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Woanders: Der Deutsche Buchpreis im Ausland

© Mike Birdy. Stocksnap.

Mit dem Deutschen Buchpreis wird seit 2005 der “beste Roman des Jahres” ausgezeichnet. Jedes Jahr zieht die Verkündung der Longlist hitzige Diskussionen über die Auswahl der Titel und den Preis im Allgemeinen nach sich. Wie Jörg Sundermeier jüngst in einem Artikel herausstellte, gehören auch diese Diskussionen unweigerlich zum Geschäft. Sie beleben das Gespräch über Literatur, legen Kriterien und Schwachpunkte jeder Juryentscheidung – für welchen Preis auch immer – bloß und rücken Titel in den Fokus, die gerade weil sie (unverdientermaßen) nicht zu den Nominierten gehören, einen Blick wert sind. Was aber bewirkt der Deutsche Buchpreis im Ausland?

Es gibt wohl keine Buchpreisträgerin, deren Roman mehr Auslandslizenzen verkauft hat, wie die 2007 prämierte Autorin Julia Franck. Insgesamt 33 Auslandslizenzen von “Die Mittagsfrau” wurden verkauft, damit ist der Roman auch nach acht Jahren noch ungeschlagener Spitzenreiter. Und das, obwohl er sich in den zwei Monaten nach der Preisverleihung in Deutschland selbst z.B. deutlich schleppender verkaufte (266.000 Exemplare) als Tellkamps “Der Turm” (450.000), der mit nur 11 Auslandslizenzen eher im unteren Drittel angesiedelt ist. Die Übersetzungsrechte der anderen Gewinnertitel lagen mit durschnittlich 11 bis 18 Lizenzverkäufen fast immer im zweistelligen Bereich. Der Deutsche Buchpreis gilt im Ausland als Qualitätsmerkmal, als Richtwert, wenn es darum geht, sich auf dem deutschen Markt zu orientieren. Die Anzahl an Werken, die auf dem internationalen Markt zur Übersetzung angeboten werden, hat in den letzten 15 Jahren konstant zugenommen, berichtet Nora Mercurio, zuständig für Rechte und Lizenzen im Suhrkamp Verlag. Ein bereits prämiertes Werk genießt unter diesen Bedingungen natürlich größere Aufmerksamkeit. Es genügt allerdings bei weitem nicht, mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden zu sein, um internationalen Erfolg zu garantieren. Nora Mercurio sagt dazu: “Auf den Gewinner entfällt naturgemäß viel internationale Aufmerksamkeit, allerdings lässt diese sich nur dann in Lizenzverkäufe übertragen, wenn das Buch ungeachtet des Preises internationale Qualität hat. Nicht jeder Buchpreisroman kann im Ausland bestehen, aber der Buchpreis ist hilfreich dabei, einem Werke von internationaler Größe besondere Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Die französische Ausgabe des Gewinnertitels 2013

Die französische Ausgabe des Gewinnertitels 2013

Es ist zu vermuten, dass auch nicht jedes prämierte Werk thematisch im Ausland auf das gleiche Interesse stößt. Richard Stoiber ist im Hause Matthes & Seitz für Lizenzverkäufe zuständig, mit Frank Witzel hat der unabhängige Berliner Verlag im letzten Jahr einen Überraschungserfolg gelandet, den ihm wohl niemand zugetraut hätte. Auch Stoiber hält die Signalwirkung des Deutschen Buchpreises im Ausland für unbestritten, er fungiert als Marketinginstrument. Im Falle Frank Witzels war das Interesse bereits vor der Auszeichnung auch aufgrund hymnischer Besprechungen im Feuilleton groß, sagt Stoiber. Aber er räumt ein: “Bis zuletzt waren die Verlage aufgrund des komplexen Inhalts und der schieren Länge des Romans aber zögerlich. Als der Preis dann kam, haben wir innerhalb eines Tages Übersetzungsrechte nach Frankreich, die Niederlande, Dänemark und China verkauft. Auch von Verlagen, mit denen wir bisher nicht in Kontakt standen, kamen spontane Angebote.” Trotz größerer Vorbehalte hat der Deutsche Buchpreis Witzels manischem Teenager die Tore ins Ausland geöffnet. Vermutlich wäre es trotz bereits geleisteter Vorarbeit seitens des Verlages und positiver Besprechungen schwierig geworden, den über 800 Seiten starken Roman ohne Preis zu lizenzieren, gibt Richard Stoiber zu. Die ausländischen Verleger brauchten ein starkes Signal: den Deutschen Buchpreis.

Ursula Krechels "Landgericht", Gewinnertitel 2012

Ursula Krechels “Landgericht”, Gewinnertitel 2012

Dass er also in der Verlagslandschaft selbst eine Rolle spielt und als Verkaufsargument auch bei ausländischen Verlegern funktioniert, lässt sich immer wieder beobachten. Wie steht es aber um die ausländischen Leser? Lassen die sich eher zum Kauf verführen, wenn ein Titel mit dem Deutschen Buchpreis prämiert wurde? Eine Autorin und Leserin aus Großbritannien schätzt, dass der Preis dort keine große Rolle spielt. Obwohl sie Jenny Erpenbecks “Gehen, ging, gegangen” gelesen und online vorgestellt hat, war ihr weder die Nominierung des Romans für den Deutschen Buchpreis noch die Existenz des Preises selbst bewusst. Viele Länder, sagt sie, haben nationale Literaturpreise. In Großbritannien wäre der Man Booker Prize das deutlich wahrnehmbarere Äquivalent auch für LeserInnen. In Frankreich würdigt der Prix Goncourt “das beste erzählerische Werk des laufenden Jahrs in französischer Sprache.” Verglichen mit diesen Literaturpreisen sind der Deutsche Buchpreis (seit 2005) wie auch der Schweizer Buchpreis (seit 2008) sehr junge Fabrikate. Während die deutschen Buchhändler dem deutschen Buchpreis mehrheitlich aufgeschlossen gegenüberstehen und ihn aktiv in der eigenen Buchhandlung bewerben, wollte ich auch wissen, ob er in ausländischen Buchhandlungen eine Rolle spielt. Iris Mönch-Hahn betreibt in Paris die Librairie Allemande, die sich auf deutschsprachige Literatur spezialisiert hat. Spielt der Deutsche Buchpreis bei ihr und vorallendingen ihren französischen Kunden eine Rolle?

Es gibt einen gewissen Kreis in Frankreich, der den Buchpreis wahrnimmt, sagt Iris Mönch-Hahn, insgesamt empfindet sie aber die Presseaktivität im deutschen Feuilleton in Bezug auf den Deutschen Buchpreis als eher unterdurchschnittlich. Französische Zeitungen würden über französische Literaturpreise weit mehr berichten, Buchhandlungen aktiver mit den Auszeichnungen werben. Die Franzosen entdecken den Deutschen Buchpreis eher “durch Zufall” oder “durch Empfehlungen”. “Der Büchner-Preis wird zum Beispiel hier eher wahrgenommen, als der Deutsche Buchpreis, wobei nicht gesagt ist, dass sich die Bücher dieses Autors plötzlich besser verkaufen“, erklärt Mönch-Hahn. “Der deutsche Buchmarkt ob mit oder ohne Buchpreis funktioniert hier – zumindest aus der Sicht meiner Buchhandlung und als Buchhändlerin – etwas anders. Meine Kunden sind hauptsächlich Franzosen und diese kaufen vorwiegend Klassiker wie Stefan Zweig, Joseph Roth, Thomas Mann, Paul Celan etc. Bezüglich zeitgenössischer Literatur ist für diese Kunden ein Buch immer dann sehr relevant und wichtig, wenn es gerade neu ins Französische übersetzt wurde. Das ist dann für Frankreich eine Neuerscheinung und somit auch für die deutsche Buchhandlung in Paris ein « neues » und vor allem wichtiges Buch, das sich sehr viel verkauft. Da spielen dann Literaturpreise eigentlich keine Rolle mehr.

Eugen Ruges Gewinnertitel von 2011 in englischer Übersetzung

Eugen Ruges Gewinnertitel von 2011 in englischer Übersetzung

Als Aushängeschild deutscher Literatur würde der Preis nicht wahrgenommen, resümiert sie. Viel eher ein Verkaufsargument seien positive Besprechungen im Feuilleton einer renommierten deutschen Zeitung, Preise sind zweitrangig, wenn sie auch den Effekt einer lobenden Rezension verdoppeln können. “Wenn ich mir jetzt die Longlist von dem Deutschen Buchpreis 2016 ansehe“, stellt Iris Mönch-Hahn fest, “sind da viele Autoren dabei, die kein Franzose kennt. Peter Stamm natürlich, der aber bereits ohne Buchpreis hier in Frankreich bei den Franzosen sehr beliebt ist, eventuell auch Kumpfmüller, Kirchhoff und Lewitscharoff! Doch bei den anderen Autoren wird es schon sehr schwierig.”

Insgesamt spielt der Deutsche Buchpreis also im Ausland am ehesten eine Rolle, wenn es um Lizenzverhandlungen geht. Dort wird er zwar von Branchenkennern als renommierter Preis wahrgenommen und geschätzt, ein Freifahrtschein ist er dennoch nicht. Es muss mehr zusammenkommen, um einen deutschen Roman im Ausland bekannt zu machen, einen deutschen Autor grenzübergreifend zu etablieren. Richard Stoiber z.B. sagt noch, dass kein im Ausland bekannter deutscher Autor und keine im Ausland bekannte deutsche Autorin jemals mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Es scheint insbesondere für LeserInnnen wichtigere Kriterien zu geben. Und das ist doch, auch im Hinblick auf die diesjährige Preisverleihung am 17. Oktober, eine beruhigende Sache; für alle Beteiligten.

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