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Alexander Pechmann – Sieben Lichter

Im Juni 1828 läuft in der irischen Hafenstadt Cove ein Schiff ein, auf dem sich Grausames abgespielt hat. Große Teile der Mannschaft sind brutal ermordet worden, der Kapitän flüchtig. Glaubt man den Schilderungen der Überlebenden, muss er für das Massaker verantwortlich sein, doch es bleiben Zweifel. Alexander Pechmann hat eine wahre Geschichte zur Grundlage für eine Schauergeschichte genommen, die sich liest, als stamme sie aus der Zeit klassischer Abenteuerromane.

Als die Mary Russell in den Hafen von Cove einläuft, hat sich ein grausames Verbrechen auf ihr ereignet. Durch Zufall erfahren der prominente Theologe und Arktisforscher William Scoresby und dessen Schwager, der die »Watson«-Erzählerrolle in der Geschichte ausfüllt, von dem Unglück und beginnen, unabhängig von den offiziellen Ermittlungen des Coroners Nachforschungen anzustellen. Scoresbys Prominenz öffnet ihm viele Türen und so befragen beide die Überlebenden der Katastrophe, von ihr gleichermaßen angelockt und abgestoßen. Zunächst scheint alles klar zu sein. Kapitän William Stewart ist flüchtig, einiges, u.a. sein unberechenbares Verhalten, scheint dafür zu sprechen, dass er auf See verrückt geworden ist. Aber ist es tatsächlich so einfach? Stewart erzählte von einer geplanten Meuterei, als man ihn vor seiner endgültigen Flucht zu den Geschehnissen befragte. Er habe sich von seiner Mannschaft bedroht und in seiner Autorität nicht respektiert gefühlt. Von den kaum bezwingbaren Ängsten des Kapitäns berichten auch die Überlebenden. In ihren Schilderungen scheinen diese Befürchtungen jedoch ohne jede Grundlage zu sein. Wer sagt die Wahrheit?

Gemäß meiner von überspannten Federfuchsern wie Shelley und Godwin geprägten Vorstellung hätte ein solches Verbrechen die Sonne verfinstern oder zumindest für einen unheilvoll raunenden Wind sorgen müssen. Auch die Möwen schrien nicht lauter als üblich.

Alexander Pechmanns Roman hat basiert auf einer wahren Kriminalgeschichte. So heißt es im Tags-Blatt für München im Juli 1828: Am Bord des letztern Schiffes befanden sich die Leichname von 6 Matrosen und einem Reisenden, welche der Kapitän, namens Stewart, auf offener See mit Hilfe der Schiffsjungen, einen nach dem andern, gebunden und ihnen sodann mit einer eisernen Stange den Schädel eingeschlagen habe.  Stück für Stück entrollt Pechmann die verschiedenen Perspektiven auf das Geschehen, sich stilistisch ein Beispiel nehmend an Klassikern wie Stevenson oder Doyle. Tatsächlich wirkt sein Zweiergespann aus Scoresby und Schwager ein bisschen wie Holmes und Watson; der eine angesehen und weit über die Stadtgrenzen hinweg für seinen wachen Geist bewundert, der andere bodenständig und etwas zurückhaltender. Kapitän Stewart ist eigentlich für seine Verlässlichkeit bekannt, was mag ihn also zum Mörder gemacht haben? Das Reizvolle an Pechmanns Roman ist nicht nur die feinsinnige, gehobene und etwas anachronistische Sprache, die zu keinem Zeitpunkt wie ein bemühtes Abbild der Klassiker erscheint, sondern auch die düstere, diffuse und unwirtliche Atmosphäre. Sieben Lichter schafft auch ein Zwielicht, indem die Dinge nicht klar und deutlich hervortreten. Das hält die Spannung aufrecht, fast so, als befinde man sich gerade selbst im Nebel auf hoher See. Kann man seinen Sinnen trauen? Seinen Gedanken? Oder führen sie in die Irre?

Ich für meinen Teil glaub ja, dass ihm die Hitze auf Barbados nicht gut getan hat. Man erzählt sich, das Klima dort wär gesund, vor allem für Lungenkranke. Doch was für die Lunge gut sein mag, kann durchaus schlecht für den Hirnkasten sein, nicht wahr, Sir? Reverend?

Für mich war dieser Roman eine große Überraschung und ein kleines Juwel. Man liest sich fest, wird hin und her gerissen wie auf tosenden Wellen und kann es erst aus der Hand legen, wenn Recht gesprochen wurde und der Nebel sich lichtet. Ein bisschen aber bleibt von der Undurchdringlichkeit, ein nimmermüder Rest von Ungewissheit.

Alexander Pechmann: Sieben Lichter. Steidl Verlag. 168 Seiten. 18,00 €.

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