Alle Artikel mit dem Schlagwort: tod

Jasmin Schreiber – Marianengraben

Paulas kleiner Bruder Tim ist gestorben. Bei einem Urlaub mit den Eltern ist er, der „Meeresforscher“, im Meer ertrunken. Und nichts ist mehr wie es war. Jasmin Schreiber erzählt in Marianengraben zwar von Tod und Abschiednehmen, gleichzeitig aber genauso sehr vom Leben – das eine lässt sich nicht vom anderen trennen. 11000 Meter ist der Marianengraben tief. Darin nicht nur die tiefste Stelle des Weltmeeres, sondern zahllose unentdeckte Tierarten zweifelhafter Schönheit. Dort, wo das Sonnenlicht niemals ankommt, leuchten und blinken biolumineszente Lebewesen in der Dunkelheit. Für Paula ist der Marianengraben ein Sinnbild ihrer Trauer: tief, düster, allumfassend. Sie fühlt sich wie ein Fallen an in 11000 Meter Tiefsee. Nur folgerichtig, dass die Kapitel in Marianengraben Kilometerzahlen sind. Stück für Stück steigt Paula wieder an die Oberfläche. Zunächst aber sitzt sie beim Therapeuten und spricht mit ihm über Nudeln, weil sie alles andere nicht in Worte fassen kann. Der Therapeut rät ihr, den Friedhof aufzusuchen, wenn kein anderer dort ist und obwohl Paula das absurd erscheint, beherzigt sie den Ratschlag. Mit einer Trittleiter im Schlepptau bricht …

Emmanuel Carrère – Alles ist wahr

Emmanuel Carrère ist ein französischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Filmproduzent. Er hat bereits einige Bücher veröffentlicht – unter anderem über Werner Herzog und Philipp K.Dick – und war 2010 Jurymitglied bei den Fimfestspielen in Cannes. Seine Geschichte La Classe de neige (“Schneetreiben”), die einen väterlichen Mörder zum Protagonisten macht, wurde 1998 verfilmt. Für Limonow wurde Carrère u.a. mit dem Prix Renaudot und dem Prix de la langue francaise ausgezeichnet. ,Alles ist wahr‘ erscheint nun, wie auch sein Vorgänger, im Matthes & Seitz Verlag. Emmanuel Carrère ist wahrscheinlich, der Vergleich ist gar nicht so wagemutig, ein französischer Truman Capote. Als der seinen Tatsachenroman ,Kaltblütig‘ über eine ermordete Familie auf einer Farm in Kansas schrieb, war die Gattung des Tatsachenromans noch etwas Brandneues und Experimentelles. Niemand hatte zuvor auf diese Weise versucht, Wirklichkeit und prosaisches Schreiben miteinander zu verbinden, tatsächliche Geschehnisse nicht ausschließlich nüchtern und faktenreich aufbereitet zu präsentieren, sondern literarisch anspruchsvoll. Capote gelang eine Sensation. Sensationell ist der Tatsachenroman als solcher heute freilich nicht mehr, aber es gibt Autoren, die ihn glänzend beherrschen, diesen Balanceakt zwischen Fiktionalisierung und …

Martin Winckler – Es wird leicht, du wirst sehen

Martin Winckler ist ein französischer Arzt, Übersetzer und Schriftsteller. Bekannt wurde er mit seinem 2000 erschienenen Roman ‘Doktor Bruno Sachs’ (“La maladie de Sachs”), der verfilmt und in 14 Länder verkauft wurde. Sein neuer Roman ,Es wird leicht, du wirst sehen’ erschien unlängst in der Übersetzung von Doris Heinemann im Kunstmann Verlag und widmet sich einem kontrovers diskutierten Thema – dem selbstbestimmten Umgang mit dem Tod. Es ist ein Thema, über das wir alle ungern nachdenken. Es ist eine Debatte, die uns mit unserer eigenen Vergänglichkeit, der Endlichkeit unseres Lebens konfrontiert, mit der Hilflosigkeit angesichts einer schweren Krankheit. Emmanuel Zacks ist Arzt auf einer Schmerzstation. Er ist Spezialist für die verschiedensten schmerzlindernden Medikamente, Opioide und Morphine, Lokal – und Allgemeinanästhetika. Nach dem Studium lernt er die zahlreichen Erscheinungsformen von Schmerz kennen und lindern. Er hört den Menschen zu, nimmt sie wahr in ihrem Leid. Und veurteilt, im Gegensatz zu vielen anderen, nicht etwa ihren Wunsch, ihrem Leben im Elend ein Ende zu bereiten. Während andere moralische, religiöse, ehtische Bedenken äußern, den Patienten ihre Zurechnungsfähigkeit absprechen, …

Franz Hohler – Gleis 4

Franz Hohler ist ein Schweizer Autor, Kabarettist und Liedermacher. Er studierte an der Universität Zürich Germanistik und Romanistik. Schon während des Studiums führte er sein erstes Soloprogramm pizzicato auf, das sich als so erfolgreich erwies, dass Hohler beschloss, das Studium abzubrechen und von seiner Kunst zu leben. Im März feierte Hohler seinen 70.Geburtstag, ihm zu Ehren veröffentlichte der Luchterhand Verlag bereits Anfang des Jahres den Erzählband “Der Geisterfahrer”. Stellen wir uns vor, wir befänden uns mit schwerem Gepäck auf einem gut besuchten Bahnhof. Vor uns eine unerhört steile Treppe, neben uns ein Koffer, den wir lieber durch die Luft dirigieren als diese steile Anhöhe hinaufschleppen wollen. Unversehens taucht neben uns ein älterer Herr auf und bietet an, den Koffer zu tragen. Ein Gentleman der alten Schule, denken wir und willigen nach einigen Sekunden Bedenkzeit erfreut ein. Es gibt sie noch, die guten Menschen, die Helfer ohne Hintergedanken, werden wir denken, während der Mann uns voraus nach oben schreitet. Scheinbar mühelos und guter Dinge. Der Mann rollte den Koffer zum Rand des Bahnsteigs, ließ ihn stehen …