Alle Artikel mit dem Schlagwort: hanser verlag

Karen Köhler – Wir haben Raketen geangelt

Es war eine kleine literarische Tragödie, als bekannt wurde, dass Karen Köhler aufgrund einer Windpockenerkrankung nicht beim diesjährigen Bachmannpreis antreten wird. Sie galt als eine Favoritin – völlig zu recht. Denn unbestritten gehören ihre Kurzgeschichten zu den beeindruckendsten und gewandtesten, die man augenblicklich im deutschen Literaturbetrieb finden kann. In ihrem Debüt ,Wir haben Raketen geangelt‘ erzählt Karen Köhler von den Momenten, in denen das Leben auf der Kippe steht, in denen Glück nur mehr ein Wort zu sein scheint, aus dem alle Bedeutung gewichen ist. Sie erzählt von Krankheit, Tod, Enttäuschung und Einsamkeit. Das alles aber ohne, wie es oft in der Literatur üblich ist, schwerverdaulichen Pathos, ganz ohne Schwülstigkeit und Larmoyanz. Das ist so erfrischend wie es berührend ist. Denn manchmal, ja – da ist weniger mehr. Aus dem Radio kommt eine Treppe in den Himmel. Bill schläft unruhig, manchmal stöhnt er. Vor und hinter uns der Highway, einsam, dunkel, bisher noch keine Tankstelle, kein Diner oder Motel, nichts, wo man hätte anhalten, sich das Gesicht waschen und Bill etwas Eis besorgen können. Ein …

Robert Seethaler – Ein ganzes Leben

Aufgewachsen in der dörflichen Abgeschiedenheit um die Jahrhundertwende,ohne Zuwendung und mit den Gertenschlägen des Ziehvaters – Andreas Eggers Leben nimmt keinen guten Anfang. Robert Seethalers neuer Roman erzählt vom einfachen Leben, von Fortschritt und Veränderung. Von einem Einzelgänger, der die schützenden Grenzen seines Bergdorfes niemals hinter sich lässt. Andreas Egger ist noch jung, vier oder fünf Jahre vielleicht, als seine Mutter an Schwindsucht stirbt. Es ist der Anfang des 20.Jahrhunderts und während in den Großstädten langsam hektische Geschäftigkeit das Beschauliche ablöst, scheint in dem Bergdorf, in das Andreas nun gebracht wird, die Zeit stillzustehen. Er findet Obdach beim Großbauern Kranzstocker, der ihn jedoch nicht aus Mildtätigkeit, sondern des Geldes wegen aufnimmt, das Andreas in einem ledernen Beutel um den Hals trägt. Er ist eine willkommene Arbeitskraft und dem Jähzorn des mürrischen Alten von Anfang an ausgeliefert. Der mit Wasser geschmeidig gehaltenen Haselnussgerte begegnet er öfter als einem liebevollen Wort. Der Mann erschafft Leben durch die Kraft seiner Lenden, und er nimmt Leben durch die Kraft seiner Arme. Der Mann ist das Fleisch und er ist …

Markus Gasser – Das Buch der Bücher für die Insel

So wie es vielerorts Staaten im Staate gibt, ist dieses Stück Literatur gleichsam ein Buch im Buche. Markus Gasser, studierter Germanist und Anglist, lässt in seinem literarischen Ratgeber für einsame Eilande nicht nur manchen Werdegang kanonischer Werke, sondern vor allem die tief empfundene und gelebte Freude an Literatur auferstehen. Sie ist auf jeder Seite zu spüren, in jedem Wort zu schmecken, das man sich auf der Zunge zergehen lässt. Ein Arzt mag voraussagen können, für welche Krankheiten sich sein Patient besonders anfällig erweisen wird – die Wirkung eines Buches aber ist nicht zu prognostizieren: Da muß jeder selbst schauen, ob er sich durchschlagen kann und wie. Es gibt viele von ihnen. Bücher, die uns sagen, was wir lesen sollen. Bücher, die uns sagen, was wir lesen müssen, ja, dass wir lesen müssen, um nicht zugrundezugehen. Die immer etwas oberlehrerhaft anmutende Bildung diverser kanonischer Leitfäden ist nach wie vor umstritten – was taugt sie? Ist sie nützlich? Soll nicht jeder Leser selbst entscheiden dürfen? Freilich. Doch es wäre eine Schande, ihn nicht auf all das hinzuweisen, …

Martin Kordić – Wie ich mir das Glück vorstelle

Martin Kordić ist ein deutscher Autor und Lektor. 1983 in Celle geboren, studierte er am Institut für Literarisches Schreiben an der Universität Hildesheim und der Universität Zagreb. Er war Herausgeber der Literaturzeitschrift BELLA triste und künstlerischer Leiter des Literaturfestivals Prosanova. ,Wie ich mir das Glück vorstelle‘ ist sein erster Roman, erschienen im Hanser Verlag. Viktor ist anders. Anders als die meisten Kinder seines Alters. Als er von seiner Oma mit der Schinkengabel aus dem Bauch seiner Mutter geholt und gerade noch davor bewahrt wird, beim Betreten der Welt einen Genickbruch zu erleiden, ist er schief und schräg. Er muss ein Korsett tragen, die sogenannte ,Rückenspinne’, die durch stetigen Druck dauerhaft nässende Wunden an seinem Rücken hervorruft. In Viktors Land ist Krieg, den er, von seiner Familie getrennt, mit dem einbeinigen Dschib, einem Hund namens Tango und dem rothaarigen Mädchen zu überleben versucht. Seine Familie verliert Viktor bei einem vom Militär angeordneten Umzug, vom Dorf der Glücklichen, wie es genannt wird, auf die andere Seite des Flusses. Den einbeinigen Dschib indessen lernt Viktor auf einem Friedhof …

Thomas Glavinic – Das größere Wunder

Thomas Glavinic ist ein österreichischer Autor. Bevor er zu schreiben begann, war er als Werbetexter und Taxifahrer tätig, 1998 erschien sein erster Roman “Carl Haffners Liebe zum Unentschieden“, der zwar vielfach ausgezeichnet wurde, einer breiteren Öffentlichkeit aber dennoch verborgen blieb. Glavinic ist für das Spiel mit Realität und Wahrnehmung bekannt, besonders deutlich trat das wohl in seinem 2007 erschienenen Roman “Das bin doch ich” hervor, der von einem Protagonisten namens Thomas Glavinic handelt. Mit ‘Das größere Wunder‘, erschienen im Hanser Verlag, gelang ihm schlussendlich der Sprung auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2013. Es gibt Menschen, deren Leben mit dem Begriff ‘unkonventionell’ wahrscheinlich unzutreffend bis mangelhaft und allerhöchstens leidlich beschrieben sind. Thomas Glavinic stellt uns einen solchen Menschen vor. Einen Menschen, dessen Leben von Anfang an Umwege und Trampelpfade den geraden Hauptstraßen vorzog. Trampelpfade auf den Mount Everest. Jonas wächst in schwierigen Verhältnissen auf. Sein Zwillingsbruder Mike leidet unter einer leichten geistigen Behinderung, seine Mutter ist schwer alkoholkrank und selten nüchtern. Er dachte Tag und Nacht daran, wie er Mike beistehen konnte, wie er ihn …

Raquel J. Palacio – Wunder

Raquel J. Palacio (eigentlich Raquel Jaramillo) ist eine amerikanische Schriftstellerin. Sie lebt in New York und verbrachte als Art Director lange sehr viel Zeit damit, die Buchcover anderer Autoren zu gestalten. Sie arbeitete außerdem als Illustratorin und Fotografin. Wunder ist ihr Debüt und erntete international großen Erfolg. An einer Verfilmung des Romans wird bereits gearbeitet, 2013 erhielt es den Luchs des Monats (Mai). André Mumot hat diesen anrührenden Roman für den Hanser Verlag ins Deutsche übersetzt. Die Literatur hat derzeit etwas übrig für Schicksalsgebeutelte und Außenseiter. Nach John Greens Das Schicksal ist ein mieser Verräter, das sich ja bekanntermaßen mit zwei todkranken Jugendlichen beschäftigte, geht es nun um August Pullman, der unter dem Treacher-Collins-Syndrom und infolgedessen unter schrecklichen Deformationen im Gesicht leidet. machen wir uns nichts vor, fährt sie fort, das universum ist nicht nett gewesen zu auggie pullmann. In dieser so knappen wie nüchternen Feststellung ist bereits das Wesentliche dessen enthalten, was uns den Protagonisten der Geschichte sofort ins Herz schließen lässt. August “Auggie” Pullman hat in seinen jungen Jahren schon mehr Operationen über sich …