Alle Artikel mit dem Schlagwort: gewalt

Adélaïde Bon – Das Mädchen auf dem Eisfeld

Adélaïde ist neun Jahre alt, als sie von einem Fremden im Treppenhaus ihres Wohnhauses missbraucht wird. Er lockt sie unter einem Vorwand zu sich und vergeht sich an dem Mädchen, das weder begreift, was im Moment selbst mit ihr geschieht noch die Chance bekommt, im unmittelbaren Anschluss an das Verbrechen dessen Tragweite zu erkennen. Es dauert über zwanzig Jahre, bis sie versteht und mit der Aufarbeitung beginnen kann. Sie hat ihn angesehen und mit dem Kopf genickt wie diese kleinen Hunde auf der Hutablage hinten im Auto. Ich bin lieb, ich bin hübsch, ich mag das, du bist mein Freund, du magst meinen dicken Po, du tust mir gut, ich bin eine Naschkatze, ich sage niemandem was davon, es ist unser Geheimnis, versprochen, ich sage niemandem was. Worte, die er ihr eingeredet hat und an die sie sich nicht erinnert, genauso wenig wie an das, was er ihr angetan hat. Das Mädchen auf dem Eisfeld Ein Tag im Mai verändert das Leben von Adélaïde grundlegend. Obwohl sie ihren Eltern davon erzählt und die Polizei eine …

Jan Drees – Sandbergs Liebe

Als die Dating-App Kristian Sandberg mit Kalina verknüpft, deutet wenig auf die Katastrophe hin, die das zufällige Aufeinandertreffen im digitalen Raum zur Folge haben wird. Rückwirkend gelesen gibt der Roman kleine Leuchtsignale: Sandbergs Zahnschmerzen sind gerade mittels provisorischer Füllung zum Schweigen gebracht worden, aus den Kopfhörern dringt das Album Borderline eines Kölner Produzentenduos. Jan Drees erzählt davon, was Menschen sich antun können im Namen von Liebe und Gemeinsamkeit und er beleuchtet die fatalen Folgen emotionaler Gewalt. Kristian ist ein mitteljunger Literaturagent auf der Suche nach einer tragfähigen, innigen Beziehung. Kalina ist Zahnärztin und, so scheint es auf den ersten Blick, eine aktive und feinfühlige Frau. Ein bisschen mystisch vielleicht, geheimnisvoll. Sie verabreden sich zum Essen, reden offen und lange. Die Anziehung, die beide füreinander empfinden, lässt sie schnell näher zusammenrücken und schon nach kurzer Zeit sagt Kalina zu Kristian: „Du darfst nie wieder gehen.“ Beide sind sie Versehrte, Bindungstraumatisierte, die im anderen etwas suchen, das sie nicht aus eigener Anschauung kennen: Geborgenheit, Akzeptanz, tiefe Verbundenheit, Liebe. Sie spielen, was es bedeutet, sich einem anderen Menschen …

Lisa O’Donnell – Bienensterben

Lisa O’Donnell ist eine amerikanische Autorin. Für ihr Drehbuch “The Wedding Gift” wurde sie mit dem Orange Screenwriting Prize ausgezeichnet. Mit Bienensterben hat sie sich, nach dem Drehbuchschreiben, das erste Mal einem Roman zugewandt, der sogleich mit dem Commonwealth Book Prize bedacht wurde. In Deutschland erschien er kürzlich in der Übersetzung von Stefanie Jacobs im DuMont Verlag. Schon die ersten Sätze von Lisa O’Donnells Debütroman lassen keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass wir es mit einer Geschichte zu tun haben, die an die Nieren gehen wird. Es ist eine Geschichte aus prekären und unwirtlichen Verhältnissen, aus einem Umfeld, das wir mehrheitlich, glücklicherweise, nicht aus eigener Erfahrung kennen. Marnie und ihre kleine Schwester Nelly haben gerade ihre Eltern begraben. Nicht konventionell auf einem Friedhof, sondern heimlich im Garten hinter dem Haus. Es tut ihnen nicht leid, denn abgesehen von der rein biologischen Verwandtschaft sind die den beiden Mädchen niemals Etern oder Stütze gewesen. Drogenabhängig und verwahrlost haben sie die Kinder meistens sich selbst überlassen, unfähig, ihr eigenes Leben zu gestalten, ganz zu schweigen von dem ihrer Töchter. …

Jonas T. Bengtsson – Wie keiner sonst

Jonas Bengtsson ist ein dänischer Autor. Für seinen ersten Roman Aminas Briefe wurde er 2005 mit dem Dänischen Debütantenpreis ausgezeichnet. 2007 folgte sein zweiter Roman Submarino, der von Thomas Vinterberg verfilmt wurde. Wie keiner sonst ist sein dritter Roman. Frank Zuber übersetzte ihn aus dem Dänischen ins Deutsche. Dieser Roman ist, da wird er seinem Namen zweifellos gerecht, in der Tat wie keiner sonst, den ich in der letzten Zeit gelesen habe. Es war mein erster Roman von Jonas Bengtsson, doch es kostet nicht viel Zeit, herauszufinden, dass Bengtsson eine Vorliebe für Geschichten vom Rande der Gesellschaft hat, Geschichten von Menschen, deren Leben aus den Fugen geraten ist, die sich längst abgewandt haben von dem, was man gemeinhin unter Normalität versteht. In seinen Romanen geht es um Gewalt, um Schmerz, um Krankheit und Sucht. Stets dreht es sich um die Suche nach Halt und Geborgenheit unter denkbar schlechtesten Bedingungen. So auch in seinem neuesten Roman Wie keiner sonst, erschienen im Kein & Aber Verlag. Wir begleiten einen siebenjährigen Jungen und seinen Vater in ein völlig …

Madison Smartt Bell – Die Farbe der Nacht

Madison Smartt Bell ist ein amerikanischer Autor. Er studierte Literaturwissenschaften und lehrte an verschiedenen Universitäten Kreatives Schreiben. Im Augenblick ist er Professor für Englische Literatur an einem College in Virginia. Er veröffentlichte schon 13 Romane, unter anderem eine Trilogie über die Haitianische Revolution. (All Souls’ Rising, Master of Crossroads & The Stone That The Builder Refused) Wie mein Herz frohlockte, als die Türme einstürzten. Was für ein Schub aus reiner Kraft, ein Bocken, Bröckeln, Aufwallen zu einem großartigen Gestirn der Zerstörung, bevor es all seine Materie auf den Boden ergoss. Jene mückenartigen Flecken, die es umwirbelten, erwiesen sich als Sterbliche, die aus den Flammen sprangen. Eingehüllt in die Leichentücher ihrer Schreie segelten sie herab. Hätte ich nur gewusst, dass der Tod so viele zunichtemachen kann! Und alles in einem funkenschnellen Augenblick. Hätte man ein ehemaliges Mitglied der Manson-Family gebeten, eine Biographie zu schreiben, – wäre sie vermutlich genau so ausgefallen. Protagonistin Mae arbeitet irgendwo in einem Spielcasino in Las Vegas, als am 11. September 2001 die Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers rasen …