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Phil Hogan – Die seltsame Berufung des Mr.Heming

Das Böse und Abseitige kommt manchmal auf leisen Sohlen. Und manchmal in Gestalt eines harmlosen Immobilienmaklers. William Heming ist das, was man gemeinhin unauffällig nennt. In seiner Stadt kennt zwar jeder die Firma, für die der freundliche Herr im Tweedjacket Häuser verkauft, er selbst aber wird von den wenigsten erkannt, unbemerkt wie ein Geist schlüpft er in die Leben seiner Klienten, einem Luftzug gleich, den man, kaum nimmt man ihn wahr, schon wieder vergisst. Stets, wenn sich ein Verkaufswilliger an das Immobilienbüro wendet und für eine Besichtigung des Hauses seinen Schlüssel abgibt, fertigt William Heming Kopien davon an. Akribisch wie ein Archivar sammelt er all diese Schlüssel – und besucht seine Kunden, wenn die es am wenigsten erwarten.

Wenn Sie mir eine Waffe an den Schädel halten und eine Erklärung verlangen, müsste ich vermutlich damit beginnen, dass wir alle Gewohnheitstiere sind.

Schon als Jugendlicher spionierte er seine Mitschüler und Lehrer aus, wurde der Schule verwiesen, litt unter der eisigen Atmosphäre seines Elternhauses, das nach dem frühen Tod seiner Mutter aus seinem gebrochenen Vater und seiner Tante Lillian besteht. William Heming ist kein Sympathieträger und sich selbst stets genug gewesen. Und als er schließlich in das Immobilienunternehmen des alten Mr.Mowers findet, steigt er rasch auf. Er hat seine Berufung gefunden, mag es auch eine seltsame und verstörende sein. Sie treibt ihn an. Doch neben seinem Erfolg in der Firma und dem unbefugten Betreten zahlreicher Häuser keimt in ihm noch etwas Anderes. Es ist die Fähigkeit, einen Mord zu begehen. Oder das Ableben eines unliebsamen Mitmenschen wenigstens durch Unterlassung deutlich zu beschleunigen.

Inzwischen ist mir längst klar, dass man nie alles über jemanden wissen kann. Vielmehr muss man es als ein ungemein spannendes Langzeitprojekt betrachten. Die Schwelle eines fremden Hauses zu übertreten, ist wie der Anfangssatz einer fesselnden Geschichte. Wenn man weiter vordringt, ist es im besten Fall so, als würde man sich verlieben.

Hin und wieder verliebt sich Mr.Heming auch – doch nur so lange, wie er die Angebetete im Verborgenen beobachten, wie er unbemerkt Teil ihres Lebens werden kann. Sobald er ihr zu nahe kommt, verfliegt alle Magie. Es ist als habe man ein Gemälde in all seinen Einzelheiten aus der Nähe betrachtet und könne nun nie mehr zu der verklärten Seligkeit zurückkehren, mit der man es zum ersten Mal von fern sah. Mr. Heming erinnert nicht zufällig an den einsamen Foto-Entwickler Seymour Parrish aus dem Film ,One Hour Photo‘. Und die Probleme drohen zu eskalieren, als William Heming mehr versehentlich einen Mord begeht, den er vertuschen muss.

Phil Hogan beschreibt einen zutiefst verstörenden Charakter, der nicht nur in einer beängstigenden Beiläufigkeit Morde begeht und Menschen ausspioniert, sondern dabei auch noch glaubt, dass er dadurch Gutes tun kann. Ein schlechtes Gewissen plagt ihn selten, William Heming ist ein skrupelloser Eigenbrötler mit ein bisschen Humor. Das Problem ist nur: Warum? Das klärt der Roman leider nur ungenügend, ja, Mr. Heming gerät in der Rolle des Erzählers desöfteren in einen etwas enervierenden Plauderton, der in krassem Kontrast zum Erzählten steht. Fraglos ist das hier und da unterhaltsam, spannend gar. Ein ganzes Buch tragen kann es nicht. Will diese Geschichte ein Roman sein? Oder ein Krimi? Schließlich spielen polizeiliche Ermittlungen eine große Rolle. Eine Charakterstudie? Die Beleuchtung des Bösen von nebenan? So ganz kann sie sich nicht entscheiden, das Ende bleibt offen und unbefriedigend. Was sonst noch bleibt: Mindestens drei Tote und ein einsamer kranker Mann.

Der einzige Unterschied zwischen verrückt und vernünftig liegt darin, wie viele Menschen einem zustimmen.

Phil Hogan: Die seltsame Berufung des Mr.Heming, aus dem Englischen von Alexander Wagner, Kein & Aber Verlag, 365 Seiten, 9783036957043, 19,90 €

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