Alle Artikel mit dem Schlagwort: kurzgeschichten

#klassikerlesen mit Cornelsen: Kurzgeschichten

Auf Instagram habe ich es schon angekündigt: Ich möchte mich in diesem Jahr, in Kooperation mit dem Cornelsen-Verlag, mit ausgewählten Klassikern beschäftigen. Sowohl mit solchen, die ich in der Schule gelesen habe als auch mit solchen, die ich längst hätte lesen wollen und sollen. Hat sich mein Blick auf die Lektüre verändert, wenn es eine neuerliche Lektüre ist? Sehe ich jetzt etwas am Text, das ich früher nicht gesehen habe? Weshalb ist es noch immer lohnenswert, diesen oder jenen Text zu lesen? Ich beginne diese #klassikerlesen-Reihe mit einem Kurzgeschichten-Sammelband, der sowohl moderne Klassiker wie Siegfried Lenz, Wolfgang Borchert und Ilse Aichinger enthält als auch zeitgenössische Autor*innen wie Saša Stanišić, Lucy Fricke oder Zoë Jenny. Kurzgeschichten sind ein zu häufig stiefmütterlich behandeltes Genre. Überhaupt Erzählungen. Warum eigentlich? Manche haben lieber eine ausführlicher dargebotene Story, andere mögen die Leerstellen nicht, die eine Kurzgeschichte zwangsläufig durch ihren Fokus auf wenige Personen und zentrale Konflikte hinterlässt. Kurzgeschichten und Erzählungen im Buchhandel zu verkaufen, ist immer irgendwie knifflig. Verstanden habe ich das noch nie. Ich persönlich schätze es, wenn eine …

10 Erzählbände, die man lesen muss

Die Erzählung hat gegenüber dem Roman einige Vorteile. Sie bietet in komprimierter Form, wofür der Roman manchmal unsäglich viel Zeit braucht. Sie lässt sich auch schnell mal zwischendurch lesen, wenn man nicht die Ruhe für einen ausufernden Siebenhundertseiter hat. Sie ist zugespitzt und oft um ein einzelnes Erlebnis herum entwickelt. Sie ist dort, wo der Roman ein möglichst großes Bild präsentiert allenfalls ein wesentlicher Teil, auf den sie sich mit Liebe zum Detail kapriziert. Höchste Zeit also, einige wirklich lohnenswerte Erzählbände zu präsentieren. 1. Finn-Ole Heinrich: Gestern war auch schon ein Tag Erstmals 2009 erschienen, versammelt dieser Erzählband die Schattenseiten des menschlichen Miteinanders. Er schont weder Protagonisten noch Leser und scheut nicht vor unpopulären Gedanken zurück. Mit einer kraftvollen Sprache und einem poetischen Blick für die Kleinigkeiten strahlen diese Erzählungen noch über die Lektüre hinaus. Finn-Ole Heinrich: Gestern war auch schon ein Tag, btb Verlag, 160 Seiten, 8,99 € 2. Saïd Sayrafiezadeh: Kurze Berührungen mit dem Feind In einer durchschnittlichen amerikanischen Stadt begegnen viele junge Menschen ihrem Feind. In Gestalt eines missgünstigen Chefs, eines miesen …

Über Literatur Quickie

Mit ,Einsamkeit des Fliesennobelpreisträgers’ von Dirk Bernemann steht Literatur Quickie gerade auf der Longlist zum Preis für den Ungewöhnlichsten Buchtitel des Jahres 2014. (hier kann noch bis zum 16.02. abgestimmt werden) Die 15.Staffel der Erwachsenenpixis, wie sie immer wieder liebevoll genannt werden, erschien im letzten Jahr pünktlich zur Frankfurter Buchmesse und enthält neben Dirk Bernemanns auch Geschichten von Kathrin Seddig, Elisa Helm, Ulrike Anna Bleier und Gerrit Wustmann. Da war es mal Zeit, mit Lou A. Probsthayn, dem Mann hinter den Quickies, ein paar Worte zu wechseln. Mit drei Worten kurz beschrieben – was ist Literatur Quickie? Kurz. Und. Gut. Literatur Quickie gibt es mittlerweile seit 2009. Wie ist diese Idee entstanden? Wir haben Rotwein getrunken, ich weiß, so fangen alle schlechten Geschichten an, aber ein befreundeter Illustrator, der mich „es war einmal“ besuchte und meiner Tochter seinen neuesten kleinen Pixi-Bücher, es waren nicht die vom Carlsen Verlag, zu schenken, da ist er dann passiert, dieser Gedanke: Warum es eigentlich nur für unsere Kids diese Bücher gibt – Und wir sind doch auch mit denen …

Dorthe Nors und ihr Handkantenschlag

Sie mag keine Geschichten, die belehrend den Zeigefinger heben. Viel mehr geht es ihr um das Spiegeln menschlichen Handels und Empfindens, sagt die dänische Autorin Dorthe Nors in einem Interview. Die heute 44-jährige studierte Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte und veröffentlichte 2001 ihr erstes Buch. Drei weitere folgten, so auch 2008 ,Kantslag‘, das ihr zum Durchbruch verhalf. 2014 unter dem Titel ,Karate Chop‘ auch auf Englisch veröffentlicht, wurde es frenetisch von der amerikanischen Presse gefeiert. Sie sei ein aufstrebender Star, die Publishers Weekly verkündet sogar, kein Wort sei bei Dorthe Nors am falschen Platz. Sie selbst bezeichnet ,Handkantenschlag‘, das sechs Jahre brauchte, um in deutschen Regalen zu landen (dank dem Osburg Verlag), als eine Art Logbuch. Dorthe Nors lebte für zwei Jahre an verschiedenen Orten in Dänemark und lernte bei ihren Reisen unzählige Menschen und ihre Geschichten kennen. Es waren gute Begegnungen und weniger gute, auf jeden Fall aber haben sie sich in das Gedächtnis der aufmerksamen Autorin eingebrannt. Es geht um Einfühlungsvermögen und Genauigkeit, sagt sie. In ihren Geschichten, die oft nur kurze Momentaufnahmen alltäglichen Lebens …

Roman Simić – Von all den unglaublichen Dingen

Roman Simić ist ein kroatischer Autor und Verlagslektor. Simić war Herausgeber der wichtigsten kroatischen Literaturzeitung Quorum und ist noch Organisator und Programmdirektor des Festival Of European Short Story. Er gewann bereits mehrfach den Goran Preis für junge Dichter. Ich habe bereits Simićs ersten Erzählband ,In was wir uns verlieben‘ hier besprochen, ,Von all den unglaublichen Dingen‘ erschien im September 2013 wie sein Vorgänger bei Voland und Quist in der Übersetzung von Brigitte Döbert. ,Wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen‘, schrieb Ludwig Wittgenstein. Vielleicht könnte man diesen Leitsatz etwas modifizieren und sagen: Wovon man nicht reden kann, darüber muss man schreiben. Von unglaublichen, unsagbaren Dingen, die erst mittels Sprache Gestalt annehmen. So jedenfalls erscheint es einem, wenn man Roman Simićs Erzählungen liest. Sie alle handeln von Menschen in Einsamkeit, in Extremsituationen, abgeschnitten von der Alltäglichkeit. In allen seinen Geschichten spielt der Kroatienkrieg Anfang der 90er eine zentrale Rolle, wie ein konstanter Ton unterlegt er die verschiedenen Schicksale. Nicht um die Gräuel des Krieges geht es, jedenfalls nicht vorrangig, es geht um die Menschen. Darum, …

Alice Munro – Die Liebe einer Frau

Alice Munro ist eine kanadische Autorin. Ihr Werk umfasst mehr als 150 Kurzgeschichten, für die sie vielfach ausgezeichnet wurde. So 2009 mit dem Booker Prize und 2013 mit dem Literaturnobelpreis. Bereits im Teenageralter begann sie zu schreiben, als Studentin veröffentlicht sie erste Kurzgeschichten. Munro hat, so sagt man gemeinhin, die Kurzgeschichte nicht nur revolutioniert, sie hat sie als ernstzunehmende literarische Form neu etabliert. Was schon langsam zu einem Relikt zähflüssiger Deutschstunden zu werden drohte, ist mit dem Nobelpreis plötzlich wieder ziemlich salonfähig – und für eine breite Leserschaft interessant. “Weltliteratur” muss nicht immer auf 800 Seiten stattfinden, oft versteckt sie sich im Kleinen. Ihre Kurzgeschichtenbände erscheinen im Fischer Verlag. (Vorliegendes in der Übersetzung von Heidi Zerning) Frauen sind schwierig. Nicht nur allein, ganz für sich, sondern insbesondere untereinander. Vieles sagt man ihnen nach, Geschwätzigkeit, Boshaftigkeit, Gehässigkeit. Aber auch Fürsorge, Zartheit und Zerbrechlichkeit sind Attribute, die gemeinhin als fraulich oder weiblich bezeichnet werden. In ,Die Liebe einer Frau‘ lotet Alice Munro die Beziehungen von Frauen zueinander aus und lässt dem Abgründigen im weiblichen Miteinander besonders viel …

Die Poesie der Gyde Callesen

An dieser Stelle ein ungewöhnlicher Artikel. Ungewöhnlich insofern als er den üblichen strukturellen Rahmen einer Rezension sprengt und eher als Tipp zwischendrin daherkommt. Das hängt einerseits damit zusammen, dass meine Lektüre schon einige Jahre zurückliegt, andererseits aber auch mit der Tatsache, dass ich mich im Falle Gyde Callesens nicht nur auf ein einziges Werk beschränken will. Gyde Callesen, geboren 1975 in Flensburg, ist eine deutsche Autorin, deren Poesie und Wortgewalt beeindruckend, deren literarische und metaphorische Feinfühligkeit sehr besonders ist. Seit 2000 arbeitet Gyde Callesen als freie Schriftstellerin. Im Besonderen möchte ich mich mit zwei ihrer Werke beschäftigen – Maya mein Mädchen, erschienen 2003 und Käfer sind ungerade, erschienen 2006. Maya mein Mädchen erzählt fast schmerzhaft intensiv von der Identitätssuche und Vergangenheitsbewältigung einer jungen Frau. Sie ist Künstlerin und bemerkt mit wachsendem Alter immer mehr, wie sehr sich ihre Wahrnehmung und ihr Empfinden von dem anderer unterscheidet. Sie scheint viel intensiver wahrzunehmen, scheint Schwierigkeiten zu haben, sich als Mensch und Individuum in den großen Zusammenhang einzuordnen. Sie ist sich fremd, rinnt sich selbst immer wieder wie …