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Nic Pizzolatto – Galveston

Roy Cady ist ein harter Hund. Als Handlanger eines stadtbekannten Kriminellen klärt er kleine oder auch größere Unstimmigkeiten gern mit einer locker sitzenden Faust oder Waffe. Bis sein Boss ihn eines Tages selbst aus dem Weg räumen will und er sich plötzlich mit einem jungen Mädchen auf der Flucht befindet. Es ist die Reise in die Abgründe einer Gesellschaft und die Wiederbelebung eines verglimmenden Genres.

Daniel Woodrell und Pete Dexter sind nur zwei Autoren der Gegenwart, die das Noir-Genre noch immer mit neuen Geschichten beleben. Sonst galt der Nachwuchs oft als spärlich gesät. Mit Nic Pizzolatto tritt nun jemand in den Ring, der nicht nur literarisch vielfach bereits als richtungsweisend für das Genre bezeichnet wird, sondern sich mit True Detective wohl für eine der neuen amerikanischen Serien schlechthin verantwortlich zeichnet. Und so liest sich ,Galveston’ ein wenig, wie sich eine Episode dieser Serie anfühlt. Irgendwo zwischen hofflungslos und ergreifend, zwischen heruntergekommen und gerade noch gesellschaftstauglich, zwischen Johnny Walker und Zigaretten … beginnt diese Reise in einer Welt, die bloß eine vorübergehende Plattform zwischen zwei Abgründen ist.

Der Arzt hat Bilder von meiner Lunge gemacht. Die sind voller Schneeflocken.

Roy Cady bekommt einen niederschmetternden Befund von seinem Arzt. Über Behandlungsmethoden will er gar nichts wissen, er stürmt aus der Praxis und bekommt von seinem Boss noch am selben Tag den Auftrag, mit der Hilfe eines Komplizen einen Mann aus dem Weg zu räumen, der belastendes Material gegen ihn, Stan Ptitko, in der Hand hat. Statt seinen Job zu erledigen, gerät Cady in eine Falle und kommt nur durch ein glückliches Händchen mit dem Leben davon. An seiner Hand: Ein junges Mädchen, das von zuhause geflohen und in die falschen Kreise geraten ist. Raquel, genannt “Rocky”, wird Cadys Reisebegleiterin. Und verändert diesen Mann, von dem man glaubte, rein gar nichts könne ihn berühren. Außer vielleicht eine Flasche Whiskey.

Eine Libelle umschwirrte meinen Kopf, als wollte sie mir etwas mitteilen, und die Luft der heißen Nacht war, als würde man Asche einatmen. In der Ferne konnte man die Autos vorbeirauschen hören, wusch-wusch-wusch, wie der Herzschlag eines gewaltigen Tieres, das mich verschlungen hatte.

Roy bleibt länger bei dem Mädchen als ihm lieb ist, ja, er bleibt sogar bei ihr, als sie ein kleines Mädchen aus ihrem Haus in Orange, Texas holt, die sie als ihre kleine Schwester Tiffany ausgibt. Sie fahren gemeinsam nach Galveston, Texas, sie fahren ans Meer, sie fahren weg von dem Moloch der Stadt, der beide schon zu eng umschlossen hat. Doch die Schatten dieser Welt werfen sich überall ergeben auf den hitzigen Asphalt. Das Elend unserer Gesellschaft abzubilden, den Hang zu Gewalt, Sucht und Gewissenlosigkeit, hat das Genre schon immer bravourös verstanden, da bildet Pizzolatto keine Ausnahme. Hier hat nichts Bestand und wenig ist von Wert, wer aus tiefstem Herzen an etwas glaubt, der macht sich angreifbar. Und so ist Galveston sicher kein Roman, den man zur Hand nimmt, wenn es einen nach Hoffnung und Zuspruch verlangt. Für die Freunde von Düsternis und einer mit Schlagkraft und Nachdruck verabreichten Dosis Wirklichkeit aber dürfte ,Galveston’ ein Leckerbissen sein, wie es ihn selten gibt.

Ich habe mal einen Schriftsteller gelesen, der meinte, Geschichten würden uns retten, aber das ist natürlich Blödsinn.

Soundtracks biete ich ja selten bei Besprechungen. In diesem Fall bietet er sich an, der Theme Song aus True Detective.

Nic Pizzolatto: Galveston, aus dem Amerikanischen von Simone Salitter & Gunter Blank, Metrolit Verlag, 253 Seiten, 9783849300975, 20,00 €

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