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Connie Palmen – Du sagst es

Sie gelten als eines der bedeutendsten, aber auch berüchtigtsten Paare der Literaturgeschichte: Sylvia Plath und Ted Hughes. Am 11. Februar 1963 beging Sylvia Plath, kurz nach Veröffentlichung von Die Glasglocke, Selbstmord, indem sie ihren Kopf in den Herd legte und das Gas aufdrehte. Die niederländische Autorin Connie Palmen erzählt nun die Geschichte von Hughes und Plath, allerdings aus der Sicht des vielfach beschuldigten und als “Mörder” verunglimpften Ehemannes. Am Ende steht eine Rehabilitierung des Dichters.

Lange war es eine tragische Geschichte, die nach einem Schuldigen verlangte. Sylvia Plath, nach ihrem Tod zur Ikone emporgehoben und als moderne Frau zerrissen zwischen dem Verlangen, sich künstlerisch zu verwirklichen und dem klassischen Frauenbild der Zeit zu entsprechen, stand an einem Montagmorgen im Februar 1963 auf und stellte ihren Kindern Frieda und Nicholas das Frühstück bereit. Sie dichtete sorgsam sämtliche Ritzen zwischen Küche und restlicher Wohnung ab, um die Kinder nicht zu gefährden, schluckte eine Packung Schlaftabletten und legte den Kopf in den Gasherd. Zu diesem Zeitpunkt lebten Hughes und Plath bereits getrennt. Seine Affäre mit Assia Weville hatte das Fundament ihrer Ehe zum Einsturz gebracht, morsch war es zuvor schon gewesen. Sylvia Plath, von ungestümem und feinfühligem Charakter, litt schon früh an schweren Depressionen und unternahm bereits in jungen Jahren einen Selbstmordversuch, der sie einige Wochen in die Psychiatrie brachte. Dort wurde sie u.a., wie damals üblich, mit Elektroschocks behandelt, den erwünschten Erfolg hatte das nicht. Immer wieder geriet sie in Zustände äußerster Verzweiflung, Angst und Wut. Die Beziehung zu ihrer Mutter Aurelia war stets ambivalent, ihr Vater verstarb früh und sollte bis zuletzt mit seiner preußischen Autorität und Strenge einen unverrückbaren Fixpunkt ihres Schaffens bilden. (z.B. in Daddy, The Colossus)

Ich war nie zuvor jemandem begegnet, bei dem Lieben und Hassen so nah beieinander lagen, dass es fast keinen Unterschied gab. Sie wollte nichts lieber, als jemanden lieben, aber sie hasste es, wenn sie es tatsächlich tat. Sie wollte nichts lieber, als geliebt werden, aber sie hat jeden, der sie je geliebt hat, gnadenlos für diese Liebe bestraft.

Hughes ist ihr völlig verfallen. Die beiden lernen sich in Cambridge kennen und heiraten kurz darauf. Die Hochzeit halten sie vorerst geheim, weil sie fürchten, Sylvia könne als verheiratete Frau ihr Stipendium verlieren. Ihre Beziehung ist leidenschaftlich, kräftezehrend, rasant. Beide widmen sich ihren schriftstellerischen Karrieren, treiben aneinander an und deklamieren ihre Gedichte vor den kritischen Ohren des jeweils anderen. Hughes hat schneller Erfolg und sieht sich mit der Herausforderung konfrontiert, eine Person öffentlichen Interesses zu sein. Sylvia hingegen feilt an ihrer unverwechselbaren Stimme, an ihrem wahren Selbst, wie Palmen es nennt, das Eingang in ihre Gedichte finden muss, um ihren die nötige Wahrhaftigkeit zu verleihen. Du sagst es trifft mit seiner kompromisslosen Offenheit mitten hinein in das Herz dieser Ehe, die sowohl künstlerisch als auch persönlich alles ausschöpft, was zwischen zwei Menschen möglich ist. Tiefste Vertrautheit und Zuneigung wechseln mit rasender Eifersucht und Lebensmüdigkeit. Es ist eine Achterbahnfahrt und ein Höllenritt, gefräßig, wenn es um die Kräfte beider geht und wenig spendabel, wenn die hellen Momente verteilt werden.

Die Gewalt leugnen, heißt, die Gewalt heraufbeschwören. Das Böse leugnen, heißt, das Böse heraufbeschwören. In allen Erzählungen und Gedichten ist die Leugnung des Bösen in uns selbst die Quelle allen Unglücks und sind Erkenntnis und Wissen die Rettung.

Obwohl Palmen aus Hughes’ Perspektive erzählt – zu großen Teilen stützt sie sich dabei auf seine 1998 erschienenen Birthday Letters und Kommentare zu Plaths Werk -, vermeidet sie eine eindeutige Parteinahme und vor allem eine Verurteilung Sylvias. Palmen legt den Roman nicht als umgekehrten Rachefeldzug an, sondern dezidiert als Perspektiverweiterung. Hughes jedenfalls habe, so sagt auch seine Tochter Frieda in einem Interview mit dem Guardian, niemals ein schlechtes Wort über ihre Mutter verloren. Bis kurz vor seinem Tod hat er sich nicht zu den Vorwürfen und Verleumdungen geäußert, die über ihn und seine Beziehungen in Umlauf waren. Man gab ihm die Schuld am Tod seiner Frauen, er müsse sie dazu getrieben haben, hieß es. Seine Geliebte Assia Weville nahm sich sechs Jahre nach Plaths Selbstmord auf exakt die gleiche Art wie sie das Leben. Sie tötete sich und die gemeinsame vierjährige Tochter. Eine Erzählsituation wie diese – die unbeteiligte Connie Palmen stellt aus der Perspektive einer fiktionalisierten Person realen Vorbilds, Hughes, u.a. Mutmaßungen über seelische Dynamiken einer zweiten realen Person, Sylvia Plath, an -, birgt immer die Gefahr, schwarze Löcher, die durch nichts dokumentiert sind, mit eigenen (womöglich küchenpsychologisch anmutenden) Interpretationen zu füllen. Gelegentlich entschlüpfen Palmen in Gestalt von Ted Hughes solche Sätze; etwas platt, etwas pathetisch, etwas seicht wie ein lauwarmes Gewässer. Aber es sind wenige. Mit Du sagst es hat Connie Palmen eine aufwühlende und bipolare Beziehungsgeschichte vor realem Hintergrund geschrieben, die sich dazu eignet, manch kursierende Vorannahme zu Ted Hughes mindestens in Frage zu stellen. Wenn man das will.

Connie Palmen: Du sagst es. Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, 288 Seiten, 22,00 €

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