Kultur, Kurz & Knapp
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Kurz und knapp rezensiert im Juni!

Im Juni geht es um feministische Essays, ein ungewöhnliches Zoo-Exponat und die russische Schwermut aus französischer Feder.

Rebecca Solnits Essayband beginnt mit einer exemplarischen Partysituation: ein Mann belehrt Solnit, ungefragt und zunächst ohne es zu wissen, über ihr eigenes Buch. Es bedarf einiger Anstrengung, um ihn davon zu unterrichten, dass das Buch, aus dessen Besprechung er so übereifrig zitiert, von der Frau stammt, die ihm gegenüber steht. Gelesen hat er es selbst noch nicht. Worum es aber geht: mit dem 2/5-Wissen glänzen und das Revier abstecken. Von da aus reißt Rebecca Solnit mit ihren Essays zahlreiche feministische Themen an: die Marginalisierung von weiblichen Stimmen in Machtpositionen (verbunden mit der Schwierigkeit, als Frau überhaupt in solche Positionen zu gelangen), die Häufigkeit von Gewalt gegen Frauen, insbesondere in Form von Vergewaltigung, Machtverschiebungen und -differenzen und die eheliche Gleichstellung von Homosexuellen. Solnit ist eine scharfe Beobachterin, die klug und differenziert argumentiert und eigene, auch unkonventionelle Gedanken entwickelt. Am Ende steht eine anregende Sammlung ganz verschiedener Texte zu den Themen Feminismus und Gleichberechtigung, die offen zutage treten lassen, was gewonnen ist und wie viel Weg noch vor uns liegt.

Rebecca Solnit: Wenn Männer mir die Welt erklären, aus dem Amerikanischen von Kathrin Razum und Bettina Münch, btb Verlag, 176 Seiten, 9,99 €

Sich aus Liebe, verschmähter Liebe oder irgendwelchen artverwandten Gefühlen zum Affen zu machen, ist keine seltene Erscheinung. John und Josephine geraten mitten im Zoo in einen Streit, der grundsätzlicher kaum sein könnte. Wie vereinnahmend, wie absolut darf und kann die Liebe sein? Wie hoch ist unsere Opferbereitschaft? Bedeutet ein Bekenntnis zu jemandem gleichzeitig die Kriegserklärung an alle anderen? Wie gehen wir um, mit dem, den wir lieben? Sperren wir ihn ein, führen wir ihn vor? John jedenfalls kommt, einem erbosten Vorschlag Josephines folgend, auf die Idee, sich selbst als Exponat für den Zoo zur Verfügung zu stellen. So viele Spezies sind im Park vertreten, nur der Mensch nicht. Diese Lücke will er füllen und zieht neben dem Affengehege ein. Bereits in Dame zu Fuchs (1922) befasste sich David Garnett mit der Liebe und den Tieren, die sie gelegentlich aus uns macht. Mann im Zoo (1924) stößt in ein ähnliches Horn. Süffisant erzählt, mit Leichtigkeit und Witz, gelingt es auch diesem Roman, der selbsternannten Krone der Schöpfung einen Zacken aus derselben zu brechen.

David Garnett: Mann im Zoo, aus dem Englischen von Maria Hummitzsch, Dörlemann Verlag, 160 Seiten, 17,00 €

Im Original bereits 2007 erschienen, ist Ein russischer Roman ein typischer Carrère-Roman. Ausgelaugt von der mehrjährigen Arbeit an Amok macht sich Carrère auf den Weg in die russische Provinzstadt Kotelnitsch. Dort ist in einer Psychiatrie ein ungarischer Patient aufgetaucht, der als Kriegsgefangener vor über fünfzig Jahren verschwunden war. Carrère soll eine Reportage (Retour à Kotelnitch) über András Toma drehen, dessen Geschichte Überschneidungen mit der Geschichte von Carrères Großvater aufweist. Auch der verschwand 1944 im Krieg spurlos, vermutlich weil er mit den Deutschen kollaborierte. Er riss ein Loch in die Familie, über das der Mantel des Schweigens gebreitet wurde – bis Carrère entscheidet, diesem Teil seiner Familiengeschichte nachzuspüren. Wieder ist Carrère, vor dem historischen Hintergrund des Krieges, der heutigen Lebenswirklichkeit in der ehemaligen Sowjetunion und seiner eigenen Situation, entwaffnend persönlich und offenherzig. Seine Aufrichtigkeit ist so tröstlich wie sie manchmal verstörend ist. Es ist ein schwermütiges Buch geworden, russisch eben. Es wird getrunken, gelitten, geliebt, getötet und es geht, wie häufig bei Carrère, um ihn selbst und mitten ins Mark.

Emmanuel Carrère: Ein russischer Roman, aus dem Französischen von Claudia Hamm, Matthes & Seitz, 282 Seiten, 22,00 €

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