Heute ist #Weltfrauentag. Der Tag, an dem landauf, landab die Frauenschaft gelobt wird. An dem Versprechungen gemacht werden, Frauen “auf Händen zu tragen” und sie “zu verwöhnen”, ihnen also kurzfristig eine besondere Behandlung zukommen zu lassen, um die sie nicht gebeten haben. Hauptsächlich, um den Rest der Zeit wieder Ruhe zu haben vor unangenehmeren Forderungen, die politische Konsequenzen und vertiefende Debatten bedeuten könnten. Ein Thema kommt im Dunstkreis dieses Tages immer wieder auf: sind Bücher von Frauen in den privaten Bücherregalen der Republik unterrepräsentiert? Und wenn ja, warum?
Eigentlich, sagt man sich, ist es ja egal, ob Bücher von Männern oder Frauen geschrieben werden; Hauptsache, sie sind mitreißend, klug und lesenswert. Im Mittelpunkt steht immer die Geschichte, nicht das Geschlecht des Autors oder der Autorin. Das ist ein legitimer Standpunkt, dem ich nicht widersprechen würde. Als ich heute Morgen jedoch mein Bücherregal nach Autorinnen durchsucht habe, die ich anlässlich des Weltfrauentags empfehlen könnte, stellte ich wieder ein deutliches Übergewicht hin zur männlichen Autorenschaft fest. Nicht, dass ich das bewusst so ausgewählt hätte, über die Jahre hat es sich so ergeben. Und ich erlebe immer wieder, dass es bei anderen ähnlich ist. Und nicht nur in heimischen Bücherregalen ist das zu beobachten, auch bei Literaturpreisen, Longlists, Shortlists und ähnlichen öffentlichen Hervorhebungen empfehlenswerter Literatur herrscht oft ein Männer-Übergewicht. Woran liegt das? Spoiler: höchstwahrscheinlich nicht daran, dass Frauen schlechter schrieben. Möglicherweise aber daran, dass die Literatur von Frauen mit anderen Attributen belegt wird. Man denke bloß an den klassischen “Frauenroman”, der in der Regel schnulzig, gefühlig, unterkomplex und so gehaltvoll ist wie eine Packung Chips. Was für’s Herz eben und nichts für’s Hirn. In einer Onlinediskussion über die Geschlechterverteilung im Bücherregal wurde als Grund für das verhältnismäßige Desinteresse gegenüber Büchern von Autorinnen angegeben, dass sie überwiegend Bücher schrieben, die nicht so interessant seien. Da hieß es dann: “Ich arbeite in einem Buchshop und die meisten Bücher von Frauen sind eben größtenteils Liebesromane oder lustige Romane. Die mag ich nicht. Sicher gibt es Ausnahmen, aber nur wenige“.
Diese Wahrnehmung dürfte eher die Regel als die Ausnahme darstellen – und da liegt bereits der Hase im Pfeffer. Es gibt eine vorgefertigte und vielfach verinnerlichte Erwartung, die an “Frauenromane” oder “Literatur von Frauen” – die Unterschiede scheinen hier zu verschwimmen – herangetragen wird. Das lässt sich auch in unterschiedlichen Maßstäben erkennen, die inhaltlich angelegt werden. Schreiben Männer über sich selbst und ihre Erfahrungen, wird das überwiegend als positiv, wahrhaftig und beispielhaft für das Menschsein ganz generell gesehen. Schreibt eine Frau über sich selbst, ist sie ich-bezogen, schwatzhaft, schlimmstenfalls “frech” oder “unbequem”, wenn es sich um Themen handelt, die ungern in der Öffentlichkeit verhandelt werden. Was macht nun aber das Bild von weiblicher Literatur mit unserer Wahrnehmung? Sehr wahrscheinlich verändert es, ohne dass wir uns bewusst dafür entschieden, was überhaupt auf unseren Radar gelangt und was nicht. Nicht selten tragen auch stereotype Coverentscheidungen (Blumen, Sonnenuntergänge, Silhouetten!) von Verlagen dazu bei, einen Roman in unnötiger Ausprägung als “kitschig” zu labeln, der vielleicht von Liebe handelt. Männer schreiben schließlich niemals über Liebe. Und wenn sie es tun, ist es ganz sicher niemals kitschig! Niemals!
Fraglos gibt es Frauen, die kitschige Bücher schreiben. Das steht aber sehr wahrscheinlich nicht in genuinem Zusammenhang mit ihren Frausein. Sie schreiben eben einfach kitschige Bücher wie auch Männer kitschige oder klischeeüberladene Bücher (#insertgreetingstonicholassparkshere) schreiben. Nicht zuletzt wäre auch in die Betrachtung einzubeziehen, inwiefern Erwartungen von außen formen, wie und was geschrieben wird. Mit welcher Art von Literatur wird eine junge, hübsche Frau mutmaßlich erfolgreich sein und mit welcher nicht? Es wäre zu einfach, diese Frage darauf abzuwälzen, “wie Frauen nunmal sind und schreiben”. Quatsch ist natürlich, nun aufgestachelt Bücher zu kaufen, bloß, weil sie von Frauen geschrieben wurden. Mindestens genauso absurd, wie eine Frau einzustellen, weil sie eine Frau ist; nicht, weil sie kompetent und fähig ist, diese Stelle auszufüllen. Was aber möglich ist und sicher niemandem Zacken aus den Krönchen bricht: bewusster auf Bücher von Frauen zu achten! Die Brille der “Frauenliteratur” abzunehmen, die sämtliche Bücher von Autorinnen mit der Patina des Flatterhaften und Leichtfüßigen überzieht. Sich und seine eigene Wahrnehmung kritisch zu hinterfragen. Neue Perspektiven und hervorragende Literatur entdecken. Es ist, auch im Literarischen, ziemlich selbstverständlich, sich auf Geschichten und Perspektiven von Männern einzulassen; auf Geschichten und Perspektiven von Frauen hingegen lassen sich oft auch bloß Frauen ein. Was mutmaßlich zu dem unseligen Diktum des Romans “von Frauen für Frauen” führt. Ich habe mich selbst oft genug im Buchhandel ertappt, beim Verkauf von Kinderbüchern darauf hinzuweisen, dass der Protagonist oder die Protagonistin aber männlich/weiblich sei; im jeweiligen Gegensatz zum lesenden Kind. Oft hieß es dann: “Das ist ganz egal.” Diese Selbstverständlichkeit der Annäherung und Auseinandersetzung nimmt mit fortschreitendem Alter ab. Lange Rede, kurzer Sinn: der bloß mit Spitzentaschentüchern angefasste “Frauenroman” (der unterbewusst oft gleichgesetzt wird mit “Literatur von Frauen”) ist, so scheint es, oft ein wahrnehmungsverengendes Konstrukt, das wir hin und wieder kritisch hinterfragen können. Was finde ich abseits dessen, was ich ohnehin erwarte und deshalb auch hervorgehoben wahrnehme? Ich möchte das zukünftig mehr versuchen. Bis dahin kann man die Werke folgender großartiger Frauen lesen:
Marjane Satrapi, Zeina Abirached, Susan Sontag, Carolin Emcke, Valeria Luiselli, Nino Haratischwili, Katharina Winkler, Kristine Bilkau, Shida Bazyar, Margarete Stokowski, Mithu Sanyal, Laurie Penny, Karen Köhler, Marion Brasch, Sylvia Plath, Virginia Woolf, Mercedes Lauenstein, Zora del Buono, Judith Schalansky, Jane Gardam, Alina Bronsky, Valerie Fritsch, Doris Knecht, Kirsten Fuchs, Annika Reich, Inger-Maria Mahlke, Julia Wolf, Ayelet Gundar-Goshen, Elif Shafak, Stephanie Bart, Zoë Beck, Isabel Bogdan, Zadie Smith, Chimamanda Ngozie Adichie, Teresa Präauer … etc.pp.
Foto: Stocksnap.io
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