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Benjamin Lebert – Mitternachtsweg

Benjamin Lebert ist ein Mann der leisen und nachdenklichen Töne. In seinem neuen Roman ,Mitternachtsweg’ erzählt der Autor eine weit zurückliegende Geschichte, die auf ihre ganz eigene Weise die Gegenwart beeinflusst. Er erzählt von einer Liebe einerseits und einem tragischen Unglück andererseits, das zwei Menschen über alle Zeiten hinweg verbindet.

Peter Maydell ist pensionierter Journalist der Lübecker Lokalzeitung. Trotzdem kehrt er noch immer zweimal in der Woche an seinen alten Schreibtisch zurück, um kleine Kolumnen über die Skurrilitäten der Provinz zu schreiben, die schon während seiner aktiven Zeit als Redakteur sehr beliebt waren. Einen nicht unwesentlichen Teil zum Erfolg trugen hierbei die mysteriösen Geschichten von Johannes Kielland bei; einem jungen Mann in rabenschwarzer Kluft, den Peter Maydell nur ein einziges Mal in einem Hamburger Café leibhaftig zu Gesicht bekommt. Und doch ein Mann, dessen letzte Geschichte in Manuskriptform untrennbar mit Peter Maydell und seinem Leben in Zusammenhang steht.

Es gab Nächte, die den Tag auf sanfte Weise in die Schatten führten. Und es gab Nächte, die herankamen wie Jäger und kurz und schmerzlos auslöschten, was der Tag gewesen war.

Johannes Kielland erzählt von einer mysteriösen Frau namens Helma Brandt, die sich bei ihm meldet, nachdem er über eine Leiche geschrieben hatte, die vor Sylt an Land gespült worden war. Niemand konnte sie identifizieren und so entschied man, sie auf dem Friedhof der Namenlosen beizusetzen, auf dem ein Jahrhundert zuvor noch regelmäßig gestrandete Seeleute bestattet wurden. Helma Brandts Interesse an dieser Geschichte ist enorm – und nicht nur das: Sie deutet Kielland immer wieder an, Informationen darüber zu haben, wer der Tote sei und was es mit dem schwarzen Handschuh auf sich habe, den er bei sich trug. Der junge Mann verfällt ihrem Charme und ihrer Unnahbarkeit und begleitet sie auf Sylt. Dort allerdings wird er mehr über Helma Brandt herausfinden als er je für möglich gehalten hat.

Im Verlauf meines zugegebenermaßen noch jungen Lebens habe ich den Eindruck gewonnen, dass jede Geschichte, egal welcher Art, letztlich immer nur von diesem Moment aus erzählt wird, in dem sich das Herabfallen in die Tiefe ankündigt, aber schon nicht mehr verhindert werden kann.

Seine Recherchen reichen tief in die Vergangenheit, hinein in die 30er-Jahre auf Sylt und zu einem jungen Liebespaar, das zur Festigung ihrer Liebe entscheidet, den “Mitternachtsweg” zu gehen. Das bedeutet, nachts bei Ebbe einen bestimmten Weg durchs Watt zu gehen, an der Hand jenen Menschen, den man am meisten liebt. Dieser Mitternachtsweg jedoch nimmt ein unverhofft tragisches Ende und seine Ausläufer reichen bis zu Johannes Kielland, Peter Maydell und Helma Brandt.

Benjamin Lebert hat mit ,Mitternachtsweg’ eine nordisch-mystische Geschichte erzählt, deren Dichte und Geschlossenheit sie vor den Augen des Lesers zu einer Art Sage machen. Mit fortlaufender Handlung erscheint das Geschehen einem plötzlich unermesslich lange her, wie eine Weise aus alten Tagen, die man sich noch immer erzählt, von der jeder insgeheim etwas weiß. Es ist eine Lagerfeuergeschichte, voller Spannung und mit ein bisschen Gänsehaut, ein Buch für diese Abende, an denen der Regen draußen gegen die Fenster drischt oder man sich gerade in der Nähe unruhiger Gewässer befindet. Benjamin Lebert weiß zu erzählen, ruhig und bedacht. Was in seiner Stimmung bereits bei ,Im Winter dein Herz‘ anklang, setzt sich in ,Mitternachtsweg‘ fort. Ein bisschen zwischenweltlich, aber sehr gekonnt.

Nur zu gern wollte ich das Leben mit den Schatten verwechseln, die es warf.

Benjamin Lebert: Mitternachtsweg, Hoffmann und Campe Verlag, 240 Seiten, 9783455404371, 18,00 €

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