Kultur
Kommentare 7

[LiteraTour Nord] Marion Poschmann – Die Sonnenposition

Sie geht bereits ihrem Ende entgegen, die diesjährige LiteraTour Nord. Vorletzte im Bunde, nach Abbas Khider, Ralph Dutli, Clemens Meyer und Mirko Bonné, war Marion Poschmann. Auch ihr Roman, ,Die Sonnenposition’ stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2013, ein feingliedriger, assoziativer und nahezu lyrischer Roman, der seinem Leser – und in diesem speziellen Falle seinem Zuhörer – eine Menge abverlangt.

In manch einen Roman kann man sich fallenlassen wie in ein weiches Bett. In mancher Sprache kann man sich treiben lassen wie in einem Fluss, der seinem beständigen Lauf folgt. Täte man dergleichen bei Marion Poschmann, entgingen einem unzählige Details, zahllose gedankliche Winkelzüge, die es zweifellos wert sind, in Gänze wahrgenommen zu werden. ,Die Sonnenposition’ erzählt von Altfried Janich, einem Psychiater in mittlerem Alter, beschäftigt in einer Art Barockschloss in der ostdeutschen Provinz. Er soll, gemäß seines Berufes, für seine dort beheimateten Patienten die ,Sonnenposition’ einnehmen, ihnen Halt und Wärme vermitteln, einen festen Punkt bieten, an dem sie sich ausrichten können. Er habe, so Marion Poschmann, schon durch seine Leibesfülle und sein Auftreten etwas ,Sonnenkönighaftes‘. Doch das gerät jäh ins Schwanken, als sein Freund Odilo bei einem Autounfall ums Leben kommt. Er fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit. Und ohne Licht.

Marion Poschmann hat drei prägnante Textstellen ausgewählt, die nicht nur einen tiefen Einblick in die Machart des Romans, der mitnichten einem linearen Erzählstrom folgt, sondern auch in Poschmanns Sprache selbst geben. Neben Prosa hat sie auch schon desöfteren Lyrisches veröffentlicht (“Grund zu schlafen”, “Geistersehen”), was ihrem Stil deutlich anzumerken ist. Bildgewaltig ist er, fein ziseliert, eben wie ein Barockgemälde ausstaffiert, überreich an Bedeutung. Vielleicht ist es auch das, was das Zuhören zu einer mitunter sehr fordernden Angelegenheit macht. Poschmann liest gut, sie weiß zu betonen, Pausen zu setzen, um das Gehörte wirken zu lassen. Doch anders als im Buch ist es unmöglich, einen Satz nochmal zu lesen. Ihn in seinem Kontext zu sehen, über ihn nachzudenken.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=v_H9oFHr3IU&w=560&h=315]

Marion Poschmann selbst wirkt fast schüchtern, als sei es ihr ein bisschen unangenehm, ihren Roman zu präsentieren. Das Publikum indessen lauscht zwar gebannt, rutscht aber immer mal wieder auf den Stühlen hin und her. Ein bisschen mit sich selbst und dem Text kämpfend, an dem sie keinen Halt zu finden scheinen. So kommt nach der Lesung auch kaum ein Gespräch zustande. Jemand fragt, inwiefern Ostdeutschland denn eine Rolle im Roman spiele; Hans Wißkirchen, Direktor der Kulturstiftung Lübecks, schaltet sich ein und erzählt von den Landschaftsbeschreibungen, die in Zusammenhang mit den ,Erlkönigjagden’ Altfrieds und Odilos immer mal im Roman auftauchen. Man müsse sich ja sehr konzentrieren, sagt ein anderer. Ja, kein Buch, das man nebenbei lesen könne, erwidert Hans Wißkirchen. Danach Stille und Zurückhaltung. Hier und da wird flüsternd diese Sprache gelobt, die den Text wie ein Ornament veredelt. Begeisterung sieht anders aus. Vielleicht ist es Demut, ist es eine Überdosis Bedeutung.

So referiert Marion Poschmann kurz über Bioluminiszenz, die Teil von Odilos Job war, und ihre Bedeutung in der Wissenschaft. Sie spricht über Schloss Sonnenstein, das dem Schloss in ihrem Roman Pate gestanden habe, über den Wahnsinn Daniel Paul Schrebers, der lange Zeit Patient auf Schloss Sonnenstein war, über die Sonne als Metapher Gottes. Diese LiteraTour-Nord Lesung muss verdaut werden, wie auch Poschmanns Roman. Man muss sich Zeit für ihn nehmen, voll konzentriert sein, notfalls Passagen mehrfach lesen. Vielleicht eignen sich solcherlei Romane einfach nicht für Lesungen vor Publikum, vermutlich müssen sie in der Abgeschiedenheit der eigenen Privatbibliothek genossen werden, um ihr ganzes Aroma zu entfalten. Und dass es da so einiges zu entfalten gibt, hat Marion Poschmann bewiesen! (seinerzeit habe ich für die booknerds auch den Roman rezensiert – wer noch Interesse hat, klicke hier)

Weitersagen

7 Kommentare

  1. Pingback: (Die Sonntagsleserin) KW #04 – Januar 2014 | Bücherphilosophin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert