Alle Artikel mit dem Schlagwort: kurzrezensionen

Kurz & knapp, Teil 2/19.

Im zweiten Teil Kurz & knapp für dieses Jahr geht es um traumatisierende Gewalt, Herkunft, Alltagsrassismus, Verschwörungstheorien und gute Kurzgeschichten. aufgeschrieben ist ein vielstimmiges Gespräch über Gewalt und Trauma. Über das, was davon bleibt, vom “Ich”, das lange sexualisierter Gewalt – z.B. in organisierten Strukturen – ausgesetzt ist. Der Text ist dicht, drückend, in Bewegung, bildhaft und verschlungen. Man begibt sich in ihn hinein wie in einen zeitlosen Raum. H.C. Rosenblatt betreibt seit langsam Ein Blog von Vielen, zu dem u.a. auch ein Podcast gehört. Er erzählt vom Leben mit dissoziativer Identitätsstruktur, vom Überleben, vom Kampf um Autonomie und dem normierenden Blick der anderen. aufgeschrieben ist ein Destillat dieser Themen, ein Ringen um Worte für das Unaussprechliche, der Versuch, sich schreibend zu erfahren. Es gibt keine Handlung im klassischen Sinne, sondern die Perspektiven verschiedener Persönlichkeiten, die alle jeweils Teile des Traumas tragen und verkörpern. Ein wichtiges Buch über ein Thema, das breitere Aufmerksamkeit und mehr Bereitschaft zur Auseinandersetzung verdient. H.C. Rosenblatt: aufgeschrieben. edition assemblage. 96 Seiten. 15,00 €. Der Platz erschien im Original bereits 1984. …

Kurz & knapp rezensiert, Teil 1/19.

Es hat sich wieder so einiges auf meinem Schreibtisch angesammelt, von dem ich erzählen wollte. Allein Zeit und Worte fehlten mir. Deshalb jetzt: Ein frühlingshaft belebender Mix aus Romanen & Graphic Novel. Die Geschichte des männlichen Genies ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Im Rampenlicht der kluge, erfinderische Mann, dessen Geisteskraft ihn längst in unerreichbare Höhen katapultiert hat; in seinem Rücken die Frau, die ihm denselbigen frei hält. Auch wenn dieses Narrativ zunehmend hinterfragt wird, hat es lange Zeit erheblichen Einfluss darauf ausgeübt, was wir von weiblichen Perspektiven und Errungenschaften wissen. Liv Strömquist bricht in I’m every woman mit eben diesen Erzählungen, die die Frau zu einer Marginalie – oder schlimmer: zur zerstörerischen Furie – umdeuten. Anders als in Der Ursprung der Welt oder der Ursprung der Liebe geschieht das im aktuellen Band auf etwas losere, schlaglichtartige Weise. Es werden die unsäglichsten Lover der Geschichte gekürt, mit dabei Pablo Picasso (auf den auch Hannah Gadsby in ihrem Bühnenprogramm Nanette sehr ausführlich zu sprechen kommt), Albert Einstein und Edvard Munch. Strömquist zeichnet an gegen queerfeindliche und biologistische …

Kurz und knapp rezensiert im April

Nicht zu jedem Roman kann man sich in epischer Breite auslassen. Ein guter Grund für die überfällige Reanimation des Kurz & Knapp-Formats. Truman Capote – Handgeschnitzte Särge Mit Kaltblütig (1966) begründete Capote das Genre des Tatsachenromans. An diesen furiosen Erfolg konnte er nicht mehr anknüpfen, viel mehr kann man hier einen veritablen Karriereknick verorten. Handcarved Coffins, das Kein & Aber als eigenständiges Büchlein herausgebracht hat, erschien erstmals 1980 in der Textsammlung Music for Chameleons. Auch hier ist Capote auf der Spur skurriler Morde, die sich jedes Mal durch die Zusendung handgeschnitzter Miniatursärge mit einer Fotografie des Opfers ankündigen. Im Gegensatz zu Kaltblütig ist die Provenienz dieses Kriminalfalls unklar; ob er tatsächlich auf Tatsachen beruht, konnte nie letztgültig festgestellt werden. Obwohl Capote bis zu seinem Tod darauf bestand, dass es sich um eine wahre Begebenheit handelt (dem Text vorangestellt ist die Versicherung Tatsachenbericht eines amerikanischen Verbrechens) spricht vieles dafür, dass es sich um ein Potpourri aus verschiedenen Kriminalfällen handelt – mehr dazu hier. Auch stilistisch wählt Capote einen neuen Ansatz, indem er die Geschichte als Drama …