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Der erste Tag am Wörthersee

Der erste Tag des Klagenfurter Wettlesens am beschaulichen Wörthersee ist vorüber. Problembeladen war er, thematisch beschwerlich. Von Tod und Krankheit über Nerzzucht vor dem Hintergrund des Dritten Reiches, von Bürokratenpossen über die Leiden des Mutterseins, schließlich endend in wieder erwachenden Leidenschaften stürmischer Jugendjahre auf einem trockenen Geschäftskongress.

Ab 10:00 übertrug 3sat via Livestream die Lesungen aller Autoren sowie die entsprechenden Juryurteile. Neu in der Jury: Arno Dusini, Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Wien. Ein Mann, der alles ganz genau beurteilt und seziert, manches Mal, so scheint’s, auch ein Bedeutungssucher in bedeutungslosen Gefilden. Einer jedoch, die die Diskussion gelegentlich mit kontroversen Standpunkten auflockert und neuen Wind in das Quartett um ihn herum bringt.

Allen Texten, ausgenommen dem Olga Flors, haftet eine Bedeutungsschwere an, die manches Mal erdrückend ist. Es könnte der Eindruck entstehen, gute Literatur funktioniere unmöglich ohne zahllose Meta-Ebenen, ohne das allgemeine und ganz persönliche Verderben, in das sich ein jeder unweigerlich mit seinem Lebendigsein stürzt. Dabei treten zwar manches Mal geschliffene und wundervolle Sätze zutage, jedoch rettet sich kaum etwas als Gesamteindruck bis ans Ende des Textes. So ein Wortjuwel ist schlichtes Wetterleuchten in den ansonsten so bedeutungsüberfrachteten Texten. Viele rufen das Gefühl wach, hier hätte nicht etwa der innere Drang zum Schreiben ganz zwangsläufig zu einem Text geführt, sondern eine äußere Notwendigkeit. Ich muss jetzt einen Text schreiben. Er muss gut sein. Irgendwie gesellschaftskritisch. Er muss und muss und muss. Schreiben mit der Brechstange in der Hand.

bachmannpreis

Heute lasen: Roman Marchel, Kerstin Preiwuß, Tobias Sommer, Gertraud Klemm, Olga Flor (v.l.n.r.)

Freilich ist Literatur ein Handwerk, doch es tut ihr selten gut, wenn man es ihr so deutlich anmerkt. Am heftigsten debattiert wurde sicherlich über Gertraud Klemms Text, der das Familienleben, das Muttersein auf so drastische Weise darstellte, dass Juri Steiner sogar sagte, nach diesem Text wolle er gewiss kein zweites Kind. Trotz dieser Härte und des Vorwurfs der “Hausfrauenliteratur” konnte der Text Impulse geben, auf eine lebensnahe Weise verdeutlichen, dass man dieser Tage nicht alles im Griff haben muss und kann, während das Haar sitzt und das Deo wirkt.

Es war ein durchwachsener Start, qualitativ stark schwankend, bisher leider wenig überzeugend. Roman Marchel startete recht gut, wenn man auch gelegentlich den roten Faden verlor, Olga Flor endete schwerfällig und bewies mit ihrem Text, dass Beschreibungen und Adjektive ab einer bestimmten Menge Szenerie und Stimmung ersticken. Zu deskriptiv, zu detailliert, zu wenig Raum, zu wenig Gefühl. Wer die Texte online nachlesen möchte, um sich selbst ein Urteil zu bilden – was ja bekanntlich ohnehin immer die bessere Variante ist – kann das bereits tun.

Roman Marchel – Die fröhlichen Pferde von Chauvet
Kerstin Preiwuß – Romanauszug
Tobias Sommer – Steuerstrafakte
Gertraud Klemm – Ujjayi (Romanauszug)
Olga Flor – Unter Platanen (Romanauszug)

Auch morgen überträgt 3sat wieder ab 10:00 die Lesungen.

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  1. Pingback: TDDL 2014 – Roman Marchel, Kerstin Preiwuß, Tobias Sommer, Gertraud Klemm, Olga Flor » Atalantes Historien

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