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Max Goldt – Die Chefin verzichtet

Max Goldt (eigentlich Matthias Ernst) ist ein deutscher Autor, Musiker & Zeichner. Er sang in dem NDW-Umfeld beheimateten Duo Foyer des Arts. Er schrieb Kolumnen für das Satiremagazin Titanic und veröffentlicht regelmäßig in Buchform Zusammenstellungen seiner Kolumnen. Seit 1996 arbeitet er mit dem Zeichner Stephan Katz zusammen – sie treten als Duo Katz&Goldt in Erscheinung.

Uff. Was könnte ich über Max Goldt sagen, was noch nicht gesagt wurde? Wie kann ich seinen literarischen Verdienst so zusammenfassen, dass es nicht klingt als hätte ich unter Aufbietung all meiner kriminellen Energien eine Imkerei ausgeraubt, um dem Herrn Goldt den gesamten dort verfügbaren Honigbestand ums Maul zu schmieren? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eines – wer bisher nichts von Max Goldt gelesen hat, hat etwas Grandioses verpasst!

Max Goldt ist eine Koryphäe der Alltagsbetrachtung, des scheinbar (!) Belanglosen, ein in nahezu rührender Vertrautheit mit dem Absurden schaffender Lapidarpoet. Auffällig sind natürlich zunächst immer die abstrusen Titel seiner Kolumnensammlungen – “Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens”, “Ä”, “Quiet Quality”, “Die Radiotrinkerin” und viele mehr. In den Büchern selbst geht es hinsichtlich der Kapitalüberschriften auch nicht gesitteter zu. In oben abgebildetem Werk finden sich demnach Texte folgenden Namens – Fast vierzig zum Teil recht coole Interviewantworten ohne die dazugehörigen dummen Fragen und Ich hatte – verzeihen Sie! – nie darum gebeten, im Schatten einer Stinkmorchel Mandoline spielen zu dürfen.

Trotzdem der Goldt-Unkundige nun vielleicht der Auffassung sein könnte, der Mann albert sinnlos mit Sprache herum wie ein Kind mit seinem Möhrenbrei, muss der Kenner kühl kalkuliert konstatieren: Der Sprachwahnsinn hat Methode! Egal, was Goldt anfängt, er bringt es sinnvoll zu Ende und entfernt sich niemals besonders weit vom Alltagserleben eines jeden Menschen. Jedenfalls inhaltlich nicht. Sprachlich schon, aber gerade seine pointierte und überaus ästhetische Sprache machen die humorvollen Betrachtungen doppelt angenehm zu lesen.

Ein kleiner Ausschnitt aus den “fast vierzig zum Teil recht coolen Interviewantworten ohne die dazugehörigen dummen Fragen“:

12. Wie? Die Deutschen gaben 2009 dreimal soviel für Wellensittiche aus wie für Bildung? Das glaube ich nicht! Ach so, Sie sagten Wellness! Ich hatte Wellensittiche verstanden.

16. Meine internationale Karriere beschränkte sich bislang überwiegend darauf, dass ich meine Selbstgespräche mitunter auf englisch führe.

20. Ich bin ein durch und durch philantropischer Kulturpessimist. Dass das ein Paradoxon ist, hoffe und befürchte ich in gschmeidiger Abwechslung.

29. Den höchst unglücklichen Zustand, dass einem die Intelligenz nichts einbringt als Überlegenheitsgefühle, habe ich vor mindestens zwanzig Jahren überwunden. Es ist nicht mein Problem, dass Sie das nicht merken.

Neben diesen Interviewantworten finden sich Texte über “Emotion” und “Inspiration” (oder besser, über den gesellschaftlich mittlerweile inflationären Gebrauch solcher großen Worte), über den Tod dreier  großer Künstler, Degenhardt, Kreisler & Loriot und die Feststellung, dass es nahezu unmöglich wäre, eine kritische Biographie über Loriot zu schreiben. Sprachkritik, Talkshows, Sexy-Lecker-Geil-Menschen und der degenerierende Hauch von Glamour, alles findet in diesem schmalen Büchlein Platz. Man schmunzelt und lacht – ab und an auch laut, wie meine Nachbarn möglicherweise festgestellt haben -, man schüttelt den Kopf, nur um ihn kurz darauf wieder bejahend auf und ab zu bewegen. Max Goldt ist ein Phänomen. Und interessanterweise auch eine Autorität auf seinem Gebiet. Max Goldt ist – und hier bastle ich noch eine Anspielung auf das Buch hinein – wie Sarah Wagenknecht. Man glaubt einfach nicht, dass er auch mal zutiefst kleinbürgerliche und menschliche Sachen tut. Im Baumarkt Schrauben kaufen oder sowas.

Und anders als seine auf die Bühne gemogelten fiktiven Kollegen verwendet der reale und heutige Kleinbürger niemals ulkige Ausdrücke wie “Schlüpfer” und “Bohnenkaffee” – sein Wortschatz ist ein Schrottplatz klischeebehafteten Jugendslangs der achtziger Jahre: “geil” und “krass” und “ätzend” und so weiter. Er ist das Produkt einer widerstandslos hingenommenen Popkultursozialisation, ein sich wohl fühlendes Opfer. Er ist tätowiert, motorisiert, umfassend desinteressiert und allzeit bereit, zustimmend zu johlen oder empört zu schnauben, vor allen Dingen aber ist er, insbesondere sind sie, die “Mädels” – wie im Kleinbürgerjargon Frauen genannt werden – “sexy”.

Was soll ich noch weiter sagen? Kauft diese Bücher! Geht auf seine Lesungen, ich durfte schon eine genießen. Q.e.d.!

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  1. Pingback: privatkino

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