun seinen ersten Roman vor, der gewissermaßen verschiedene seiner Themen vor dem Hintergrund des Malers Chaim Soutine verbindet. Der Roman erschien im Wallstein Verlag und steht mit neunzehn anderen Romanen auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2013. Verglichen mit seinen Wegbegleitern Picasso, Chagall oder Modigliani ist Soutine eher ein Maler, der seine Spuren weniger nachhaltig in den Boden der Kunsthistorie geprägt hat. Kennern ist er freilich ein Begriff, sind seine Gemälde sich windender Landschaften und unproportionierter Modelle wohl bekannt. Der Laie aber dürfte mit Dutlis Roman zum ersten Mal von diesem schweigsamen, weißrussischen Maler hören, der in den späten 20ern in Paris, in der flirrenden Atmosphäre von Montparnasse tatsächlich mit seinen Bildern perspektivischer Verzerrung zu beachtlicher Berühmtheit gelangte. Als Sohn eines Flickschneiders 1893 …