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Markus Gasser – Das Buch der Bücher für die Insel

So wie es vielerorts Staaten im Staate gibt, ist dieses Stück Literatur gleichsam ein Buch im Buche. Markus Gasser, studierter Germanist und Anglist, lässt in seinem literarischen Ratgeber für einsame Eilande nicht nur manchen Werdegang kanonischer Werke, sondern vor allem die tief empfundene und gelebte Freude an Literatur auferstehen. Sie ist auf jeder Seite zu spüren, in jedem Wort zu schmecken, das man sich auf der Zunge zergehen lässt.

Ein Arzt mag voraussagen können, für welche Krankheiten sich sein Patient besonders anfällig erweisen wird – die Wirkung eines Buches aber ist nicht zu prognostizieren: Da muß jeder selbst schauen, ob er sich durchschlagen kann und wie.

Es gibt viele von ihnen. Bücher, die uns sagen, was wir lesen sollen. Bücher, die uns sagen, was wir lesen müssen, ja, dass wir lesen müssen, um nicht zugrundezugehen. Die immer etwas oberlehrerhaft anmutende Bildung diverser kanonischer Leitfäden ist nach wie vor umstritten – was taugt sie? Ist sie nützlich? Soll nicht jeder Leser selbst entscheiden dürfen? Freilich. Doch es wäre eine Schande, ihn nicht auf all das hinzuweisen, das abseits seines Weges und fern jeden Medienhypes bereits die Jahrhunderte überdauert. In seiner Auswahl ist Markus Gasser wenig überraschend – da steht ein Marcel Proust, ein Stendhal, ein Joyce und ein Nabokov. Was diesen kleinen Ratgeber so besonders und im Vergleich zu seinen Artgenossen einzigartig macht, ist nicht das was – es ist das wie.

Markus Gasser erzählt und fabuliert ,als schriebe er gerade selbst einen Roman, über einzelne Werke, die stets aus nachvollziehbaren Gründen von einem göttlichen Bibliothekar ausgewählt sind, die Zeiten zu überdauern; aber auch über deren Urheber und ihre Leiden, über die Literatur an sich und was sie so bedeutsam macht, so unabänderlich notwendig macht in unserer Welt. Mit einer Sprache, die wie ein guter Wein ist, die hinter jeder Satzbiegung unversehens eine neue Perle enthüllt, an der man sich erfreuen kann. Schleierhaft erscheint es da, dass Markus Gasser nicht schleunigst selbst einen Roman schreibt. ,Das Buch der Bücher für die Insel’ macht Lust auf mehr, auf Literatur, auf Sprache und was dahinter liegt.

Wäre der Roman ein Mensch – und oft ist man nahe daran, auch das zu glauben – würde sich ein pulsfühlender Kardiologe Sorgen um ihn machen.

Ganz gleich, ob Markus Gasser über Marcel Prousts Hang zum Drama schreibt oder Virginia Woolfes Stimmenhören, ob über die Liebe zu den Beatles, die einen Autor ein Lebtag nicht loslässt oder die Brutalität einer homer’schen Odyssee, immer steckt darin eine unverkennbare und ansteckende Leidenschaft. Hier arbeitet niemand bloß bürokratisch eine Liste kultureller Höhenflüge ab, hier ist jemand bemüht, Geschichten um die Geschichten herum zu erzählen. Und damit – eingangs fand es Erwähnung – ein Buch im Buche zu kreieren, das mindestens dieselbe Freude bereitet, wie die besprochenen Werke selbst. ,Von einem, der den Regen in Brand setzen konnte‘, heißt es da in der Kapitelüberschrift über William Faulkner.

Ohne seine Beharrlichkeit wäre das Universum längst zusammengebrochen, aber dafür geehrt zu werden, war ihm auch wieder nicht recht.

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Dieses Buch ist eine Fundgrube. Nicht nur an schöner Literatur, sondern an schönen Gedanken und Worten, die die Literatur wie ein samtener Kokon umhüllen. Weil man öfter darin lesen und wildern muss, gibt es zwei Lesebändchen. Am liebsten, ja, würde man gern alles gleichzeitig in sich aufnehmen, doch glücklicherweise – kann man ein Buch nicht so rasch wie einen Drink hinunterstürzen.

Markus Gasser: Das Buch der Bücher für die Insel, Hanser Verlag, 383 Seiten, 9783446244955, 21,90 €

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